Ultrahochverarbeitete Lebensmittel wirken sich negativ auf Gesundheit und Lebenserwartung aus – eine Metaanalyse
Gesellschaftliche Implikationen
Um eine Reduzierung oder Vermeidung von ultra-verarbeiteten Produkten zu fördern, wurden in lateinamerikanischen Ländern bereits entsprechende Maßnahmen gesetzt, beispielsweise achteckige Warnhinweise auf der Vorderseite von Verpackungen, Steuern auf zuckergesüßte Getränke und ultraverarbeitete Lebensmittel sowie Vermarktungsbeschränkungen und Verbote in Schulen. Die Autor*innen verweisen zudem darauf, dass die WHO und die International Agency for Research on Cancer Strategien für die öffentliche Gesundheit befürworten, die die Aufnahme von Bestandteilen begrenzen, die üblicherweise in ultra-verarbeiteten Lebensmitteln enthalten sind, einschließlich eines hohen Anteils an zugesetztem Zucker und zuckerfreien Süßungsmitteln.1Vgl. z.B. World Health Organization Guidelines Review Committee Nutrition and Food Safety. Use of non-sugar sweeteners. 2023. https://www.who.int/publications/i/item/9789240073616. Und wichtig scheint ihnen, dass Interessenvertreter*innen auf Faktoren sensibel reagieren, die den Zugang zu frischen Produkten und die Auswahl an Lebensmitteln beeinflussen, einschließlich des relativ größeren Zeitaufwands, der Mühe und (in manchen Kontexten) der Kosten für die Zubereitung von nicht-ultra-verarbeiteten Lebensmitteln.
Diskussion und Grenzen der Studie
Es handelt sich bei der vorliegenden Studie um die erste umfassende Synthese aktueller Erkenntnisse aus Meta-Analysen epidemiologischer Studien, die den Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln und verschiedenen gesundheitsschädlichen Folgen untersuchen.
- Obwohl es für die vorliegenden Ergebnisse, z. B. für kardiometabolische Störungen und häufige psychische Störungen, starke meta-analytische epidemiologische Belege gibt, sind weiterführende Kurzstudien2Aus ethischen Gründen ist es nicht möglich, Studien durchzuführen, die die Auswirkungen einer langfristigen Exposition gegenüber Interventionen mit mutmaßlich schädlichen Eigenschaften (d. h. einer Ernährung, die reich an ultraverarbeiteten Lebensmitteln ist) auf „harte Krankheitsendpunkte“, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs, untersuchen. Aus nachvollziehbaren ethischen Gründen wären hier deshalb nur Kurzstudien möglich. zur Erhärtung der Zusammenhänge erforderlich, die die Auswirkungen der Exposition gegenüber ultraverarbeiteten Lebensmitteln auf Zwischenergebnisse (wie Veränderungen des Körpergewichts, Insulinresistenz, depressive und Angstsymptome, Darmmikrobiom und Entzündungen) untersuchen.
- Spezifische Anpassungen von Störfaktoren oder Mediatoren sowie Sensitivitätsanalysen haben die Autor*innen nicht berücksichtigt. Diese könnten jedoch insbesondere im Zusammenhang mit ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln von Bedeutung sein.
- Der Verzehr von ultraverarbeiteten Lebensmitteln wird mit einer geringeren Aufnahme von unverarbeitetem oder minimal verarbeitetem Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Meeresfrüchten in Verbindung gebracht3Die Autor*innen verweisen auf Martini D, Godos J, Bonaccio M, Vitaglione P, Grosso G.: Ultra-Processed Foods and Nutritional Dietary Profile: A Meta-Analysis of Nationally Representative Samples. Nutrients2021;13:3390. doi:10.3390/nu13103390., was die Frage aufwirft, ob die Assoziationen zwischen der Exposition gegenüber ultraverarbeiteten Lebensmitteln und einem schlechteren Gesundheitszustand auf ein insgesamt ungesundes Ernährungsmuster zurückzuführen sind. Die Autor*innen weisen in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass eine kürzlich veröffentlichte Studie von Dicken et al.4Dicken SJ, Batterham RL.: The Role of Diet Quality in Mediating the Association between Ultra-Processed Food Intake, Obesity and Health-Related Outcomes: A Review of Prospective Cohort Studies. Nutrients2021;14:23. doi:10.3390/nu14010023 aufzeigt, dass die Anpassung an die Qualität oder an das Muster der Ernährung nichts an der konsistenten Evidenz für einen direkten Zusammenhang zwischen einer höheren Exposition gegenüber ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln und einem höheren Risiko für nachteilige gesundheitliche Folgen ändert.
