Was Berührung bewirkt. Eine Metaanalyse

Berührung

Dass Berührung auf vielen Ebenen bedeutsam ist, haben wir alle in unserem Leben erfahren, aber auch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien belegt mittlerweile, dass Berührungen das psychisch/mentale und körperliche Wohlbefinden fördern. Der Frage, welche Faktoren die Wirksamkeit von Berührungsinterventionen ausmachen bzw. maßgeblich beeinflussen, sind aktuell der Neurowissenschaftler und Psychologe Julian Packheiser (Ruhr-Universität Bochum) und Mitarbeiter*innen in einer Metastudie nachgegangen.1Julian Packheiser, Helena Hartmann, Kelly Fredriksen, Valeria Gazzola, Christian Keysers & Frédéric Michon: A systematic review and multivariate meta-analysis of the physical and mental health benefits of touch interventions. Nat Hum Behav (2024), https://doi.org/10.1038/s41562-024-01841-8

Hintergrund und Zielsetzung

Der Tastsinn, so schreiben die Autor*innen in ihrer Einleitung, ist der erste Sinn, der sich bei Neugeborenen entwickelt. Er vermittelt uns von allen Sinnen den direktesten Kontakt mit unserer physischen Umwelt und hat eine immense und lebenslange Bedeutung für viele Aspekte unseres Lebens. So belegen diverse Studien Vorteile für die geistige und körperliche Gesundheit, die von der Förderung von Wachstum und Entwicklung bis hin zur Pufferung von Angst und Stress reichen.2Wie wichtig Berührung für uns ist, haben wir auch durch die Coronavirus-Pandemie und die mit ihr verbundene soziale Distanzierung erfahren. Die Studien zu den Effekten von körperlicher Berührung sind aber sehr unterschiedlich sowohl in Hinblick auf die „Versuchspersonen“ (Erwachsene, Kinder, Neugeborene und Tiere), auf die gemessenen Parameter (von körperlichen Ergebnissen wie Schlaf und Blutdruck bis hin zu psychischen Ergebnissen wie Stimmung oder Depression) und in Hinblick auf die Person, die die Berührung ausübt (z.B. Partner*innen, Eltern, Fremde).

Studiendesign

Die vorliegende Metastudie verfolgte zwei vorrangige Ziele:

  • die Wirkung von Berührung auf die physische und psychische/mentale Gesundheit in einer umfassenden Metastudie zu belegen; und
  • jene Einflussfaktoren („Moderatoren“) zu identifizieren, die die Wirksamkeit von Berührung beeinflussen.3Bislang, so die Autor*innen, wurden noch keine Variablen identifiziert, die die Wirksamkeit von Berührung beeinflussen. Dabei ging es vor allem um den Einfluss der „Person“, die die Berührung durchführt (z.B. Menschen oder Roboter/Objekte, Vertrautheit mit der „Person“), der Art der Berührung (z.B. auch, welcher Körperteil berührt wird), der Art der Anwendung (z.B. Dauer, Anzahl der Behandlungen) und der demographischen Daten (z.B. klinischer Status, Alter, Geschlecht).4Die Ergebnisse für Neugeborene sowie Kinder und Erwachsene wurden getrennt erhoben, da sich die gesundheitlichen Ereignisse zwischen Neugeborenen und denen der anderen Altersgruppen erheblich unterscheiden. Zudem wurden in der Diskussion auch Studien mit Tieren einbezogen, da viele Tierarten von Berührungen für ihr Wohlbefinden profitieren und Tiermodelle für die Erforschung der zugrundeliegenden biologischen Mechanismen von großer Bedeutung sind.

Insgesamt haben die Studienautor*innen 212 Studien (137 Studien in der Meta-Analyse und 75 zusätzliche Studien in der systematischen Übersichtsarbeit) zum Thema Berührung, an denen insgesamt 12.966 Personen teilnahmen, in ihre Analyse aufgenommen.5Die Suche erfolgte über Google Scholar, PubMed und Web of Science bis zum 1. Oktober 2022. Studien wurden in französischer, holländischer, deutscher und englischer Sprache gesucht, allerdings fanden sich nur englischsprachige Veröffentlichungen. In den eingeschlossenen Studien wurde immer eine Intervention mit Berührung gegenüber einer Kontrollintervention ohne Berührung durchgeführt, wobei verschiedene gesundheitliche Ergebnisse als abhängige Variablen verwendet wurden. Das Risiko einer Verzerrung wurde anhand von Studiengrößen, Randomisierung, Sequenzierung, Leistung und Abbruch bewertet.

