Tierversuche von Bo Ri Seo (et al.) belegen, dass mechanische Druckanwendung die Muskelregeneration fördert, und erklären damit wesentliche Aspekte der Heilwirkung von Massage

Druckanwendung Massage

Nach einer Verletzung verbessert die Reduktion von Neutrophilen die Regeneration der Muskatur

Um die Rolle der Neutrophilen bei der Muskelregeneration direkt zu untersuchen, wurden die Neutrophilen in den Mäusen in den ersten drei Tagen nach der Verletzung dezimiert, um die Reduktion der Neutrophilen in diesem Zeitraum nachzuahmen, die durch die Druckanwendung beobachtet wurde. Dabei zeigte sich, dass die mit einem Anti-Ly6g-Antikörper behandelten Mäuse, (im Vergleich zur Kontrollgruppe, die nicht behandelt wurde) eine deutlich geringere Muskelschädigung und eine geringere Fibrosebildung aufweisen. Zudem zeigte sich, dass sowohl die Druckanwendung als auch die Neutrophilenreduktion in der Analyse der Muskelfasern zu einer ähnlichen Verteilung mit einer Tendenz zu größeren Fasern führten. Beiden Gruppen war gemeinsam, dass die Mäuse stärkere kontraktile Kräfte und eine größere funktionale Erholung zeigten (im Vergleich zu den unbehandelten Mäusen), womit die Annahme gestützt wird, dass die zeitliche Kontrolle der Neutrophilenmenge im geschädigten Muskel für die verbesserte Muskelregeneration durch die Anwendung von Druck verbunden ist.

Diskussion und Ausblick

Bislang ist noch kein Therapieschema für die Gewebedehnung bei schwer verletztem Muskelgewebe bekannt, allerdings haben einige In-vitro-Studien gezeigt, dass die Reaktionen auf mechanische Druckausübung auf zellulärer Ebene von der Stärke der Belastung abhängen. Künftige Studien, so die Autor*innen, könnten ein verlässliches Therapieschema definieren und auch die zugrundeliegenden zellulären Wirkmechanismen genauer erfassen.

Wenngleich sich die Ergebnisse der mechanischen Ausübung von Druck auf das verletzte Gewebe prinzipiell auch auf die manuelle, nicht robotergesteuerte Manipulation von Muskelgewebe übertragen lassen, geben die Autor*innen zu bedenken, dass sich die Druckbelastungen und Gewebedehnungen bei Anwendung durch ein Robotersystem reproduzieren lassen und deshalb systematisch(er) angewendet werden können – im Gegensatz zur mangelnden Kontrolle bei manueller Behandlung z.B im Rahmen einer Massagebehandlung.

Die Studie von Bo Ri Seo et al. verbindet die durch mechanischen Druck vermittelte Muskelregeneration und regeneraive Immunreaktionen, wobei die frühe Beseitigung von Neutrophilen sich als mögliche Verbindung zwischen diesen beiden Bereichen anbietet. Der durch den Druck bedingte Abtransport diverser Stoffe könnte die Anzahl der Neutrophilen senken und damit auch zu einer Beseitigung von Entündungsfaktoren führen.

Neutrophile haben neben ihrer phagozytotischen1Phagozytose bezeichnet die Aufnahme extrazellulärer Partikel, Mikroorganismen oder Flüssigkeiten durch spezialisierte Zellen (Phagozyten). und proangiogenen2Proangiogen bedeutet die Förderung der Angiogenese, der Bildung neuer Blutgefäße aus vorbestehenden Blutgefäßen, z.B. bei der Wundheilung. Aktivität nachweislich gewebedestruktive und reparative Funktionen, indem sie auch proteolytische Enzyme3Proteolytische Enzyme spalten (unter anderem) Proteine in Aminosäuren auf., antimikrobielle Proteine4Antimikrobielle Proteine und Peptide haben eine antimikrobielle und häufig auch antibiotische Wirkung. und reaktive Sauerstoffspezies5Reaktive Sauerstoffspezies sind Sauerstoff-enthaltende Moleküle mit sehr großer chemischer Reaktionsbereitschaft, die durch die Aufnahme zusätzlicher Elektronen durch den Sauerstoff entstehen. In der Pathophysiologie sind diese Sauerstoffformen insbesondere beim sogenannten oxidativen Stress von Bedeutung. produzieren. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen dem rechtzeitigen Vorhandensein von Neutrophilen und der durch die manuelle Druckausübung vermittelten Verbesserung der funktionellen Erholung verletzter Muskeln gibt. Die bislang widersprüchlichen Ergebnisse zu den Auswirkungen der Neutrophilenabreicherung auf die Geweberegeneration und die Rolle der Neutrophilen hängt, so vermuten die Studienautor*innnen, wahrscheinlich vom Zeitpunkt der Abreicherung, der Art der Verletzung und dem spezifischen Gewebe/Organsystem ab, wobei die vorliegende Studie die Bedeutung der zeitlichen Aspekte der Neutrophilenfunktion im Muskel nach einer Verletzung unterstreicht: Zunächst spielen Neutrophile eine wichtige Rolle bei der Beseitigung von abgestorbenen Zellen und Ablagerungen6Entsprechend beeinflusst ihre Abreicherung vor einer Verletzung die Regeneration nachteilig; vgl. C. F. Teixeira, S. R. Zamunér, J. P. Zuliani, C. M. Fernandes, M. A. Cruz-Hofling, I. Fernandes, F. Chaves, J. M. Gutiérrez, Neutrophils do not contribute to local tissue damage, but play a key role in skeletal muscle regeneration, in mice injected with Bothrops asper snake venom. Muscle Nerve 28, 449–459 (2003).
Die Bedeutung der frühen Entzündungssignale für eine ordnungsgemäße Regeneration unterstreicht auch die Beeinträchtigung dieser durch die frühzeitige Verabreichung von nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamenten nach einer Verletzung, indem sie die Ausbreitung von Muskelstammzellen behindert; vgl. z.B. U. R. Mikkelsen, H. Langberg, I. C. Helmark, D. Skovgaard, L. L. Andersen, M. Kjaer, A. L. Mackey, Local NSAID infusion inhibits satellite cell proliferation in human skeletal muscle after eccentric exercise. J. Appl. Physiol. (1985) 107, 1600–1611 (2009).
, ihre langfristige Anwesenheit allerdings scheint die Muskelregeneration zu behindern. Die Beendigung der Entzündung ist wichtig, damit die Regenerationsprozesse abgeschlossen werden können.7Vgl. z.B: L. Arnold, A. Henry, F. Poron, Y. Baba-Amer, N. van Rooijen, A. Plonquet, R. K. Gherardi, B. Chazaud, Inflammatory monocytes recruited after skeletal muscle injury switch into antiinflammatory macrophages to support myogenesis. J. Exp. Med. 204, 1057–1069 (2007). Ccl3 und Mmp-9 wurden in der Studie als jene Faktoren identifiziert, die einerseits zu den wichtigsten von Neutrophilen sezernierten Faktoren gehören und die durch die manuelle Druckausübung signifikant verringert wurden. Beide Faktoren haben eine wichtige Rolle bei der Proliferation und Differenzierung von Muskelvorläuferzellen.S

