Warum ausreichend Calcium notwendig ist – und Milchprodukte (dazu) nicht unbedingt erforderlich sind

Milch

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Calcium, so fasst Laura-Marie Brandenstein im UGBforum 4/2024 zusammen, ist mit 1,5 Kilogramm nicht nur jener Mineralstoff, der mengenmäßig in unserem Körper überwiegt, sondern er hat zudem wichtige Aufgaben. Über 99 Prozent des Calciums sind in Knochen und Zähnen gespeichert, wo das Mineral in Verbindungen mit Phosphor als Hydroxylapatit vorliegt und mit dessen hohen Härtegrad für deren Festigkeit und Struktur sorgt. Zugleich fungieren die Knochen als Calciumreservoir, das dem Körper den Mineralstoff bei Bedarf zur Verfügung stellen kann.

Von unverzichtbarer Bedeutung ist Calcium auch für die Kontraktion und Entspannung der Muskeln, denn indem Calcium die Freisetzung von Acetylcholin an den Nervenenden fördert, leitet es die Muskelbewegung ein. Zudem ist Calcium an der Aktivierung von Blutgerinnungsfaktoren beteiligt und somit essenziell für die Blutstillung und Wundheilung nach Verletzungen. Darüber hinaus stabilisiert Calcium die Zellmembranen und reguliert die Blutgewinnung sowie die Reizübertragung im Nervensystem.

Regulation des Calciumspiegels

Zwischen 20 und 60 Prozent des in der Nahrung enthaltenen Calciums werden über den Darm aufgenommen. Die Resorptionsrate ist von verschiedenen Faktoren abhängig wie Alter, Calciumbedarf oder Zusammensetzung der Nahrung.1Säuglinge nehmen aus der Muttermilch bis zu 75 Prozent des Mineralstoffs auf. Männer resorbieren mehr als Frauen. Ein Teil des Calciums gelangt vom Darm passiv über Diffusion ins Blut. Bei geringem Calciumgehalt der Nahrung oder erhöhtem Bedarf steigert der Körper den Transport über den Calciumkanal der Schleimhautzellen, wobei dieser aktive Transport abhängig von Vitamin D ist und Energie benötigt. Zudem hängt die Aufnahme auch von der Löslichkeit der aufgenommenen Calciumverbindungen sowie von hemmenden und fördernden Bestandteilen der Nahrung ab:

  • Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D und die Zufuhr von organischen Säuren wie Milch- und Zitronensäure sowie Milchzucker begünstigen die Resorption, da sie die Löslichkeit von Calcium im Darm erhöhen.
  • Im Unterschied dazu bilden Oxal- oder Phytinsäure mit Calcium schwer resorbierbare Komplexverbindungen (Oxalate und Phytate). Oxalsäure ist zum Beispiel in Spinat, Mangold, Sesam- und Chiasamen, Rhabarber, Cashewkernen, Hasel- und Erdnüssen oder Kakao enthalten, Phytinsäure wiederum in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Nüssen.
  • Einweichen, Quellen und Keimen sowie die Sauerteiggärung können den Gehalt an den schlecht verfügbaren Calciumkomplexen verringern, so dass die Bioverfügbarkeit deutlich steigt. Das Koch- und Einweichwasser sollte nicht mitverwendet werden.
  • Ein hoher Konsum von Phosphor, Salz (Natrium), Koffein und Alkohol kann zudem die Calciumausscheidung über die Niere steigern.

Sinkt der Calciumspiegel unter ein bestimmtes Maß, dann wird durch diesen Abfall die Nebenschilddrüse zur Ausschüttung des Parathormons angeregt, der die Freisetzung von Calcium aus den Knochen bewirkt und zugleich die Resorption über Darm und Nieren steigert. Bei steigenden Konzentrationen wiederum agiert Calcitonin aus der Schilddrüse als Gegenspieler des Parathormons und hemmt die Mobilisierung von Calcium aus den Knochen, steigert die Ausscheidung über die Niere und senkt die Calciumresorption im Darm.

Wie viel Calcium benötigt unser Körper?

Wie gut wir mit aktuell mit Calcium versorgt sind, zeigt sich verlässlich durch eine Blutuntersuchung. Als Indikator für die langfristige Calciumversorgung kann die Messung der Knochen(mineral)dichte herangezogen werden.