Studienergebnisse

Als generelles Ergebnis über alle einbezogenen Studien zeigt sich, dass sich körperliche Berührungen – bei einer mittleren Effektstärke – positiv auf die körperliche und psychisch/mentale Gesundheit auswirken. Dabei zeigten sich in den Studien hinsichtlich Neugeborenen652 Studien und 63 Koorten mit insgesamt 4.220 Neugeborenen, davon 2.134 in der Berührungsgruppe. (Hedges g = 0,567Hedges g ist als Maß der Effektstärke weitgehend vergleichbar mit Cohens d.) und Erwachsenen885 Studien und 103 Kohorten mit insgesamt 5.397 erwachsenen Teilnehmer*innen, davon 2.841 in der Berührungsgruppe. (Hedges g = 0,52) vergleichbare Effekte. Zudem erweist sich ein ähnlicher Nutzen von Berührung auf körperlicher als auch auf psychisch/mentaler Ebene.9Bei Erwachsenen: p = 0,432, Hedges’sche g-Differenz von -0,05.

Die detaillierte Bewertung spezifischer Gesundheitsoutcomes10Outcome-Studien untersuchen, ob bzw. in welchem Maß eine bestimmte Behandlungsintervention ein angestrebtes bzw. angemessenes Ergebenis erzielt. bei Erwachsenen zeigt den größten Nutzen für Angst, Depression, Müdigkeit und Schmerzen. Mäßige Auswirkungen erbringen Berührungsinterventionen für (positive und negative) Affekte, für den diastolischen und systolischen Blutdruck, für die Mobilität und für die Verringerung des Stresshormons Cortisol. Zudem zeigte sich ein geringerer Nutzen für Schlaf- und Herzfrequenzparameter.

Ergänzende Post-hoc-Tests11Post Hoc Tests gehören zur Gruppe der Signifikanztests. Sie zeigen nicht nur auf, dass es signifikante Unterschiede in den Daten gibt, sondern ermöglichen auch Aussagen darüber, zwischen welchen Gruppen ein Unterschied signifikant ist. zeigen stärkere Auswirkungen auf Schmerzen, Angst, Depression und Angst im Vergleich zu Atem-, Schlaf- und Herzfrequenzparametern.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Julian Packheiser, Helena Hartmann, Kelly Fredriksen, Valeria Gazzola, Christian Keysers & Frédéric Michon: A systematic review and multivariate meta-analysis of the physical and mental health benefits of touch interventions. Nat Hum Behav (2024), https://doi.org/10.1038/s41562-024-01841-8
  • 2
    Wie wichtig Berührung für uns ist, haben wir auch durch die Coronavirus-Pandemie und die mit ihr verbundene soziale Distanzierung erfahren.
  • 3
    Bislang, so die Autor*innen, wurden noch keine Variablen identifiziert, die die Wirksamkeit von Berührung beeinflussen.
  • 4
    Die Ergebnisse für Neugeborene sowie Kinder und Erwachsene wurden getrennt erhoben, da sich die gesundheitlichen Ereignisse zwischen Neugeborenen und denen der anderen Altersgruppen erheblich unterscheiden. Zudem wurden in der Diskussion auch Studien mit Tieren einbezogen, da viele Tierarten von Berührungen für ihr Wohlbefinden profitieren und Tiermodelle für die Erforschung der zugrundeliegenden biologischen Mechanismen von großer Bedeutung sind.
  • 5
    Die Suche erfolgte über Google Scholar, PubMed und Web of Science bis zum 1. Oktober 2022. Studien wurden in französischer, holländischer, deutscher und englischer Sprache gesucht, allerdings fanden sich nur englischsprachige Veröffentlichungen. In den eingeschlossenen Studien wurde immer eine Intervention mit Berührung gegenüber einer Kontrollintervention ohne Berührung durchgeführt, wobei verschiedene gesundheitliche Ergebnisse als abhängige Variablen verwendet wurden. Das Risiko einer Verzerrung wurde anhand von Studiengrößen, Randomisierung, Sequenzierung, Leistung und Abbruch bewertet.
  • 6
    52 Studien und 63 Koorten mit insgesamt 4.220 Neugeborenen, davon 2.134 in der Berührungsgruppe.
  • 7
    Hedges g ist als Maß der Effektstärke weitgehend vergleichbar mit Cohens d.
  • 8
    85 Studien und 103 Kohorten mit insgesamt 5.397 erwachsenen Teilnehmer*innen, davon 2.841 in der Berührungsgruppe.
  • 9
    Bei Erwachsenen: p = 0,432, Hedges’sche g-Differenz von -0,05.
  • 10
    Outcome-Studien untersuchen, ob bzw. in welchem Maß eine bestimmte Behandlungsintervention ein angestrebtes bzw. angemessenes Ergebenis erzielt.
  • 11
    Post Hoc Tests gehören zur Gruppe der Signifikanztests. Sie zeigen nicht nur auf, dass es signifikante Unterschiede in den Daten gibt, sondern ermöglichen auch Aussagen darüber, zwischen welchen Gruppen ein Unterschied signifikant ist.

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