Schröpfen bei Atemproblemen

Schröpfen

Lesedauer: 7 Minuten

In einem Beitrag des Massage Magazin (20. November 2023) beschreibt Lauren Lane, Körperarbeit- und Massagetherapeutin, unter dem Titel Unlock the Benefits of Cupping for Respiratory Health die Behandlung von Atemwegserkrankungen mit Hilfe von Schröpftherapie.

Hintergrund

Der American Lung Association zufolge, so Lauren Lane, haben mehr als 34 Millionen US-Amerikaner mit chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und Bronchitis zu kämpfen. Dazu kommt, Untersuchungen der Cystic Fibrosis Foundation zufolge, dass (geschätzt) jährlich etwa 40.000 US-Amerikaner an Mukoviszidose erkranken – einer erblichen und nicht heilbaren Stoffwechselerkrankung, bei der sich zäher Schleim in der Lunge sammelt und es zu chronischem Husten und häufigen Infektionen kommt.

Weiter führt sie aus, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, dass schlechte Körperhaltung zu einem gestörten Atemmuster führt – und dieses wiederum zu flacher Atmung, Kopfschmerzen, Angstzuständen, Kiefergelenksbeschwerden und einer verminderten Bewegungsfreiheit im Hals- oder Brustbereich. Radikalen Einfluss auf die Funktion unserer Lungen nehmen aber auch chronische Entzündungen. Durch sie wird insbesondere der Luftstrom verringert, die Atemwege strukturell verändert, Narbengewebe gebildet und das empfindliche Gleichgewicht der immunologischen Homöostase der Lunge gestört, was in weiterer Folge zu einem geschwächten Immunsystem führt. Und auch durch anhaltendes Husten können Entzündungen im umliegenden Muskelgewebe entstehen, durch die wiederum die Bewegungen von Blut, Lymphe, Sauerstoff und anderen lebenswichtigen Nährstoffen eingeschränkt werden.

Viele dieser Beeinträchtigungen schwächen die mukoziliäre Clearance1Mukoziliäre Clearance (Mucociliar Clearance, MCC) ist abgeleitet von mucus (lat. Schleim), Zilie (Flimmerzelle des Oberflächenepithels im Atmungstrakt) und clearance (engl. Reinigung) und wird auch als mukoziliärer Transport oder mukoziliäre Rolltreppe bezeichnet., den Selbstreinigungsmechanismus der Bronchien und damit eine wichtige Immunfunktion unseres Körpers.2Die Atemwege sind bis zu den Bronchioli terminales mit respiratorischen Flimmerepithel ausgekleidet, wobei die beweglichen Zilien die Atemwege wie ein dichter Rasen bedecken. Ihre koordinierte Bewegung ist in Richtung Rachen ausgerichtet. Dadurch werden der Bronchialschleim und in die Atemwege eingedrungene, kleinere Fremdkörper und Mikroorganismen ständig aus den Atemwegen befördert. Durch die Zusammenarbeit zwischen den Zilien und der Schleimhaut werden Bakterien, Viren und andere Krankheitserreger eingefangen und entfernt, wobei die klebrige, gelartige Konsistenz des Schleims, während er an den Zilien entlanggleitet, ideal ist, um fremde Mikroben, schädliche Partikel und andere pathogene Partikel „einzufangen“.3Hohe Luftfeuchtigkeit verbessert diese Funktion, woran vor allem in Heizperioden zu denken ist. Gesunde Zilien „schlagen rhythmisch gegeneinander“, um den Schleim in die oberen Atemwege zu drücken, wo er durch Husten oder Schlucken entfernt wird. Viele Atemwegserkrankungen stören diese unverzichtbare Funktion allerdings.4Bei der mukoziliären Clearance handelt es sich um einen der beiden Schutzmechanismen der Lunge, mit dem eingeatmete Partikel, einschließlich Krankheitserreger, entfernt werden, bevor sie das empfindliche Lungengewebe erreichen können. Der andere Reinigungsmechanismus wird durch den Hustenreflex bereitgestellt.

