Stecco, Carla et al.: Hyaluronan within fascia in the etiology of myofascial pain

Rückenbehandlung

Änderungen der Hyaluronsäure-Funktionen können bei sich ändernden Konzentrationen und Aggregatseigenschaften1Als Aggregatzustände werden die unterschiedlichen Zustände eines Stoffes bezeichnet, die sich durch bloße Änderungen von Temperatur oder Druck ineinander umwandeln können, wie z.B. fest, flüssig und gasförmig. (als Reaktion auf Van-der-Waals-2Die Van-der-Waals-Kräfte (Van-der-Waals-Wechselwirkungen), benannt nach dem niederländischen Physiker Johannes Diderik van der Waals, sind relativ schwache nicht-kovalente Wechselwirkungen zwischen Atomen oder Molekülen (bei denen keine Elektronenpaare geteilt werden). Geckos beispielsweise nutzen neben hauptsächlich elektrostatischen Kräften auch die Van-der-Waals-Kräfte, um an Flächen zu haften. oder hydrophobe Kräfte3Als hydrophobe Wechselwirkung bezeichnet man die Zusammenlagerung von unpolaren Molekülen in einem polaren Medium (z.B. Wasser). Hydrophobe Wechselwirkungen spielen eine Rolle, wenn unpolare Moleküle oder Molekülgruppen in Wasser gelangen. Dabei wird die durch Wasserstoffbrückenbindungen gekennzeichnete Struktur des Wassers gestört und Wassermoleküle aus dem Bereich zwischen zwei lipophilen (fettlöslichen) Grenzflächen verdrängt. Die verdrängten Wassermoleküle orientieren sich neu, um die maximal mögliche Anzahl an Wasserstoffbrücken aufzubauen. Im Gegensatz zu Wasserstoff-Brücken sind hydrophobe Wechselwirkungen nicht gerichtet.) auftreten. Insbesondere bei steigenden Konzentrationen4Matteini P, Dei L, Carretti E, Volpi N, Goti A, and Pini R (2009): Structural behavior of highly concentrated hyaluronan. Biomacromolecules 10:1516–1522. doi:10.1021/bm900108z. beginnen sich die Hyaluronsäure-Ketten zu verschränken und verleihen Hyaluronsäure-Lösungen veränderte hydrodynamische Eigenschaften5Die Hydrodynamik beschreibt die Dynamik von Flüssigkeiten, wie z.B. die Umströmung von Körpern, Wellen und Wirbel. mit einem enormen Anstieg der Viskosität6Viskosität bezeichnet die Zähflüssigkeit oder Zähigkeit von Flüssigkeiten (und Gasen). Je größer die Viskosität ist, desto dickflüssiger (weniger fließfähig) ist die Flüssigkeit; je niedriger die Viskosität, desto dünnflüssiger (fließfähiger) ist sie..

Die hydrodynamischen Eigenschaften von Hyaluronsäure-Lösungen dürften die für die Bewegung der Skelettmuskulatur erforderliche Viskoelastizität7Als Viskoelastizität bezeichnet man ein teilweise elastisches, teilweise viskoses Materialverhalten einer Substanz oder eines Materials. ermöglichen. Die Wechselwirkungen sind reversibel, wobei eine Disaggregation8Disaggregation (Auflösung) ist die Zerlegung eines integrierten Ganzen in kleinere Einheiten, z.B. eines Zellverbands in Einzelzellen. infolge von Temperaturanstieg und durch Alkalisierung9Alkalisierung bezeichnet den Vorgang der Erhöhung des pH-Werts, so dass das Milieu alkalischer (basischer) wird. erfolgt.10Die AutorInnen verweisen auf Matteini P, Dei L, Carretti E, Volpi N, Goti A, and Pini R (2009): Structural behavior of highly concentrated hyaluronan. Biomacromolecules 10:1516–1522. doi:10.1021/bm900108z sowie Scott JE, Heatley F (2002): Biological properties of hyaluronan in aqueous solution are controlled and sequestered by reversible tertiary structures, defined by NMR spectroscopy. Biomacromolecules 3:547–553. doi:10.1021/bm010170j.

Die AutorInnen haben in einer Reihe von Proben fibroblastenartige Zellen gefunden, die auf der unteren Oberfläche der Faszie angeordnet sind. Sie schlagen vor, diese Zellen, weil sie mit der Faszie in Verbindung stehen, „Fasziacyten“ zu nennen und als neue, bislang nicht beachtete Klasse von Zellen zu betrachten.