Gesunden Erwachsenen empfehlen Fachgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz täglich 1000 Milligramm (mg) Calcium aufzunehmen. Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren haben einen erhöhten Bedarf von 1200 mg. Als Höchstmenge (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) für gesunde Erwachsene gilt eine Zufuhr von 2500 mg Calcium pro Tag.

Nach Daten der deutschen Nationalen Verzehrsstudie (NVS II, 2008) nehmen Menschen ab 14 Jahren in Deutschland zwar im Mittel (Median) 1000 mg Calcium am Tag auf (Männer mit 1052 mg etwas mehr als Frauen mit 964 mg), allerdings erreichen dennoch etwa 46 Prozent der Männer und 55 Prozent der Frauen nicht die empfohlene Zufuhrmenge. Daher gilt Calcium in der Allgemeinbevölkerung als kritischer Nährstoff. Besonders weibliche Teenager und ältere Menschen werden als gefährdet angesehen.

Vor allem durch den Verzicht auf Milchprodukte liegt die durchschnittliche Calciumaufnahme von Veganer*innen deutlich niedriger. Einzelne Studien, so UGB-Forum, ermittelten in dieser Gruppe eine durchschnittliche Calciumzufuhr von 550 mg, andere bis zu 915 mg.2Es kann in Studien zu verzerrten Ergebnissen kommen, wenn angereicherte Produkte nicht eingerechnet werden., was mit einer geringeren Knochendichte und einem erhöhten Frakturrisiko verbunden wäre.

Dysbalancen des Calciumspiegels

Calciummangel kann sich durch Muskelschwäche, Krämpfe, Taubheitsgefühle oder auch eine erhöhte Anfälligkeit für Knochenbrüche bemerkbar machen. Im Kindes- und Jugendalter zeigt sich eine unzureichende Calciumversorgung an einer mangelhaften Knochenmineralisierung, die zum Beispiel mit Minderwuchs oder Störungen in der Zahnentwicklung einhergehen kann oder auch weichen und verformten Knochen (Rachitis).3Oft ist ein kombinierter Mangel an Calcium und Vitamin D die Ursache. Seit Einführung der Vitamin-D-Prophylaxe für Säuglinge kommen Rachitisfälle in Europa aber praktisch nicht mehr vor.

Bei Nierenerkrankungen, Funktionsstörungen der Nebenschilddrüse oder Schilddrüse kann es zu einer Fehlregulation kommen. Ein zu niedriger Calciumspiegel im Blut (Hypokalzämie), z.B. durch Nierenerkrankungen, Funktionsstörungen der Nebenschilddrüse oder Schilddrüse, kann sich durch Muskelkrämpfe, Verwirrtheit und Vergesslichkeit oder Kribbeln in Lippen, Fingern und Füßen bemerkbar machen und zu Herzrhythmusstörungen führen. Ein zu hoher Calciumspiegel (Hyperkalzämie) kann durch eine Überproduktion des Parathormons ausgelöst sein (Hyperparathyreoidismus) oder auch durch eine übermäßige Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, durch Tumore oder bestimmte andere Erkrankungen. Oft zeigen sich nur wenige oder uneindeutige Symptome wie Müdigkeit, Übelkeit oder Verstopfung. Langfristig hingegen können durch einen Überschuss an Calcium Nierensteine entstehen und Herzrhythmusstörungen auftreten.4Eine dauerhafte Supplementierung sollte deshalb nur bei Bedarf und am besten unter ärztlicher Aufsicht erfolgen..

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Säuglinge nehmen aus der Muttermilch bis zu 75 Prozent des Mineralstoffs auf. Männer resorbieren mehr als Frauen.
  • 2
    Es kann in Studien zu verzerrten Ergebnissen kommen, wenn angereicherte Produkte nicht eingerechnet werden.
  • 3
    Oft ist ein kombinierter Mangel an Calcium und Vitamin D die Ursache. Seit Einführung der Vitamin-D-Prophylaxe für Säuglinge kommen Rachitisfälle in Europa aber praktisch nicht mehr vor.
  • 4
    Eine dauerhafte Supplementierung sollte deshalb nur bei Bedarf und am besten unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

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