Schon 3 bis 4 Minuten intensive körperliche Aktivität senken das Krebsrisiko deutlich

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Zielsetzungen

Das Ziel der Studie war die Abschätzung der minimalen VILPA-Dosis, d.h. welches Maß an intensiver körperliche Aktivität – über den Tag verteilt (intermittierend) – bei Menschen, die keinen Sport betreiben oder häufige längere Spaziergänge machen – für eine 50prozentige Krebsrisikoreduktion1Bezogen auf die maximal mögliche Krebsrisikoreduktion durch körperliche Aktivität. erforderlich ist. „Konkurrierende Risiken“, wie Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), Bildungsgrad, Raucherstatus, Alkoholkonsum, Schlafdauer, Obst- und Gemüsekonsum, Medikamente, elterliche Krebsanamnese und häufige kardiovaskuläre Erkrankungen wurden berücksichtigt und einberechnet, ebenso die tägliche Dauer aller mäßigen (mittleren) und geringen (leichten) körperlichen Aktivitäten und die Dauer längerer intensiver körperlicher Aktivitäten.

Ergebnisse

Während der mittleren Nachbeobachtungszeit von 6,7 Jahren traten insgesamt 2.356 Krebsereignisse auf, von denen 1.084 auf, wie es die Forscher*innen bezeichnen, PA-bedingten Krebs2PA: physical activity. PA-bedingter Krebs bezeichnet Krebsformen mit einem nachweislichen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Krebsrisiko. Vgl. die Studien von E. Matthews et al (2019) oder M. Leizmann et al. (2015). zurückzuführen waren, d.h. auf Krebsformen, die einen Zusammenhang mit körperlicher Aktivität aufweisen.

Die meisten (92,3 %) VILPA3VILPA: vigorous intermittent lifestyle physical activity; intensive, intermittierende körperliche Aktivität im Lebensstil. wurden in Einheiten von bis zu 1 Minute gesammelt, während 97,3 % aller Einheiten bis zu 2 Minuten dauerten. Dabei zeigt sich ein nahezu linearer Zusammenhang zwischen der täglichen VILPA-Dauer und der Zahl der Krebserkrankungen (und damit dem Krebsrisiko), wobei die Kurve für PA-bedingte Krebserkrankungen4Krebserkrankungen, die mit körperlicher Aktivität assoziiert werden. steiler verläuft als die Kurve für alle Krebserkrankungen gesamt. Für alle Krebserkrankungen lag die minimale Zeit täglicher intensiver körperlicher Aktivität bei täglichen VILPA mit einer Dauer von bis zu einer Minute bei 3,4 Minuten pro Tag, bei PA-bedingten Krebserkrankungen bei 3,7 Minuten pro Tag5D.h. 3,4 bzw. 3,7 einminütige Einheiten intensiver körperlicher Aktivität pro Tag verringert das Krebsrisiko signifikant.. Die Ergebnisse für VILPA-Zeiten von bis zu 2 Minuten waren ähnlich.

Eine „Mindestdosis“ von 3,4 bis 3,6 Minuten VILPA pro Tag sind, so die Studienergebnisse, für Erwachsene, die keinen Sport betreiben, mit einer 17- bis 18%igen Verringerung des Gesamat-Krebsrisikos verbunden, eine VILPA-Dosis von 4,5 Minuten sogar mit einer 31- bis 32%igen Verringerung bei PA-assoziierten Krebserkrankungen.

