Schrievers, Joachim et al.: Shiatsu als Weg in die Achtsamkeitspraxis
Ergebnisse zu These 1 (Positive Wirkung der Behandlung auf das Befinden)
Am hilfreichsten, so die statistische Auswertung des Projekts, zeigte sich die Shiatsu-Behandlung (75% sehr hilfreich, 26“ hilfreich), gefolgt vom begleitenden Gespräch (64% sehr hilfreich, 30% hilfreich), der Achtsamkeitsübung „4 Anker“ im Liegen (44% sehr hilfreich, 56% hilfreich) und achtsamem Nachspüren (39% sehr hilfreich, 52% hilfreich).
- Im Perceived Stress Questionnaire (PSQ) zeigen sich signifikante Verbesserungen im Gesamtstresswert ebenso wie in den Unterkategorien zwischen den Messpunkten 1 (Beginn der Studie) und 3 (Ende der Behandlungen) bzw. 4 (vier Wochen nach Beendigung der Behandlungen)1Hingegen zeigten sich kaum Unterschiede zwischen den Messzeitpunkten 2 (Mitte der Behandlungen) und 4 oder auch 3 und 4. – mit Ausnahme der Unterkategorie Freude, wo sich zwischen den Messzeitpunkten 1 und 3 keine signifikante Unterschiede finden lassen. Insgesamt zeigen sich eine kontinuierliche Abnahme der Werte von Messzeitpunkt 1 zu 4 bei Gesamtstress, Sorgen, Anspannung und Anforderungen sowie eine kontinuierliche Zunahme der Werte bei Freude.
- Im WHO-5 zeigen sich eine signifikante Verbesserungen im Wohlbefinden zwischen den Ausgangswerten und allen anderen Messzeitpunkten.
- Der Tedium Measure (TM) zeigt eine kontinuierliche Abnahme der Burnout-Gefährdung, signifikant ist allerdings nur der prä-post-Vergleich, d.h. der Vergleich zwischen den Werten bei Beginn und Beendigung der Behandlungen.
- Im Mindful Attention and Awareness Scale (MAAS) zeigen sich signifikante Unterschiede in der generellen Achtsamkeit zwischen den Messzeitpunkten 1 (Beginn) und 3 (Ende der Behandlungen) bzw. 4 (vier Wochen nach dem Behandlungsende).
- Im Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit (FFA) unterscheiden sich nur die Werte zwischen den Messzeitpunkten 1 und 3 signifikant. Während die Unterkategorie Präsenz keinerlei Signifikanzen aufweist, unterscheiden sich die Werte der Akzeptanz sowohl zwischen Messzeitpunkt 1 und 3 sowie zwischen Messzeitpunkt 1 und 4 signifikant.
- Insgesamt lässt sich ein kontinuierlicher Anstieg aller Achtsamkeitswerte (MAAS, FFA und Unterkategorien) von Messzeitpunkt 1 zu 4 erkennen.
Ergebnisse zu These 2 (Achtsamkeit verstärkt die Wirkung von Shiatsu)
Generell zeigt sich ein signifikanter Einfluss der generellen Achtsamkeit (MAAS-Durchschnittswert über alle Messzeitpunkte hinweg) auf die Wirkung von Shiatsu-Behandlungen, doch weder bei den Gesamtstresswerten noch bei den Unterkategorien lässt sich im PSQ (Perceived Stress Questionnaire) ein Einfluss der Achtsamkeit der ProbandInnen auf die Wirkung erkennen. Ein beinahe signifikanter Einfluss der Achtsamkeit lässt sich auf das psychische Wohlbefinden (WHO-5) nachweisen: Je achtsamer die Teilnehmer*innen sind, desto größer sind die Werte des psychischen Wohlbefindens und desto stärker steigen diese im Verlauf der Behandlungen an.
