Der Einfluss von Shiatsu auf die Lebensqualität bei Multipler Sklerose. Eine Studie von Stergios Tsiormpatzis

Mann in Rollstuhl

Shiatsu als Intervention im “N-of-1”-Studiendesign

In der vorliegenden Studie wird in einem “N-of-1”-Design überprüft, ob und inwieweit Shiatsu als personalisierte Intervention (Behandlung) zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität für Menschen mit komplexen Erkrankungen, wie beispielsweise sekundär progredienter Multipler Sklerose (SPMS), beitragen könnte, da Shiatsu den*die Empfänger*in als ein organisches Ganzes mit miteinander verbundenen körperlichen, emotionalen und psychosozialen Aspekten betrachtet und eine, wenn von qualifizierten Therapeut*innen ausgeübt, sichere und von anhaltenden Nebenwirkungen freie Behandlungsmethode ist.1Vgl. A.F. Long, The Effects and Experience of Shiatsu: A Cross-European Study. Final Report, School of Healthcare, University of Leeds, Leeds, UK, 2007. http://eprints.whiterose.ac.uk/42957/.

Das Besondere an einer “N-of-1”-Studie2Zum Konzept von „N-of-1“-Studien siehe /n-of-1-studie-n1-studie/. ist, dass ein* einzige*r Studienteilnehmer*in beobachtet wird, der*die als seine eigene Kontrolle fungiert. Zu diesem Zweck werden – zuvor erstellten Vorgaben folgend – über einen bestimmten Zeitraum hinweg mehrere Messungen des gewünschten Parameters durchgeführt. In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine „sechsperiodige, ausbalancierte, gemischte3Mit gemischten Methoden. „n-of-1“-Studie, bei der eine Kurzversion des Multiple Sclerosis Quality of Life Inventory (MSQLI), Daten aus einem halbstrukturierten Interview und Fallnotizen verwendet wurden, um die Wirkung der Behandlung zu bewerten. Die gesammelten Daten wurden anschließend quantitativ und qualitativ analysiert und als deskriptive Fallstudie zusammengefügt.

Durchführung der Studie

Die Studie wurde von einem Mediziner beaufsichtigt, zwei Doktoranden (einer davon ein Physiotherapeut mit Erfahrung in der Rehabilitation von MS-Betroffenen) und einem Doktorand mit Fachwissen über Shiatsu und Multiple Sklerose. Der Shiatsu-Praktizierende/Forscher, der die Behandlungen durchführte, ist zudem in spezifischer Pflege für MS-Patient*innen ausgebildet und hatte seit seiner Ausbildung sieben Jahre klinische Praxis, davon die letzten fünf Jahre mit Schwerpunkt auf Menschen mit Behinderung.

Einschlusskriterien für die Studie waren sekundär progrediente Multipler Sklerose (SPMS), Alter zwischen 35 und 65 Jahre, gutes Englisch, räumliche Nähe und Zustimmung zum Studienprotokoll. Ausschlusskriterien waren Fatique (chronisch und exzessiv), der Erhalt von Shiatsu, Akupunktur oder einer anderen Form von „Orientalischer Medizin“4Im englischsprachigen Raum spricht man häufig von orientalischer Medizin, wohingegen man im deutschen Sprachraum meist von fernöstlicher Medizin spricht, wenn man chinesische oder japanische Medizin meint. während der letzten sechs Monate und die Unfähigkeit den Fragebogen ohne Hilfe auszufüllen.

Nach der Identifizierung einer zu den Kriterien passenden Person gab es ein Treffen zwischen der Patientin und dem Shiatsu-Praktiker/Forscher, bei dem mögliche Bedenken besprochen wurden und der Studienverlauf über sechs Wochen vereinbart wurde: Drei Wochen mit Standardbehandlung (A)5Die Pflege, die die Patientin normalerweise erhält.  und drei Wochen, deren Standardbehandlung mit zwei Shiatsu-Sitzungen ergänzt wurde (B). Damit ergaben sich drei kombinierte 2-Wochen-Blocks, jeweils mit einer Standardbehandlung und einer erweiterten Behandlung: (A B), (B A) und (A B).