Die AutorInnen gehen darüber hinaus davon aus, dass diese Zellen mit anderen fibroblastenartigen Zellen mit der spezieller Funktion der Hyalurinsäure-Synthese und -Sekretion verwandt sein könnten, wie den Synoviocyten auf der Innenfläche von Gelenkkapseln11Chang SK, Gu Z, and Brenner MB (2010): Fibroblast-like synoviocytes in inflammatory arthritis pathology: the emerging role of cadherin-11. Immunol Rev 233:256–266 . und die Hyalocyten im Auge12Sakamoto T, and Ishibashi T (2011): Hyalocytes: essential cells of the vitreous cavity in vitreoretinal pathophysiology? Retina 31:222–228. doi:10.1097/IAE.0b013e3181facfa9., die beide zu den Monozyten13Monozyten, die zu den weißen Blutkörperchen zählen, sind im Blut zirkulierende Zellen des Immunsystems und die Vorläufer der u. a. in den Geweben lokalisierten Makrophagen./Makrophagen14Makrophagen sind große, bewegliche, einkernige Zellen, die zum zellulären Immunsystem gehören (weiße Blutkörperchen, Leukozyen). Sie entwickeln sich aus den im Blut zirkulierenden peripheren Monozyten. Monozyten können in das Gewebe migrieren und verbleiben dort für mehrere Wochen bis Monate als Gewebsmakrophagen. gehören. Myofibroblasten, histologisch eine Zwischenform zwischen einem Fibroblasten und glatten Muskelzellen, sind weitere der fibroblastenartigen Zellen, die Hyaluronsäure sowie andere Komponenten der extrazellulären Matrix15Die extrazelluläre Matrix besteht aus der Gesamtheit aller Makromoleküle im Interzellularraum, ist also zusammengesetzt aus den Strukturbestandteilen eines Gewebes, die sich außerhalb der Zellen befinden. Sie ist essentiell für die Verankerung der Zellen und die Formkonsistenz der Gewebe. Elemente der extrazellulären Matrix sind Fasern (wie Kollagenfasern, retikuläre Fasern, elastische Fasern) und Grundsubstanzen (wie Glykosaminoglykane, Proteoglykane, Adhäsionsproteine, Wasser, Elektrolyte). aktiv ausscheiden[mnf]Wight TN, and Potter-Perigo S (2011): The extracellular matrix: an active or passive player in fibrosis. Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol.[/mfn]. Myofibroblasten, die bei der Wundheilung aktiv sind, sind aber nicht monozytären/makrophagen Ursprungs, sondern modifizierte Fibroblasten. Bis zur Durchführung weiterer Studien kann deshalb nicht entschieden werden, ob es sich bei den „Fasciazyten“‘ um Monozyten/Makrophagen oder Fibroblasten handelt, ob sie den Synoviozyten und Hyalozyten oder den Myofibroblasten ähnlicher sind.

Die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Hyaluronsäure werden durch Temperatur, chemische Elemente und Druck verändert. Wenn die Hyaluronsäure eine stärker gepackte Form annimmt (allgemeiner ausgedrückt: wenn das lose Bindegewebe innerhalb der Faszie seine Dichte ändert), könnte das Verhalten der gesamten tiefen Faszie und des darunter liegenden Muskels beeinträchtigt werden.