Signifikant ist der Einfluss der Achtsamkeit auf die Burnout-Gefährdung im Tedium Measure (TM): Je achtsamer die Proband*innen sind, desto niedriger sind die Werte der Burnout-Gefährdung und desto stärker nehmen diese im Verlauf der Behandlung weiter ab. Allerdings beeinflusst die Achtsamkeit der Teilnehmer*innen den achtsamen Umgang mit sich selbst, sowie die Fähigkeit der Akzeptanz und der Präsenz nicht signifikant. Dennoch lässt sich eine Einflussrichtung erkennen: Je achtsamer die Proband*innen zu Beginn der Behandlung generell sind, desto stärker entwickeln sie auch einen achtsamen Umgang mit sich selbst, eine akzeptierende Haltung sowie mehr Präsenz.
Zudem unterscheidet sich die Nachhaltigkeit der Effekte je nach Achtsamkeit: Weniger achtsame Proband*innen zeigen im Follow-Up vier Wochen nach Behandlungsende schlechtere Werte des psychischen Wohlbefindens, der Burnout-Gefährdung, sowie des achtsamen Umgangs mit sich selbst als am Ende der Behandlung, während die Werte bei achtsameren Proband*innen stabil bleiben oder sich weiter verbessern.
Ergebnisse zu These 3 (Achtsamkeitsübungen verstärken die Wirkung von Shiatsu)
Weder bei den Gesamtstresswerten noch bei den Unterkategorien des PSQ zeigt sich ein signifikanter Einfluss der Achtsamkeitsübungen, auch nicht auf psychisches Wohlbefinden (WHO-5) und Burnout-Gefährdung (TM).
Auch auf die Achtsamkeit der Studienteilnehmer*innen haben die zusätzlichen Übungen keinen signifikanten Einfluss: Der Einfluss auf die generelle Achtsamkeit ist eindeutig nicht signifikant, wohingegen der Einfluss auf den achtsamen Umgang mit sich selbst sowie die Entwicklung von Akzeptanz und Präsenz (FFA) nur knapp nicht signifikant ist.
Ergebnisse zu These 4 (Achtsamkeitsübungen in Kombination mit Shiatsu wirken schneller, intensiver und nachhaltiger als MBSR)
Zum Vergleich mit der Wirkung gängiger MBSR-Programme dienen die Ergebnisse einer aktuellen MetaAnalyse von Khoury et al.2Khoury, B., Sharma, M., Rush, S. E., & Fournier, C. (2015). Mindfulness-based stress reduction for healthy individuals: a meta-analysis. Journal of psychosomatic research, 78(6), 519-528. Diese betrachtet die Wirksamkeit von MBSR bei gesunden Menschen in 29 Studien mit insgesamt 2668 Studienteilnehmer*innen, überwiegend erwachsenen Frauen mit einem Durchschnittsalter von 37 Jahren. Neben anderen Messgrößen werden auch Werte zu Stress, Burnout und Achtsamkeit berechnet.
Dabei ergeben sich signifikante Unterschiede im Prä-post-Vergleich der Interventionen mit starken Effektstärken im Hinblick auf Stress, signifikante Unterschiede mit schwachen Effektstärken im Hinblick auf Burnout sowie signifikante Unterschiede mit mittleren Effektstärken im Hinblick auf Achtsamkeit.
Wirkfaktoren der Behandlung
Auf der körperlichen (24 Angaben) und der emotionalen Ebene (21 Angaben) beschreiben die Teilnehmer*innen ein positives Wohlbefinden durch die Behandlungen. Sie genießen die Aufmerksamkeit und die Berührungen der Behandler*innen (14 Angaben), womit häufig die Beschreibung von Geborgenheit einhergeht.
Die Behandlungen führten bei den Proband*innen zur Empfindung von Ruhe (18 Angaben) und Entspannung (32 Angaben), welche sich sowohl als kurzfristige Folge der Sitzung einstellt, als auch über den Zeitraum der Behandlungen hinweg zu mehr Gelassenheit und Achtsamkeit führt.
