Vom Umgang mit narzisstischen Menschen in Gesprächen

Herrscher

Was einem Narzissten in die Hände spielt

Wenn der Narzisst seine erhöhte Offensivität (im Rahmen seiner frisch eingenommenen Dominanz) ausspielt, kann das bei seinem Gegenüber zu einer Übertragungsreaktion führen.

Ihrem Wesen nach handelt es sich bei der Übertragung um die vor allem unbewusste Tendenz zur Wiederherstellung bzw. zum Wiedererleben früherer Beziehungsmuster. Erlebnis- und Verhaltensmuster aus früheren Erfahrungen werden wiederbelebt, wobei sich die auftretenden Gefühle, Wünsche und Phantasien „in Wirklichkeit“ nicht auf die aktuelle Situation und die reale Bezugsperson beziehen, sondern früheren Bezugspersonen (bedeutungsvollen Menschen in unserem Leben) gelten. Übertragungen sind gleichsam ein Wieder-Durchleben der Vergangenheit, ein Missverstehen der Gegenwart gemäß der Vergangenheit, und so unpassend die Übertragungsreaktionen für eine Person der Gegenwart sind, so genau passen sie hingegen auf jemand in der Vergangenheit.

Ziemlich häufig passiert es im Kontakt mit einem Narzissten, dass sich sein Gegenüber durch seine Dominanz an sehr frühe Situationen während unserer Kindheit erinnert fühlt.1In grundsätzlich jeder Situation aktiviert unser Hirn unser Gedächtnis und fragt (sich) – um uns vor gefährlichen Überraschungen zu schützen -, woran es sich durch die aktuelle Situation erinnert fühlt. Vielfach handelt es sich dabei um Maßregelungen durch Elternteile oder auch Lehrer*innen. Ist das der Fall, kommt es zu einer plötzlichen Regression2Eine Regression ist in der psychoanalytischen Theorie ein psychischer Abwehrmechanismus, wobei ein zeitweiliger Rückzug auf eine frühere Stufe der Persönlichkeitsentwicklung erfolgt. und der*die Betreffende fällt in seinem*ihrem Erleben und in seinen*ihren Emotionen auf eine frühe Stufe zurück und kann sich nicht mehr wie ein autonomer, erwachsener Mensch verhalten. Eine erhöhte psychovegetative Anspannung und ein „Tunnelblick“ sind typische Reaktionen, ebenso die Hemmung des Aggressionspotentials.

Regression bedeutet maximalen Orientierungsverlust, da auch die gesamte Situationswahrnehmung auf dem Niveau eines (kleinen) Kindes gesteuert wird und die Gefühle von Klarheit, Sicherheit und Stimmigkeit komplett verloren gehen. Ein Verhalten, das man als souveräner Erwachsener gewohnt ist, ist nicht mehr möglich.3Und bald nach einer solchen Situation des regressiven Orientierungsverlusts versteht man nicht selten gar nicht, was da gerade passiert ist.

Das Ziel eines Narzissten ist es, Unsicherheit bei seinem Gegenüber zu erzeugen und dieses auf Basis erhöhter Aggression endgültig in die Defensive zu drängen. Und die im Gegenüber erzeugte Verunsicherung (ggf. auch Regression) lässt dieses dazu neigen, nicht zu widersprechen, weil es (so ist der Eindruck) im Fall eines Widerspruchs potenziell (viel) Ärger geben könnte.

Was kann man gegen solche Angriffe von Narzissten in Gesprächssituationen machen?

Der wesentlichste Punkt, wie Schlautmann betont, ist, als das Gegenüber nicht in das Spiel des Narzissten einzusteigen.

Unser Organismus funktioniert in jedem Moment vorausschauend, um uns vor gefährlichen Situationen zu schützen. Aus diesem Grund sucht er im Gedächtnis nach Mustern, die der aktuellen Situation ähneln, um die die Frage zu klären, ob die aktuelle Situation gefährlich sein könnte. Wenn ein Narzisst uns also verunsichert, stellt unser Unsicherheitsgefühl den Beweis dar, dass unser Gedächtnis fündig geworden ist. Damit sitzen wir gewissermaßen in der Falle, denn unser Gehirn „wittert“ Gefahr und aktiviert den Alarmmodus – und damit hat ein Narzisst gewissermaßen einen „Fuß in der Tür“ (uns zu dominieren).

