Der Einfluss von Shiatsu auf die Lebensqualität bei Multipler Sklerose. Eine Studie von Stergios Tsiormpatzis

Mann in Rollstuhl
Unerwünschte Ereignisse

Die Teilnehmerin wurde in jeder Sitzung zu unerwünschten Ereignissen befragt, sie berichtete aber keine. In der Befragung gab sie an, dass einige ihrer Probleme (lokale Schmerzen) auf Shiatsu besser ansprachen als auf die Standardbehandlung. Durch die Verbesserung der Spastik allerdings sei ein vorher nicht dagewesenes Problem aufgetreten: Schwierigkeiten beim Aufstehen vom Rollstuhl zum Bett oder zur Toilette.                               

Zusammenfassung der Ergebnisse

Zusammenfassend deuten die Ergebnisse der Studie auf Verbesserungen in einigen Bereichen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der spezifischen Person mit sekundär progredienter Multipler Sklerose zu verbessern, wie Spastik, Darmfunktion, Müdigkeit, Schmerzen, Schlaf und Entspannung. Auch die Erwartungen der Patientin wurden durch die Behandlung verbessert. Die Bereiche, die sich auf mentale und kognitive Fragen, Funktion und Rolle, soziale Unterstützung, die Auswirkungen der Sehbehinderung, die Blasenkontrolle sowie die allgemeine Gesundheit beziehen, blieben unbeeinflusst oder zeigten ein komplexeres Bild.

Diskussion

Klinische Ergebnisse

Die minimale klinisch bedeutsame Differenz (MCID) ist definiert als „der kleinste Unterschied in der Punktzahl im interessierenden Bereich, den Patient*innen als vorteilhaft empfinden und der ohne lästige Nebenwirkungen und übermäßige Kosten eine Änderung in der Behandlung des Patienten nahelegen würde“1“The smallest difference in score in the domain of interest which patients perceive as beneficial and which would mandate, in the absence of troublesome side effects and excessive cost, a change in the patient’s management.“ Quelle: R. Jaeschke, J. Singer, G.H. Guyatt, Measurement of Health Status: Ascertaining the Minimal Clinically Important Difference, Controlled Clinical Trials. 10 (1989) 407–415. doi:10.1016/0197-2456(89)90005-6., d.h. ein für den*die Patient*in spürbarer Schwellenwert, der für jeden einzelnen Parameter getrennt festgelegt werden muss.

Zusammenfassend deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Ergebnisse in einigen Bereichen des Health-Related Quality of Life-Fragebogens und der Symptomatik (Spastik, Darmfunktion, Müdigkeit, Schmerzen, Schlaf und Entspannung) klinisch bedeutsam sind.

Spastik ist ein weit verbreitetes Symptom, mit dem Menschen mit sekundär progredienter Multipler Sklerose umgehen müssen. Sie beeinflusst ihre täglichen Aktivitäten negativ und kann sich auch auf viele andere Bereiche auswirken, darunter Müdigkeit, Depression, Angst, Schmerzen, Blasenfunktion, Darmfunktion und Schlaf.

Spastizität bei Multipler Sklerose verursacht erhebliche Kosten, sowohl in Bezug auf die Lebensqualität als auch in wirtschaftlicher Hinsicht, wird aber in der Regel nicht ausreichend behandelt, da ihre pharmakologische Behandlung nicht sehr effizient ist.2Vgl. T. Berger, Multiple Sclerosis Spasticity Daily Management: Retrospective Data from Europe, Expert Review of Neurotherapeutics. 13 (2013) 3–7. doi:10.1586/ern.13.3.. Es gibt nicht-pharmakologische Optionen für die Behandlung, wobei Akupunktur und andere alternative Behandlungsmethoden eine möglicherweise positive Rolle spielen, allerdings gibt es keine ausreichenden Belege für ihre Wirksamkeit.3Vgl. C. Hughes, I.M. Howard, Spasticity Management in Multiple Sclerosis, Physical Medicine and Rehabilitation Clinics of North America. 24 (2013) 593– 604. doi:10.1016/j.pmr.2013.07.003. So gesehen könnte die Spastik trotz des Einsatzes pharmakologischer Mittel und physikalischer Therapie als unterbehandelt angesehen werden.