Ein weiterer Punkt ist die Sensibilisierung des Körperbewusstseins (32 Angaben): Während der Behandlung nehmen die Teilnehmer*innen ihren Körper generell intensiver wahr und schildern zudem spezifische körperliche Empfindungen wie das Empfinden von Leichtigkeit, Lockerheit oder auch Schwere (21 Angaben), ein angenehmes Wärme- (19 Angaben) oder seltener Kälteempfinden (4 Angaben), das Empfinden von Kribbeln und Aktivität im Körper (15 Angaben) sowie eine aufkommende Müdigkeit (13 Angaben). Zudem wird mehrmals das Gefühl von Erdverbundenheit (13 Angaben) genannt, das Empfinden von Fließen und Weite im eigenen Körper (11 Angaben) sowie das Gefühl von Ganzheit (8 Angaben). Zudem führt die Behandlung in einigen Fällen zum Gefühl von körperlicher Ausgeglichenheit (7 Angaben) oder Lebendigkeit (5 Angaben).
Als meist längerfristige Veränderung über die Behandlung hinweg wurde mehrmals eine Linderung von Schmerzen und Beschwerden (7 Angaben) beschrieben, als akute aber auch langfristige Folge der Behandlung die Anregung des Magen-Darm-Traktes bzw. die Linderung von Bauchbeschwerden (6 Angaben), eine Lockerung muskulärer Anspannungen (6 Angaben) sowie verbesserter Schlaf (5 Angaben).
Neben den körperlichen Auswirkungen führten die Behandlungen auch zu emotionalen Veränderungen bei den Teilnehmer*innen. So weisen etliche Kommentare (21) darauf hin, dass die Behandlung die Verarbeitung von emotionalen Themen anstößt. Zudem wurde deutlich, dass die Proband*innen durch die Teilnahme größere emotionale Klarheit erlangten (16 Angaben), sich selbst und ihre Bedürfnisse besser wahrnehmen können (11x), sich selbst besser steuern bzw. gelassener und achtsamer mit sich selbst umgehen können (13 Angaben).
Die beteiligten Praktiker*innen berichteten ebenfalls von viel positiver Rückmeldung. In vielen Fällen empfanden sie eine Änderung im Gesprächsverhalten ihrer Klient*innen ab der Mitte der Behandlungsserie.
In der abschließenden Bewertung der Studiendurchführung durch die Teilnehmer*innen wurden die Zahl der Behandlungstermine, die Behandlungsbeziehung, das Behandlungsumfeld sowie die Achtsamkeit und Kompetenz des*der Behandler*in überwiegend sehr gut bewertet. Gut bis sehr gut bewertet wurden von den meisten Proband*innen auch der Abstand der Behandlungstermine, die Unterlagen und die Übungen.
In der Follow-Up-Erhebung, durchschnittlich knapp vier Wochen nach Abschluss der Behandlungen, geben alle 22 Probanden, die noch einbezogen werden konnten, an, die Achtsamkeitsübungen gut bzw. eher gut in ihren Alltag integrieren zu können. Allerdings nur fünf Teilnehmer*innen gaben an, weiterhin zumindest ca. einmal im Monat Shiatsu-Behandlungen zu erhalten, fünf weitere seltener als einmal im Monat.
Zusammenfassung und Ausblick
Auf Grund der geringen Anzahl an Proband*innen besitzen die Ergebnisse keine große statistische Aussagekraft, zeigen aber positive Tendenzen, die in einer nachfolgenden, größeren und auf mehrere Länder ausgedehnten Nachfolgestudie überprüft werden sollen.
Anmerkungen/Fußnoten
- 1Hingegen zeigten sich kaum Unterschiede zwischen den Messzeitpunkten 2 (Mitte der Behandlungen) und 4 oder auch 3 und 4.
- 2Khoury, B., Sharma, M., Rush, S. E., & Fournier, C. (2015). Mindfulness-based stress reduction for healthy individuals: a meta-analysis. Journal of psychosomatic research, 78(6), 519-528.
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