Verminderte Lungenfunktion und Haltungsschäden

Für eine funktionale Atmung ist auch die Körperhaltung von großer Bedeutung, Lauren Lane verweist hier vor allem auf eine Vorwärtskopfhaltung5Die Vorwärtskopfhaltung (Forward Head Posture, FHP) ist ein Zustand, bei dem der Schädel mehr als 2,5 cm über den Wirbel (Atlas) im Nacken, auf dem der Kopf ruht, hinausragt. In der nach vorne gerichteten Kopfhaltung kommt es zu einer Anterior-Kippung der Halswirbelsäule. Für jeden Zoll (1 Zoll entspricht 2,54 cm), den der Kopf auf den Schultern nach vorne bewegt, erhöht sich das Gewicht des Kopfes um mindestens 10 Pfund, was ca. 4,54 kg entspricht (Quelle: https://healthokay.info/vorwartskopfhaltung-ursachen-symptome-behandlung-ubungen). und ein unteres gekreuztes Syndrom6Beim unteren gekreuzten Syndrom handelt es sich um eine symptomatische Fehlhaltung, die auf einer muskulären Dysbalance beruht. Auf der einen Seite sind bestimmte Muskeln verkürzt, andere Muskeln hingegen sind – im Verhältnis zu den verkürzten Muskeln – abgeschwächt, was zu einer biomechanisch ungünstigen Position der Wirbelsäule führt. Weiterführende Infos z.B. beim Zentrum für Schmerzmedizin Ostschweiz: https://schmerz-med.ch/IMG/downloads/2_Unteres_gekreuztes_Syndrom-Version_23.01.2022.pdf., durch die die Tensegrität7Tensegrity (Tensegrität) ist ein englisches Kunstwort aus tension (Zugspannung) und integrity (Ganzheit, Zusammenhalt). Es bezeichnet die Richard Buckminster Fuller und Kenneth Snelson zugeschriebene Entdeckung eines stabilen Stabwerks, in dem sich die Stäbe untereinander nicht berühren, sondern lediglich durch Zugelemente (zum Beispiel Seile) miteinander verbunden sind. der Körperstruktur gestört wird – mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die Fähigkeit zu atmen.

Eine nach vorne geneigte Kopfhaltung ist, so führt Lauren Lane weiter aus, mehr als nur eine muskuloskelettale Dysfunktion. Vor allem, wenn wir dann auch noch nach unten schauen, wird die optimale Funktion der Atemwege beeinträchtigt. Und wenn sich die Schultern nach vorne wölben, wird der Brustkorb zusammengedrückt, die Bewegung der Rippen eingeschränkt und der Rumpf verkürzt. Dadurch wird der Raum, den Lunge und Zwerchfell für ihre Funktion benötigen, verringert und der intraabdominale Druck erhöht. Und die mit der Atmung verbundenen Muskeln verkürzen sich entweder adaptiv oder werden angespannt und überdehnt.8Lauren Lane verweist in diesem Zusammenhang auf das Zwerchfell, die Mm. scaleni, den M. sternocleidomastoideus, den M. pectoralis minor, den M. serratus und den M. quadratus lumborum, alles Muskeln, die die Atmung unterstützen, aber auch eine wichtige Rolle für die Körperhaltung spielen. Wenn es bei diesen Strukturen zu einem muskulären Ungleichgewicht kommt, verschlechtert sich die Atemfunktion und der betroffene Mensch leidet möglicherweise unter Kopfschmerzen, Kiefergelenksbeschwerden, eingeschränkter Hals- oder Brustwirbelsäulenbeweglichkeit, Rückenschmerzen und flacher Atmung.

Wie wirken Schröpfbehandlungen?

Im Laufe der Zeit wurden Schröpfgläser für viele Zwecke verwendet, unter anderem zur Entfernung von Giftstoffen sowie zur Linderung körperlicher und psychischer Schmerzen. Akupunkteur*innen und Ärzt*innen in anderen Kulturen verwenden Schröpfgläser seit Generationen zur Linderung von Husten und Erkältungen. Im Westen sind Schröpfgläser heute eher für ihre Fähigkeit bekannt, die Bewegungsfreiheit zu erhöhen und Muskelschmerzen zu lindern. Neuere Forschungen haben auch die Vorteile des Schröpfens für die Gesundheit der Atemwege aufgezeigt.