- Auch die Möglichkeit eines Residual Confounding („Rest-Confounder“), d.h. die Annahme einer unvollkommen oder mit einem Fehler gemessenen Confounding-Variable, die nicht vollständig entfernt werden kann5Zu confounder siehe auch /confounder-stoerfaktoren/,, erklärt die Effekte nach Ansicht der Autor*inen nicht ausreichend, weil die konsistenten Ergebnisse der meisten gepoolten Analysen in der vorliegenden Übersichtsarbeit diese Annahme nicht unterstützen.
- Eine Metaanalyse von Chen et al.6Chen Z, Khandpur N, Desjardins C, et al.: Ultra-Processed Food Consumption and Risk of Type 2 Diabetes: Three Large Prospective U.S. Cohort Studies. Diabetes Care 2023;46:1335-44. doi:10.2337/dc22-1993 zeigt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Gesamtkonsum von ultraverarbeiteten Lebensmitteln und einem höheren Risiko für Typ-2-Diabetes, der über mehrere Kohorten hinweg konsistent ist. Während jedoch bestimmte Unterkategorien ultraverarbeiteter Lebensmittel ebenfalls ein höheres Risiko aufwiesen, waren andere umgekehrt assoziiert, wie z. B. ultraverarbeitete Cerealien7Müslis, Cornflakes und andere knusprige Getreideerzeugnisse., dunkles/vollkorniges Brot, verpackte süße und herzhafte Snacks, Obstprodukte und Joghurt sowie Desserts auf Milchbasis. Diese Ergebnisse unterstreichen die Komplexität des Zusammenhangs zwischen ultraverarbeiteten Lebensmitteln und gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Aber auch wenn einige Unterkategorien von ultraverarbeiteten Lebensmitteln bessere Nährstoff- und Inhaltsstoffprofile aufweisen, bleibt der Gesamtverzehr von ultraverarbeiteten Lebensmitteln durchweg mit einem höheren Risiko für chronische Krankheiten verbunden, wie die vorliegende Untersuchung zeigt.8Auf diesem Hintergrund wird von manchen Forscher*innen argumentiert, dass ein besseres Verständnis der Unterschiede innerhalb der Unterkategorien ultraverarbeiteter Lebensmittel den Verbrauchern helfen kann, ein gesünderes Ernährungsmuster anzunehmen, als ihren Konsum insgesamt maximal zu reduzieren. Andere Forscher*innen wiederum empfehlen, dass der Schwerpunkt auf der Gesamtqualität der Ernährung, einschließlich aller ultraverarbeiteten Lebensmittel, und ihrem Zusammenhang mit einem höheren Krankheitsrisiko liegen sollte, und nicht auf spezifischen Unterkategorien oder einzelnen Produkten.