Im Vergleich zu medikamentösen oder biologischen Therapien, die üblicherweise in der regenerativen Medizin untersucht werden, hat die robotergesteuerte und robotervermittelte manuelle Druckausübung eine niedrigere Hürde für die Umsetzung in die Klinik, da sie nicht invasiv ist, die therapeutische Verabreichung automatisieren und personalisieren kann und die regulatorischen Anforderungen gering sind. Gleichwohl, so die Autor*innen, ist es wahrscheinlich notwendig, die Belastungsbehandlung für bestimmte Arten von Verletzungen und verschiedene Gewebe, wie z.B. Haut, Sehnen oder Knochen, zu optimieren. Das könnte beispielsweise Patient*innen zugute kommen, die an chronischen Erkrankungen leiden oder bei denen sich immunsuppressive Medikamente als unwirksam erweisen,

Einschränkungen der Studie

Drei Einschränkungen nennen die Studienautor*innen:

  • Mechanische Parameter, wie Belastungshäufigkeit, Angriffspunkt und Anzahl der Zyklen, wurden nicht untersucht.
  • In der voliegenden Studie wurde als Verletzungsmodell ein ischämischer chirurgischer Eingriff mit Myotoxin-Injektion angewendet, andere Muskelverletzungen (Verletzungsmodelle) wurden nicht untersucht.
  • In der vorliegenden Studie wurde gezeigt, dass die durch die mechanische Druckanwendung vermittelte schnelle Beseitigung neutrophiler Granozyten die frühe Myogenese verbessert, der Einfluss der Druckanwendung auf den Muskelfasertypwechsel in den späteren Stadien blieb unbeantwortet.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Phagozytose bezeichnet die Aufnahme extrazellulärer Partikel, Mikroorganismen oder Flüssigkeiten durch spezialisierte Zellen (Phagozyten).
  • 2
    Proangiogen bedeutet die Förderung der Angiogenese, der Bildung neuer Blutgefäße aus vorbestehenden Blutgefäßen, z.B. bei der Wundheilung.
  • 3
    Proteolytische Enzyme spalten (unter anderem) Proteine in Aminosäuren auf.
  • 4
    Antimikrobielle Proteine und Peptide haben eine antimikrobielle und häufig auch antibiotische Wirkung.
  • 5
    Reaktive Sauerstoffspezies sind Sauerstoff-enthaltende Moleküle mit sehr großer chemischer Reaktionsbereitschaft, die durch die Aufnahme zusätzlicher Elektronen durch den Sauerstoff entstehen. In der Pathophysiologie sind diese Sauerstoffformen insbesondere beim sogenannten oxidativen Stress von Bedeutung.
  • 6
    Entsprechend beeinflusst ihre Abreicherung vor einer Verletzung die Regeneration nachteilig; vgl. C. F. Teixeira, S. R. Zamunér, J. P. Zuliani, C. M. Fernandes, M. A. Cruz-Hofling, I. Fernandes, F. Chaves, J. M. Gutiérrez, Neutrophils do not contribute to local tissue damage, but play a key role in skeletal muscle regeneration, in mice injected with Bothrops asper snake venom. Muscle Nerve 28, 449–459 (2003).
    Die Bedeutung der frühen Entzündungssignale für eine ordnungsgemäße Regeneration unterstreicht auch die Beeinträchtigung dieser durch die frühzeitige Verabreichung von nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamenten nach einer Verletzung, indem sie die Ausbreitung von Muskelstammzellen behindert; vgl. z.B. U. R. Mikkelsen, H. Langberg, I. C. Helmark, D. Skovgaard, L. L. Andersen, M. Kjaer, A. L. Mackey, Local NSAID infusion inhibits satellite cell proliferation in human skeletal muscle after eccentric exercise. J. Appl. Physiol. (1985) 107, 1600–1611 (2009).
  • 7
    Vgl. z.B: L. Arnold, A. Henry, F. Poron, Y. Baba-Amer, N. van Rooijen, A. Plonquet, R. K. Gherardi, B. Chazaud, Inflammatory monocytes recruited after skeletal muscle injury switch into antiinflammatory macrophages to support myogenesis. J. Exp. Med. 204, 1057–1069 (2007).

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