Um die Atemfunktion zu verbessern, so erläutert Lauren Lane, ist es am besten, den Atemraum zu vergrößern, wofür der Unterdruck beim Schröpfen perfekt geeignet ist, denn der Körper reagiert auf das Anheben von Muskeln durch das Vakuum der Schröpfgläser, indem er die reflexiven Mechanorezeptoren stimuliert und damit die Muskelspannung reduziert. Durch diese Behandlung haben die eingeschränkten Hilfsmuskeln im Brustkorb mehr Bewegungsfreiheit, um sich während der Einatmung besser auszudehnen. Zudem werden durch das Anheben und Dekomprimieren des Gewebes auch festsitzende und verklebte Faszien gelöst.

Durch Schröpfgläser wird das behandelte Gewebe dekomprimiert, was – als Reaktion des Körpers auf das durch das Schröpfen verursachte Mikrotrauma – zu einer Vasodilatation9Die Vasodilatation ist eine Weitstellung der Gefäße, d.h. eine Erhöhung des Gefäßquerschnitts, und führt dazu, dass die Durchblutung hinter dem betroffenen Gefäßabschnitt vergrößert wird. Ausgelöst wird die Vasodilatation durch eine Entspannung der (glatten) Gefäßmuskulatur oder auch lokal gebildete Mediatoren, wie z.B. Bradykinin, Acetylcholin und Endothelin. führt. Lauren Lane verweist in diesem Zusammenhang auf die Studie von Ren et al. (202210In der Studie von Ren Y, Qi L, Zhang L, Xu J, Ma J, Lv Y, Zhang Y, Wu R: Cupping alleviates lung injury through the adenosine/A2BAR pathway (Heliyon. 2022 Dec 5;8(12):e12141. doi: 10.1016/j.heliyon.2022.e12141. https://ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9761715/) wurde die schützende Wirkung des Schröpfens an Ratten mit akuter Lungenschädigung untersucht.), die bestätigt, dass durch Schröpfen Entzündungen und Ödeme reduziert werden, zudem auch der Zelltod. Eine weitere Studie (Li et al., 201611Li T, Li Y, Lin Y, Li K: Significant and sustaining elevation of blood oxygen induced by Chinese cupping therapy as assessed by near-infrared spectroscopy. Biomed Opt Express. 2016 Dec 12;8(1):223-229. doi: 10.1364/BOE.8.000223. https://ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5231294/.) weist darüber hinaus nach, dass therapeutisches Schröpfen die lokale Sauerstoffaufnahme und die hämodynamische Aktivität erhöht. Allerdings verbesserten sich zwar die Hämoglobinwerte durch Schröpfen, doch waren diese Verbesserungen nicht signifikant genug, um den Sauerstofffluss im Körper zu verbessern.