Wurden, um den Einfluss dieser Faktoren zu evaluieren, Teilnehmer*innen aus der Analyse ausgeschlossen, weil sie untergewichtig waren, einen schlechten Gesundheitszustand aufwiesen oder eine Krebserkrankung schon in den ersten zwei Jahren hatten, zeigten sich keine nennenswerten Veränderungen der Zusammenhänge. Ebenso zeigte sich auch kein Einfluss des BMI6Der BMI wurde als kontinuierlicher Wert erfasst.. Eine leichte Abschwächung des Zusammenhangs zeigte sich hingegen bei Rauchen7Bei der Frage zum Rauchverhalten gab es die Antworten „niemals“, „früher“ (weniger als 11 Packungen pro Jahr; 11 bis 25 Packungen pro Jahr; mehr als 25 Packungen pro Jahr) und „gegenwärtig“ (weniger als 22 Packungen pro Jahr, 22 bis 38 Packungen pro Jahr; mehr als 38 Packungen pro Jahr)., Alkoholkonsum8Bei der Frage zum Alkoholkonsum gab es die Antworten „niemals“, „früher“ und „gegenwärtig“ (innerhalb der Richtlinie und weniger als 1 Drink („unit“) pro Woche; innerhalb der Richtlinie und 1 bis 4 Drinks („units“) pro Woche; innerhalb der Richtlinie und mehr als 4 Drinks („units“) pro Woche; über der Richtlinie und weniger als 15 Drinks („units“) pro Woche; über der Richtlinie und 15 oder mehr Drinks („units“) pro Woche). und Diabetes9Diabetes (ICD-10 E11) wurde durch Aufzeichnungen von Hausärzten und Krankenhausaufenthalte erfasst..

Diskusssion

Sogenannte „Proof-of-Concept-Studien“10Vgl. Allison  MK, Baglole  JH, Martin  BJ, Macinnis  MJ, Gurd BJ, Gibala  MJ.  Brief intense stair climbing improves cardiorespiratory fitness.   Med Sci Sports Exerc. 2017;49(2):298-307. doi:10.1249/MSS.0000000000001188. https://journals.lww.com/acsm-msse/fulltext/2017/02000/brief_intense_stair_climbing_improves.10.aspx. haben gezeigt, dass schon geringe Dosen von intermittierendem VPA zu einer raschen Verbesserung der kardiorespiratorischen Fitness führen.11Die kardiorespiratorische Fitness beschreibt die Fähigkeit des Herz-Kreislauf- und des Atmungssystems dem Körper ausreichend Sauerstoff zur Verfügung zu stellen, damit dieser bei sportlicher Betätigung die benötigte Energie erzeugen kann. Die erhöhte kardiorespiratorische Fitness wiederum könnte, so die Studienautor*innen, eine mögliche Erklärung für die in der vorliegenden Arbeit beobachteten Zusammenhänge von körperlicher Aktivität mit der Krebsmortalität sein, wobei mehr VPA speziell mit einem geringeren Risiko für Brust-, Endometrium- und Dickdarmkrebs in Verbindung gebracht wird.12Vgl. Matthews  CE, Moore  SC, Arem  H,  et al.  Amount and intensity of leisure-time physical activity and lower cancer risk.   J Clin Oncol. 2020;38(7):686-697. https://ascopubs.org/doi/10.1200/JCO.19.02407.

Die wichtigsten biologischen Zusammenhänge zwischen PA und Krebsinzidenz sind den bisherigen Studien zufolge Entzündung, Insulinresistenz, Körperzusammensetzung und endogene Sexualhormone.13Vgl. Friedenreich  CM, Ryder-Burbidge  C, McNeil  J.  Physical activity, obesity and sedentary behavior in cancer etiology: epidemiologic evidence and biologic mechanisms.   Mol Oncol. 2021;15(3):790-800. http://dx.doi.org/10.1002/1878-0261.12772. Obwohl, so die Studienautor*innnen, es sich bei der vorliegenden und bei früheren Studien um Beobachtungsstudien handelt und ein kausaler Zusammenhang damit nicht bestätigt werden kann, liefert eine kürzlich durchgeführte Mendelsche Randomisierungsanalyse14Die Mendelsche Randomisierung bezeichnet eine Methode der Epidemiologie und Biostatistik für nicht-experimentelle Studien zur Bestimmung des Einflusses veränderlicher Risikofaktoren auf Krankheiten unter Verwendung der Variation von Genen bekannter Funktion. Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen VPA und Brustkrebs.15Siehe: Dixon-Suen  SC, Lewis  SJ, Martin  RM,  et al; Breast Cancer Association Consortium.  Physical activity, sedentary time and breast cancer risk: a Mendelian randomisation study.   Br J Sports Med. 2022;56(20):1157-1170. http://dx.doi.org/10.1136/bjsports-2021-105132.

Einschränkungen

Eine Einschränkung der Studie besteht den Autor*innen zufolge darin, dass die Antworten auf die Fragen zur sportlichen Betätigung in der Freizeit, die die Einschlusskriterien für die Stichprobe bildeten, im Durchschnitt 5,5 Jahre vor der Aufzeichnung des Basiswerts der Beschleunigungsmessung gegeben wurden. Allerdings wiesen die Fragen bei den 6.095 Teilnehmern, die wiederholt untersucht wurden, eine hohe zeitliche Stabilität auf (88 %).