- Unberücksichtigt bleiben in der Betrachtung von Unterkategorien zusammengesetzte Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Konsumgütern innerhalb breiterer Ernährungsmuster. Diese Einschränkung könnte, so die Autor*innen, teilweise die Unterschiede in der Stärke der in der vorliegenden Übersichtsarbeit beobachteten Evidenz im Vergleich zu einer anderen aktuellen Übersichtsarbeit9Huang Y, Chen Z, Chen B, et al.: Dietary sugar consumption and health: umbrella review. BMJ2023;381:e071609. doi:10.1136/bmj-2022-071609 erklären, die sich auf den Zuckerkonsum in der Ernährung konzentriert (einschließlich zuckergesüßter Getränke, einer häufig konsumierten Unterkategorie ultraverarbeiteter Lebensmittel). Diese Übersichtsarbeit fand keine überzeugenden Beweise (Klasse I) für nachteilige gesundheitliche Folgen im Zusammenhang mit dem Verzehr von Zucker oder zuckergesüßten Getränken – im Gegensatz zur vorliegenden Übersichtsarbeit, die direkte Zusammenhänge (Klasse I) zwischen einer höheren Exposition gegenüber ultraverarbeiteten Lebensmitteln und einem höheren Risiko für nachteilige gesundheitliche Folgen wie kardiometabolische Erkrankungen, häufige psychische Störungen und Mortalität belegt. Diese Ergebnisse unterstützen die Empfehlung, die Qualität der Gesamternährung in der Ernährungsepidemiologie zu berücksichtigen, und sie deuten darauf hin, dass ein höherer Verzehr von ultraverarbeiteten Lebensmitteln im Rahmen breiterer Ernährungsmuster im Vergleich zu einer geringeren Zufuhr synergistische oder verstärkte Folgen haben kann.
Anmerkungen/Fußnoten
- 1Vgl. z.B. World Health Organization Guidelines Review Committee Nutrition and Food Safety. Use of non-sugar sweeteners. 2023. https://www.who.int/publications/i/item/9789240073616.
- 2Aus ethischen Gründen ist es nicht möglich, Studien durchzuführen, die die Auswirkungen einer langfristigen Exposition gegenüber Interventionen mit mutmaßlich schädlichen Eigenschaften (d. h. einer Ernährung, die reich an ultraverarbeiteten Lebensmitteln ist) auf „harte Krankheitsendpunkte“, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs, untersuchen. Aus nachvollziehbaren ethischen Gründen wären hier deshalb nur Kurzstudien möglich.
- 3Die Autor*innen verweisen auf Martini D, Godos J, Bonaccio M, Vitaglione P, Grosso G.: Ultra-Processed Foods and Nutritional Dietary Profile: A Meta-Analysis of Nationally Representative Samples. Nutrients2021;13:3390. doi:10.3390/nu13103390.
- 4Dicken SJ, Batterham RL.: The Role of Diet Quality in Mediating the Association between Ultra-Processed Food Intake, Obesity and Health-Related Outcomes: A Review of Prospective Cohort Studies. Nutrients2021;14:23. doi:10.3390/nu14010023
- 5Zu confounder siehe auch /confounder-stoerfaktoren/,
- 6Chen Z, Khandpur N, Desjardins C, et al.: Ultra-Processed Food Consumption and Risk of Type 2 Diabetes: Three Large Prospective U.S. Cohort Studies. Diabetes Care 2023;46:1335-44. doi:10.2337/dc22-1993
- 7Müslis, Cornflakes und andere knusprige Getreideerzeugnisse.
- 8Auf diesem Hintergrund wird von manchen Forscher*innen argumentiert, dass ein besseres Verständnis der Unterschiede innerhalb der Unterkategorien ultraverarbeiteter Lebensmittel den Verbrauchern helfen kann, ein gesünderes Ernährungsmuster anzunehmen, als ihren Konsum insgesamt maximal zu reduzieren. Andere Forscher*innen wiederum empfehlen, dass der Schwerpunkt auf der Gesamtqualität der Ernährung, einschließlich aller ultraverarbeiteten Lebensmittel, und ihrem Zusammenhang mit einem höheren Krankheitsrisiko liegen sollte, und nicht auf spezifischen Unterkategorien oder einzelnen Produkten.
- 9Huang Y, Chen Z, Chen B, et al.: Dietary sugar consumption and health: umbrella review. BMJ2023;381:e071609. doi:10.1136/bmj-2022-071609