Eine weitere Wirkung therapeutischen Schröpfens ist die Förderung der Neovaskularisierung, d.h. die Neubildung von Gefäßen.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Mukoziliäre Clearance (Mucociliar Clearance, MCC) ist abgeleitet von mucus (lat. Schleim), Zilie (Flimmerzelle des Oberflächenepithels im Atmungstrakt) und clearance (engl. Reinigung) und wird auch als mukoziliärer Transport oder mukoziliäre Rolltreppe bezeichnet.
  • 2
    Die Atemwege sind bis zu den Bronchioli terminales mit respiratorischen Flimmerepithel ausgekleidet, wobei die beweglichen Zilien die Atemwege wie ein dichter Rasen bedecken. Ihre koordinierte Bewegung ist in Richtung Rachen ausgerichtet. Dadurch werden der Bronchialschleim und in die Atemwege eingedrungene, kleinere Fremdkörper und Mikroorganismen ständig aus den Atemwegen befördert.
  • 3
    Hohe Luftfeuchtigkeit verbessert diese Funktion, woran vor allem in Heizperioden zu denken ist.
  • 4
    Bei der mukoziliären Clearance handelt es sich um einen der beiden Schutzmechanismen der Lunge, mit dem eingeatmete Partikel, einschließlich Krankheitserreger, entfernt werden, bevor sie das empfindliche Lungengewebe erreichen können. Der andere Reinigungsmechanismus wird durch den Hustenreflex bereitgestellt.
  • 5
    Die Vorwärtskopfhaltung (Forward Head Posture, FHP) ist ein Zustand, bei dem der Schädel mehr als 2,5 cm über den Wirbel (Atlas) im Nacken, auf dem der Kopf ruht, hinausragt. In der nach vorne gerichteten Kopfhaltung kommt es zu einer Anterior-Kippung der Halswirbelsäule. Für jeden Zoll (1 Zoll entspricht 2,54 cm), den der Kopf auf den Schultern nach vorne bewegt, erhöht sich das Gewicht des Kopfes um mindestens 10 Pfund, was ca. 4,54 kg entspricht (Quelle: https://healthokay.info/vorwartskopfhaltung-ursachen-symptome-behandlung-ubungen).
  • 6
    Beim unteren gekreuzten Syndrom handelt es sich um eine symptomatische Fehlhaltung, die auf einer muskulären Dysbalance beruht. Auf der einen Seite sind bestimmte Muskeln verkürzt, andere Muskeln hingegen sind – im Verhältnis zu den verkürzten Muskeln – abgeschwächt, was zu einer biomechanisch ungünstigen Position der Wirbelsäule führt. Weiterführende Infos z.B. beim Zentrum für Schmerzmedizin Ostschweiz: https://schmerz-med.ch/IMG/downloads/2_Unteres_gekreuztes_Syndrom-Version_23.01.2022.pdf.
  • 7
    Tensegrity (Tensegrität) ist ein englisches Kunstwort aus tension (Zugspannung) und integrity (Ganzheit, Zusammenhalt). Es bezeichnet die Richard Buckminster Fuller und Kenneth Snelson zugeschriebene Entdeckung eines stabilen Stabwerks, in dem sich die Stäbe untereinander nicht berühren, sondern lediglich durch Zugelemente (zum Beispiel Seile) miteinander verbunden sind.
  • 8
    Lauren Lane verweist in diesem Zusammenhang auf das Zwerchfell, die Mm. scaleni, den M. sternocleidomastoideus, den M. pectoralis minor, den M. serratus und den M. quadratus lumborum, alles Muskeln, die die Atmung unterstützen, aber auch eine wichtige Rolle für die Körperhaltung spielen. Wenn es bei diesen Strukturen zu einem muskulären Ungleichgewicht kommt, verschlechtert sich die Atemfunktion und der betroffene Mensch leidet möglicherweise unter Kopfschmerzen, Kiefergelenksbeschwerden, eingeschränkter Hals- oder Brustwirbelsäulenbeweglichkeit, Rückenschmerzen und flacher Atmung.
  • 9
    Die Vasodilatation ist eine Weitstellung der Gefäße, d.h. eine Erhöhung des Gefäßquerschnitts, und führt dazu, dass die Durchblutung hinter dem betroffenen Gefäßabschnitt vergrößert wird. Ausgelöst wird die Vasodilatation durch eine Entspannung der (glatten) Gefäßmuskulatur oder auch lokal gebildete Mediatoren, wie z.B. Bradykinin, Acetylcholin und Endothelin.
  • 10
    In der Studie von Ren Y, Qi L, Zhang L, Xu J, Ma J, Lv Y, Zhang Y, Wu R: Cupping alleviates lung injury through the adenosine/A2BAR pathway (Heliyon. 2022 Dec 5;8(12):e12141. doi: 10.1016/j.heliyon.2022.e12141. https://ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9761715/) wurde die schützende Wirkung des Schröpfens an Ratten mit akuter Lungenschädigung untersucht.
  • 11
    Li T, Li Y, Lin Y, Li K: Significant and sustaining elevation of blood oxygen induced by Chinese cupping therapy as assessed by near-infrared spectroscopy. Biomed Opt Express. 2016 Dec 12;8(1):223-229. doi: 10.1364/BOE.8.000223. https://ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5231294/.

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