Zusätzlich beeinflusst (laut Literatur) die Behandlung Müdigkeit, Schlafprobleme, Störungen der Darmfunktion und möglicherweise auch psychische Probleme. Die Teilnehmerin selbst führte die Verbesserung des Schlafs auf die Linderung der Beinspastik zurück.

Die Verbesserung der Spastizität ging jedoch mit einem Paradoxon einher, dass die Verbesserung zu Bewegungsschwierigkeiten führte. Die Teilnehmerin hatte früher sehr spastische Beine, die ihr Gewicht bei der Bewegung vom Rollstuhl zum Bett oder zum Toilettensitz statisch unterstützen konnten, wobei die Verbesserung der Beinmuskulatur bei ihrer üblichen Physiotherapie Priorität zu haben scheint, damit sie aufstehen kann. Die Spastik in den Beinen ist aber mit einer beeinträchtigten Gehfähigkeit verbunden, und die Teilnehmerin ist hauptsächlich auf einen Rollstuhl angewiesen, weshalb eine mögliche künftige Behandlung ihrer Spastik die Nachhaltigkeit ihrer grundlegenden Gehfähigkeit berücksichtigen sollte.

Die Teilnehmerin äußerte sich in ihrem Interview zur Verbesserung des Schlafs, wobei sie diese vor allem auf die Verbesserung der Spastik und der Schmerzen im unteren Rückenbereich zurückführte. Schlafstörungen bei Patient*innen mit Multipler Sklerose bleiben meist undiagnostiziert, auch wenn sie etwa 60 % der Menschen mit sekundär progredienter Multipler Sklerose betreffen und ihre Spuren in der routinemäßigen MS-Neurobildgebung (und ganz generell in Müdigkeit) hinterlassen können.4Die Wirkung der Behandlungen auf den Schlaf unterstützt frühere Hinweise auf eine mögliche Wirkung von Shiatsu bei Schlafstörungen. Vgl. P. Qin, B.D. Dick, A. Leung, C.A. Brown, Effectiveness of Hand Self-Shiatsu to Improve Sleep Following Sport-Related Concussion in Young Athletes: A Proof-of-Concept Study, Journal of Integrative Medicine. 17 (2019) 24–29 und C.A. Brown, G. Bostick, L. Bellmore, D. Kumanayaka, Hand self-Shiatsu for sleep problems in persons with chronic pain: a pilot study., Journal of Integrative Medicine. 12 (2014) 94–101. doi:10.1016/S2095-4964(14)60010-8.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    “The smallest difference in score in the domain of interest which patients perceive as beneficial and which would mandate, in the absence of troublesome side effects and excessive cost, a change in the patient’s management.“ Quelle: R. Jaeschke, J. Singer, G.H. Guyatt, Measurement of Health Status: Ascertaining the Minimal Clinically Important Difference, Controlled Clinical Trials. 10 (1989) 407–415. doi:10.1016/0197-2456(89)90005-6.
  • 2
    Vgl. T. Berger, Multiple Sclerosis Spasticity Daily Management: Retrospective Data from Europe, Expert Review of Neurotherapeutics. 13 (2013) 3–7. doi:10.1586/ern.13.3.
  • 3
    Vgl. C. Hughes, I.M. Howard, Spasticity Management in Multiple Sclerosis, Physical Medicine and Rehabilitation Clinics of North America. 24 (2013) 593– 604. doi:10.1016/j.pmr.2013.07.003.
  • 4
    Die Wirkung der Behandlungen auf den Schlaf unterstützt frühere Hinweise auf eine mögliche Wirkung von Shiatsu bei Schlafstörungen. Vgl. P. Qin, B.D. Dick, A. Leung, C.A. Brown, Effectiveness of Hand Self-Shiatsu to Improve Sleep Following Sport-Related Concussion in Young Athletes: A Proof-of-Concept Study, Journal of Integrative Medicine. 17 (2019) 24–29 und C.A. Brown, G. Bostick, L. Bellmore, D. Kumanayaka, Hand self-Shiatsu for sleep problems in persons with chronic pain: a pilot study., Journal of Integrative Medicine. 12 (2014) 94–101. doi:10.1016/S2095-4964(14)60010-8.

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