Aus diesem Grund ist es wichtig, diesen Automatismus zu unterbinden4Wird unser Gedächtnis nämlich in der frühen Lebensgeschichte fündig, schaltet unser Gehirn in den Erlebnismodus des Kindes., indem wir unserem Gehirn klar machen, dass wir längst erwachsen sind, dass uns aktuell keine Gefahr droht und dass wir die Situation im Griff haben – denn damit ist jeglicher Hinweis auf frühere Lebenserfahrungen unseres Gedächtnisses unnötig und unwichtig.

Um sich in einer Gesprächssituation mit einem Narzissten nicht verunsichern zu lassen, ist es wichtig, sich ein (passendes) Mantra zurecht zu legen, dass man vor der Situation und auch während dieser wiederholt in Gedanken (still, allein für sich) denkt/vorsagt, wie z.B.

  • Ich bin erwachsen und mit meinem Gegenüber auf Augenhöhe. Ich verhalte mich souverän, denn die Situation ist sicher und ich werde zudem darauf achten, dass ich respektvoll behandelt werde.5Beispiel von Volker Schlautmann im erwähnten Artikel.

Ein solches Mantra unterbindet den Versuch unseres Gehirns, Gefahr zu signalisieren. Zugleich steigert man damit die Wahrscheinlichkeit, die notwendige Distanz zu einem Narzissten beizubehalten und entspannt zu bleiben. Damit gibt es dann gar keinen Grund mehr für den Organismus, die psychovegetative Anspannung zu erhöhen (weil dem Gehirn ja zurückgemeldet wurde, dass unnötig ist, in den Alarmmodus zu schalten).6Dazu kommt, dass, wendet man ein solches Mantra mehrmals an, sich die entsprechend passende Haltung irgendwann auch ohne Mantra einstellt und man gewissermaßen „automatisch“ günstiger reagiert.
Ein weiterer Vorteil eines solchen Mantras ist zudem, dass man damit mit seiner Aufmerksamkeit die eigene Person nicht aus der Wahrnehmung verliert, was im Gegensatz dazu bei starker Unsicherheit und Regression grundsätzlich immer passiert.

Von Schlautmann nicht explizit erwähnt wird der Einfluss von Embodyment-Techniken7Dem Embodyment-Ansatz zufolge können unsere körperliche Verfassung, Körperhaltung, Gestik und Mimik, unser Wohlbefinden und unsere Stimmung maßgeblich beeinflussen., die ähnlich wie Mantras – und ergänzend! – z.B. über Körperhaltungen eine Veränderung in der Stimmungslage (und im Verhalten) initiieren.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    In grundsätzlich jeder Situation aktiviert unser Hirn unser Gedächtnis und fragt (sich) – um uns vor gefährlichen Überraschungen zu schützen -, woran es sich durch die aktuelle Situation erinnert fühlt.
  • 2
    Eine Regression ist in der psychoanalytischen Theorie ein psychischer Abwehrmechanismus, wobei ein zeitweiliger Rückzug auf eine frühere Stufe der Persönlichkeitsentwicklung erfolgt.
  • 3
    Und bald nach einer solchen Situation des regressiven Orientierungsverlusts versteht man nicht selten gar nicht, was da gerade passiert ist.
  • 4
    Wird unser Gedächtnis nämlich in der frühen Lebensgeschichte fündig, schaltet unser Gehirn in den Erlebnismodus des Kindes.
  • 5
    Beispiel von Volker Schlautmann im erwähnten Artikel.
  • 6
    Dazu kommt, dass, wendet man ein solches Mantra mehrmals an, sich die entsprechend passende Haltung irgendwann auch ohne Mantra einstellt und man gewissermaßen „automatisch“ günstiger reagiert.
  • 7
    Dem Embodyment-Ansatz zufolge können unsere körperliche Verfassung, Körperhaltung, Gestik und Mimik, unser Wohlbefinden und unsere Stimmung maßgeblich beeinflussen.

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