Shiatsu-Behandlungen

Die Behandlungen wurden bei der Teilnehmerin zuhause auf einem harten Bett durchgeführt, das – von der Teilnehmerin vorgeschlagen – genau die richtige Höhe hatte, dass sie sich mit Hilfe des Behandlers zwischen Rollstuhl und Bett hin- und  herbewegen konnte.

Die Sitzungen dauerten – je nach Einschätzung des Behandlers – zwischen 60 und 90 Minuten und konzentrierten sich auf die Hauptbeschwerde, die die Patientin angegeben hatte, die Spastizität, aber auch auf jene Themen, die vor jeder Sitzung angesprochen wurden6Die Teilnehmerin wurde zu Beginn jeder Behandlung nach ihren Gefühlen, möglichen unerwünschten Ereignissen oder Auswirkungen der vorangegangenen Behandlung befragt. Die Kommunikation war primär auf die Gesundheit ausgerichtet., wobei die Prinzipien der Behandlung durch das fernöstliche Verständnis der Verfassung der Teilnehmerin und Tastbefunde bestimmt waren.

Befragung

Die Health-Related Quality of Life Scale (HRQoL), eine Kurzform des Multiple Sclerosis Quality of Life Inventory (MSQLI)7Siehe: The Consortium of Multiple Sclerosis Centers Health Services Research Subcommittee, Multiple Sclerosis Quality of Life Inventory: A User’s Manual, National Multiple Sclerosis Society, New York, 1997. https://web.archive.org/web/20170828231242/http://www.nationalmssociety.or g/NationalMSSociety/media/MSNationalFiles/Brochures/MSQLI_-A-User-sManual.pdf & J.S. Fischer, N.G. LaRocca, D.M. Miller, P.G. Ritvo, H. Andrews, D. Paty, Recent Developments in the Assessment of Quality of Life in Multiple Sclerosis (MS), Multiple Sclerosis. 5 (1999) 251–259. doi:10.1177/135245859900500410., der von der Studienteilnehmerin ohne Hilfe ausgefüllt werden kann, wurde verwendet, um die Lebensqualität zu erfassen, und musste – in Übereinstimmung mit dem Studiendesign – zu Beginn der Behandlungsserie und dann alle zwei Wochen (nach jedem 2-Wochen-Block) beantwortet werden.

Ergänzend dazu wurde am Ende der Behandlungsserie noch ein semistrukturiertes Interview geführt, um die Behandlungserfahrungen der Patientin zu erfassen, den Einfluss der Behandlungsserie auf das Leben der Patientin und mögliche unerwünschte Auswirkungen.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Vgl. A.F. Long, The Effects and Experience of Shiatsu: A Cross-European Study. Final Report, School of Healthcare, University of Leeds, Leeds, UK, 2007. http://eprints.whiterose.ac.uk/42957/.
  • 2
    Zum Konzept von „N-of-1“-Studien siehe /n-of-1-studie-n1-studie/.
  • 3
    Mit gemischten Methoden.
  • 4
    Im englischsprachigen Raum spricht man häufig von orientalischer Medizin, wohingegen man im deutschen Sprachraum meist von fernöstlicher Medizin spricht, wenn man chinesische oder japanische Medizin meint.
  • 5
    Die Pflege, die die Patientin normalerweise erhält.
  • 6
    Die Teilnehmerin wurde zu Beginn jeder Behandlung nach ihren Gefühlen, möglichen unerwünschten Ereignissen oder Auswirkungen der vorangegangenen Behandlung befragt. Die Kommunikation war primär auf die Gesundheit ausgerichtet.
  • 7
    Siehe: The Consortium of Multiple Sclerosis Centers Health Services Research Subcommittee, Multiple Sclerosis Quality of Life Inventory: A User’s Manual, National Multiple Sclerosis Society, New York, 1997. https://web.archive.org/web/20170828231242/http://www.nationalmssociety.or g/NationalMSSociety/media/MSNationalFiles/Brochures/MSQLI_-A-User-sManual.pdf & J.S. Fischer, N.G. LaRocca, D.M. Miller, P.G. Ritvo, H. Andrews, D. Paty, Recent Developments in the Assessment of Quality of Life in Multiple Sclerosis (MS), Multiple Sclerosis. 5 (1999) 251–259. doi:10.1177/135245859900500410.

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