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Bezogen auf die maximal mögliche Krebsrisikoreduktion durch körperliche Aktivität.
  • 2
    PA: physical activity. PA-bedingter Krebs bezeichnet Krebsformen mit einem nachweislichen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Krebsrisiko. Vgl. die Studien von E. Matthews et al (2019) oder M. Leizmann et al. (2015).
  • 3
    VILPA: vigorous intermittent lifestyle physical activity; intensive, intermittierende körperliche Aktivität im Lebensstil.
  • 4
    Krebserkrankungen, die mit körperlicher Aktivität assoziiert werden.
  • 5
    D.h. 3,4 bzw. 3,7 einminütige Einheiten intensiver körperlicher Aktivität pro Tag verringert das Krebsrisiko signifikant.
  • 6
    Der BMI wurde als kontinuierlicher Wert erfasst.
  • 7
    Bei der Frage zum Rauchverhalten gab es die Antworten „niemals“, „früher“ (weniger als 11 Packungen pro Jahr; 11 bis 25 Packungen pro Jahr; mehr als 25 Packungen pro Jahr) und „gegenwärtig“ (weniger als 22 Packungen pro Jahr, 22 bis 38 Packungen pro Jahr; mehr als 38 Packungen pro Jahr).
  • 8
    Bei der Frage zum Alkoholkonsum gab es die Antworten „niemals“, „früher“ und „gegenwärtig“ (innerhalb der Richtlinie und weniger als 1 Drink („unit“) pro Woche; innerhalb der Richtlinie und 1 bis 4 Drinks („units“) pro Woche; innerhalb der Richtlinie und mehr als 4 Drinks („units“) pro Woche; über der Richtlinie und weniger als 15 Drinks („units“) pro Woche; über der Richtlinie und 15 oder mehr Drinks („units“) pro Woche).
  • 9
    Diabetes (ICD-10 E11) wurde durch Aufzeichnungen von Hausärzten und Krankenhausaufenthalte erfasst.
  • 10
    Vgl. Allison  MK, Baglole  JH, Martin  BJ, Macinnis  MJ, Gurd BJ, Gibala  MJ.  Brief intense stair climbing improves cardiorespiratory fitness.   Med Sci Sports Exerc. 2017;49(2):298-307. doi:10.1249/MSS.0000000000001188. https://journals.lww.com/acsm-msse/fulltext/2017/02000/brief_intense_stair_climbing_improves.10.aspx.
  • 11
    Die kardiorespiratorische Fitness beschreibt die Fähigkeit des Herz-Kreislauf- und des Atmungssystems dem Körper ausreichend Sauerstoff zur Verfügung zu stellen, damit dieser bei sportlicher Betätigung die benötigte Energie erzeugen kann.
  • 12
    Vgl. Matthews  CE, Moore  SC, Arem  H,  et al.  Amount and intensity of leisure-time physical activity and lower cancer risk.   J Clin Oncol. 2020;38(7):686-697. https://ascopubs.org/doi/10.1200/JCO.19.02407.
  • 13
    Vgl. Friedenreich  CM, Ryder-Burbidge  C, McNeil  J.  Physical activity, obesity and sedentary behavior in cancer etiology: epidemiologic evidence and biologic mechanisms.   Mol Oncol. 2021;15(3):790-800. http://dx.doi.org/10.1002/1878-0261.12772.
  • 14
    Die Mendelsche Randomisierung bezeichnet eine Methode der Epidemiologie und Biostatistik für nicht-experimentelle Studien zur Bestimmung des Einflusses veränderlicher Risikofaktoren auf Krankheiten unter Verwendung der Variation von Genen bekannter Funktion.
  • 15
    Siehe: Dixon-Suen  SC, Lewis  SJ, Martin  RM,  et al; Breast Cancer Association Consortium.  Physical activity, sedentary time and breast cancer risk: a Mendelian randomisation study.   Br J Sports Med. 2022;56(20):1157-1170. http://dx.doi.org/10.1136/bjsports-2021-105132.

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