Tierversuche von Bo Ri Seo (et al.) belegen, dass mechanische Druckanwendung die Muskelregeneration fördert, und erklären damit wesentliche Aspekte der Heilwirkung von Massage

Inhalt

Die Anwendung von Druck auf das verletzte Gewebe reduziert Entzündungsfaktoren

Um zu untersuchen, ob und inwieweit mechanische Druckanwendung die lokalen Immunreaktionen in den behandelten Gewewben verändert, wurde eine breite Palette von Entzündungsfaktoren (Zytokine und Chemokine) untersucht, wobei jeweils das relative Verhältnis jedes Faktors mit der Kontrollgruppe (im Verlauf der Zeit) verglichen wurde.

Die meisten Faktoren zeigten dabei einen unterschiedlich starken Rückgang in der Gruppe mit Druckanwendung am dritten Tag. Am 7. und 14. Tag waren die Mengen der meisten Faktoren in der Versuch- und der Kontrollgruppe dann wieder gleich. Die durch die manuelle Druckanwendung am stärksten verringerten Zytokine (mehr als 50%ige Reduktion gegenüber der unbehandelten Kontrollgruppe), so konnte durch ein spezifisches Verfahren nachgewiesen werden, stehen mit Entzündungsreaktionen und der Migration von Granulozyten¹ oder myeloischen Leukozyten², insbesondere der Chemotaxis³ und Migration von Neutrophilen⁴, in Verbindung.

Die weitere Untersuchung, ob die veränderten Zytokinprofile mit Veränderungen in spezifischen Untergruppen von Immunzellpopulationen im verletzten Muskel verbunden sind, brachte keine signifikanten Ergebnisse, ebensowenig die Untersuchung der Makrophagen-Subtypen, denen eine Schlüsselrolle bei der Geweberegeneration zugeschrieben wird.

Im Vergleich zu den Kontrollmuskeln wiesen die behandelten Muskeln allerdings nach drei Tagen eine signifikante Reduktion der Neutrophilen auf⁵ Dieser Befund deutet darauf hin, dass eine verringerte Menge an Zytokinen, die die Chemotaxis und Migration der Neutrophilen stimulieren, für den schnellen Rückgang der Neutrophilen in den behandelten Muskeln verantwortlich ist.

Ein möglicher Mechanismus für diesen beobachteten Rückgang der intramuskulären Zytokine könnte, so die Autor*innen, eine durch die Druckanwendung bedingte Ausschwemmung von Gewebezytokinen aus dem verletzten Gewebe sein, da die Veränderung der Neutrophilen in den behandelten Geweben nicht systemischer Natur ist, d.h. sich in anderen Organen nicht widerspiegelt. Vielmehr handelt es sich um lokale immunmodulatorische Effekte im verletzten Muskel, insbesondere durch Neutrophilen-vermittelte Effekte in den frühen Phasen der Immunantwort.

Neutrophile wirken auf Proliferation und Differenzierung von Muskelvorläuferzellen

In der vorliegenden Studie wurden auch die Auswirkungen der von Neutrophilen ausgeschiedenen Faktoren auf die Myogenese⁶ untersucht⁷, wobei von den Autor*innen durchgeführte In-vitro-Studien darauf hindeuten, dass die von Neutrophilen sezernierten⁸ Faktoren die Proliferation⁹ von Muskelvorläuferzellen stimulieren.¹⁰ Eine längere Abwesenheit dieser Faktoren behindert dann aber wiederum die Myogenese.

Manueller Druck sollte über die Akutphase hinaus angewendet werden

Wurde die Behandlung nur in den ersten sieben Tagen, d.h. in der akuten Phase der Verletzung, angewendet, so war das Ergebnis zwar besser als ohne Behandlung, aber nicht so erfolgreich als nach 14 Tagen Behandlung. Eine Behandlung im frühen Stadium erweist sich damit als notwendig, aber nicht ausreichend für eine vollständige funktionelle Erholung.

Eine differenzierte Untersuchung der Zusammensetzung der Muskelfasertypen im regenerierten Muskel legt nahe, dass die Anwendung von Druck eine geringfügige, nicht signifikant veränderte Zusammensetzung der Muskelfasertypen mit sich bringt, die in Einklang mit der vergrößerten Fasergröße und der größeren Kraftproduktion des behandelten Muskels steht.

Anmerkungen/Fußnoten

1
Granulozyten machen einen großen Teil der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) aus. Sie werden im Knochenmark gebildet und ins Blut abgegeben, von wo aus sie ins Gewebe einwandern können.
2
Myelozyten sind unreife Vorstufen von weißen Blutkörperchen.
3
Chemotaxis bedeutet eine durch Ausschüttung bzw. Bildung von Botenstoffen (Chemokine) hervorgerufene Anlockung von Zellen des Immunsystems (z.B. Leukozyten) an den Ort einer entzündlichen Reaktion.
4
Neutrophilen sind eine Art der weißen Blutkörperchen, die dem Körper bei der Bekämpfung von Infektionen und der Heilung von Verletzungen helfen.
5
Zudem fanden sie sich in den behandelten Muskeln in begrenzten Bereichen, in den unbehandelten Muskeln jedoch in weiten Bereichen.
6
Myogenese ist die Entstehung und Entwicklung der Skelettmuskulatur. Sie findet vor allem während der Embryogenese statt. Bei Verletzungen des differenzierten Muskelgewebes wird die Myogenese erneut durch Satellitenzellen im Muskel initiiert, um die beschädigten Muskelfasern zu ersetzen.
7
Im Unterschied zur Rolle von Neutrophilen bei der Beseitigung von geschädigten Zellen und eingedrungenen Mikroorganismen ist, führen die Autor*innen aus, wenig über ihren Einfluss auf die Muskelregeneration bekannt
8
Sezernieren bedeutet absondern, sekretieren.
9
Unter Proliferation versteht man das schnelle Wachstum bzw. die Vermehrung oder Wucherung von Zellen oder Mikroorganismen. Bei multizellulären Organismen entsteht Proliferation auf der Grundlage einer beschleunigten Teilung der am Gewebsaufbau beteiligten Zellen, z.B. in der Abheilungsphase von Verletzungen oder bei Entzündungen.
10
Zugleich behindern sie die myogene Bindung von Muskelvorläuferzellen, wobei Ccl3 und Mmp-9 eine wichtige Rolle spielen.

Pages: 1 2 3 4