Darüberhinaus gibt es klare Hinweise16Swerup C, and Rydqvist B (1996): A mathematical model of the crustacean stretch receptor neuron. Biomechanics of the receptor muscle, mechanosensitive ion channels, and macrotransducer properties. J Neurophysiol 76:2211–2220.
Wilkinson RS, and Fukami Y (1983): Responses of isolated Golgi tendon organs of cat to sinusoidal stretch. J Neurophysiol 49:976–988.
, dass die Aktivierung der Rezeptoren stark von der Viskoelastizität des umgebenden Gewebes beeinflusst wird. Da die Hyaluronsäure eines der wichtigsten Elemente ist, das die Viskoelastizität eines Gewebes bestimmt, könnte eine Veränderung in der Präsenz der Hyaluronsäure die Aktivierung der Rezeptoren in der Faszie verändern. Das könnte, so die AutorInnen, der Grund für das Phänomen myofaszialer Schmerzen sein.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Als Aggregatzustände werden die unterschiedlichen Zustände eines Stoffes bezeichnet, die sich durch bloße Änderungen von Temperatur oder Druck ineinander umwandeln können, wie z.B. fest, flüssig und gasförmig.
  • 2
    Die Van-der-Waals-Kräfte (Van-der-Waals-Wechselwirkungen), benannt nach dem niederländischen Physiker Johannes Diderik van der Waals, sind relativ schwache nicht-kovalente Wechselwirkungen zwischen Atomen oder Molekülen (bei denen keine Elektronenpaare geteilt werden). Geckos beispielsweise nutzen neben hauptsächlich elektrostatischen Kräften auch die Van-der-Waals-Kräfte, um an Flächen zu haften.
  • 3
    Als hydrophobe Wechselwirkung bezeichnet man die Zusammenlagerung von unpolaren Molekülen in einem polaren Medium (z.B. Wasser). Hydrophobe Wechselwirkungen spielen eine Rolle, wenn unpolare Moleküle oder Molekülgruppen in Wasser gelangen. Dabei wird die durch Wasserstoffbrückenbindungen gekennzeichnete Struktur des Wassers gestört und Wassermoleküle aus dem Bereich zwischen zwei lipophilen (fettlöslichen) Grenzflächen verdrängt. Die verdrängten Wassermoleküle orientieren sich neu, um die maximal mögliche Anzahl an Wasserstoffbrücken aufzubauen. Im Gegensatz zu Wasserstoff-Brücken sind hydrophobe Wechselwirkungen nicht gerichtet.
  • 4
    Matteini P, Dei L, Carretti E, Volpi N, Goti A, and Pini R (2009): Structural behavior of highly concentrated hyaluronan. Biomacromolecules 10:1516–1522. doi:10.1021/bm900108z.
  • 5
    Die Hydrodynamik beschreibt die Dynamik von Flüssigkeiten, wie z.B. die Umströmung von Körpern, Wellen und Wirbel.
  • 6
    Viskosität bezeichnet die Zähflüssigkeit oder Zähigkeit von Flüssigkeiten (und Gasen). Je größer die Viskosität ist, desto dickflüssiger (weniger fließfähig) ist die Flüssigkeit; je niedriger die Viskosität, desto dünnflüssiger (fließfähiger) ist sie.
  • 7
    Als Viskoelastizität bezeichnet man ein teilweise elastisches, teilweise viskoses Materialverhalten einer Substanz oder eines Materials.
  • 8
    Disaggregation (Auflösung) ist die Zerlegung eines integrierten Ganzen in kleinere Einheiten, z.B. eines Zellverbands in Einzelzellen.
  • 9
    Alkalisierung bezeichnet den Vorgang der Erhöhung des pH-Werts, so dass das Milieu alkalischer (basischer) wird.
  • 10
    Die AutorInnen verweisen auf Matteini P, Dei L, Carretti E, Volpi N, Goti A, and Pini R (2009): Structural behavior of highly concentrated hyaluronan. Biomacromolecules 10:1516–1522. doi:10.1021/bm900108z sowie Scott JE, Heatley F (2002): Biological properties of hyaluronan in aqueous solution are controlled and sequestered by reversible tertiary structures, defined by NMR spectroscopy. Biomacromolecules 3:547–553. doi:10.1021/bm010170j.
  • 11
    Chang SK, Gu Z, and Brenner MB (2010): Fibroblast-like synoviocytes in inflammatory arthritis pathology: the emerging role of cadherin-11. Immunol Rev 233:256–266 .
  • 12
    Sakamoto T, and Ishibashi T (2011): Hyalocytes: essential cells of the vitreous cavity in vitreoretinal pathophysiology? Retina 31:222–228. doi:10.1097/IAE.0b013e3181facfa9.
  • 13
    Monozyten, die zu den weißen Blutkörperchen zählen, sind im Blut zirkulierende Zellen des Immunsystems und die Vorläufer der u. a. in den Geweben lokalisierten Makrophagen.
  • 14
    Makrophagen sind große, bewegliche, einkernige Zellen, die zum zellulären Immunsystem gehören (weiße Blutkörperchen, Leukozyen). Sie entwickeln sich aus den im Blut zirkulierenden peripheren Monozyten. Monozyten können in das Gewebe migrieren und verbleiben dort für mehrere Wochen bis Monate als Gewebsmakrophagen.
  • 15
    Die extrazelluläre Matrix besteht aus der Gesamtheit aller Makromoleküle im Interzellularraum, ist also zusammengesetzt aus den Strukturbestandteilen eines Gewebes, die sich außerhalb der Zellen befinden. Sie ist essentiell für die Verankerung der Zellen und die Formkonsistenz der Gewebe. Elemente der extrazellulären Matrix sind Fasern (wie Kollagenfasern, retikuläre Fasern, elastische Fasern) und Grundsubstanzen (wie Glykosaminoglykane, Proteoglykane, Adhäsionsproteine, Wasser, Elektrolyte).
  • 16
    Swerup C, and Rydqvist B (1996): A mathematical model of the crustacean stretch receptor neuron. Biomechanics of the receptor muscle, mechanosensitive ion channels, and macrotransducer properties. J Neurophysiol 76:2211–2220.
    Wilkinson RS, and Fukami Y (1983): Responses of isolated Golgi tendon organs of cat to sinusoidal stretch. J Neurophysiol 49:976–988.

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