Massagen erweisen sich als wirksam in der Primärversorgung von Patient*innen mit chronischen Schmerzen im unteren Rücken

Schmerzen im unteren Rücken

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Nachdem Massagen in klinischen Studien ihre Wirksamkeit bei der Behandlung von chronischen Schmerzen im unteren Rücken (Kreuzschmerzen) nachweisen konnten, rückte die Forderung nach Studien in den Fokus, die reale Praxissituationen abbilden. Diese sollten sowohl die Grundversorgung einbeziehen – etwa durch Empfehlungen von Hausärzt*innen – als auch die tatsächliche Anwendung durch erfahrene Massage-Therapeut*innen, die ihr gesamtes Methodenrepertoire nutzen.

In diesem Zusammenhang untersuchte die Studie von Elder et al. (20171William G. Elder, Niki Munk, Margaret M. Love, Geza G. Bruckner, Kathryn E. Stewart, Kevin Pearce, Real-World Massage Therapy Produces Meaningful Effectiveness Signal for Primary Care Patients with Chronic Low Back Pain: Results of a Repeated Measures Cohort Study, Pain Medicine, Volume 18, Issue 7, July 2017, Pages 1394 – 1405, https://doi.org/10.1093/pm/pnw347.) die Effektivität von Massagen in „realen Welt“-Bedingungen. Die Ergebnisse zeigen, dass etwa 50 Prozent der Patient*innen eine klinisch relevante Verbesserung ihrer Beschwerden erfuhren.

Hintergrund

Schmerzen im unteren Rückenbereich gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen und sind in den USA eine der Hauptursachen für durch Behinderung verlorene Lebensjahre. Während sich die Beschwerden bei den meisten Betroffenen rasch bessern, leidet etwa ein Drittel an anhaltenden Rückenschmerzen und rund 15 % entwickeln chronische Schmerzen im unteren Rückenbereich, die oft mit erheblichen körperlichen Einschränkungen verbunden sind.

Randomisierte kontrollierte Studien, Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten belegen die Wirksamkeit klinischer Massagetherapien2Als klinische Massagetherapie definieren die Autor*innen Massagen, die von ausgebildeten Massagetherapeut*innen in einem professionellen und therapeutischen Umfeld durchgeführt werden, um Gesundheit und Funktionsfähigkeit zu optimieren. bei solchen Beschwerden. Allerdings weist eine 2015 von Furlan et al.3Furlan AD, Giraldo M, Baskwill A, Irvin E, Imamura M. (2015): Massage for low-back pain. Cochrane Database Syst Rev 2015. https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD001929.pub3/full. durchgeführte Metaanalyse auf methodische Schwächen in der Massageforschung hin. Zudem äußerten die Autor*innen von Behandlungsrichtlinien für chronische Kreuzschmerzen Bedenken: Die Wirksamkeit von Massagen in der Primärversorgung wurde bislang nicht ausreichend untersucht. Auch bleibt unklar, inwieweit Massagen, die in realen klinischen Umgebungen angewendet werden, mit den bisher in kontrollierten Studien getesteten Ansätzen übereinstimmen.

Konzeption und Design der Studie

Die Untersuchung wurde als Pilot- und Machbarkeitsstudie durchgeführt, um erste Erkenntnisse über die praktische Anwendbarkeit und potenziellen Nutzen von Massagen bei Patient*innen mit chronischen unteren Rückenschmerzen zu gewinnen, die auf Empfehlung ihrer Hausärzt*innen teilnehmen. Ziel war es, die Ergebnisse deskriptiv mit etablierten klinisch bedeutsamen Schwellenwerten zu vergleichen und so die Relevanz von Massagen in einer realen Versorgungssituation zu bewerten. Eine Kontrollgruppe wurde in diesem Design nicht berücksichtigt.

Alle Teilnehmenden erhielten insgesamt zehn kostenlose Massagesitzungen, die von erfahrenen, lizenzierten Massagetherapeut*innen mit mindestens fünf Jahren Berufspraxis durchgeführt wurden. Es wurde erwartet, dass die Behandlungen positiv aufgenommen würden und einen gesundheitlichen Nutzen mit sich bringen könnten.

Im Mittelpunkt der Studie stand die Bewertung der Auswirkungen von Massagen auf Schmerzen, Behinderungen und die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Patient*innen. Die verwendeten Messinstrumente waren der Oswestry Disability Index (ODI)4Der Oswestry Disability Index (ODI), auch Oswestry Low Back Pain Disability Questionnaire, dient der Bewertung des Ausmaßes von Funktionseinschränkungen, die durch Kreuzschmerzen verursacht werden. Mithilfe dieses Fragebogens lässt sich die allgemeine Funktionsfähigkeit einer Person im Alltag beurteilen, um die Auswirkungen der Schmerzen auf tägliche Aktivitäten wie Gehen, Sitzen, Arbeiten oder Schlafen besser zu verstehen. Der ODI ist ein wichtiges Instrument, um den Schweregrad von Einschränkungen zu dokumentieren und den Verlauf oder die Effektivität von Behandlungen zu beurteilen. und der Medical Outcomes Study 36-Item Short Form, Version 2 (SF-36v2).5Der SF-36 ist ein umfassendes, strukturiertes Instrument zur Messung der Lebensqualität, das auf Selbstauskünften der Patient*innen basiert. Es umfasst acht Dimensionen, darunter körperliche Funktionen, allgemeiner Gesundheitszustand und psychisches Wohlbefinden. Aufgrund seiner einfachen Anwendung und hohen Akzeptanz findet der SF-36 in vielen Bereichen der Gesundheitsforschung und klinischen Praxis breite Anwendung. Der ODI erfasst schmerzbedingte funktionale Einschränkungen, der SF-36v2 misst ergänzend dazu die Lebensqualität. Daten wurden zu Beginn der Studie sowie nach 12 und 24 Wochen erhoben6Die erste Nachuntersuchung erfolgte damit direkt nach der Behandlungsserie, die zweite Nachuntersuchung 12 Wochen nach dem Ende der Behandlungen. Nach Abschluss jeder Datenerhebung erhielten die Teilnehmer*innen einen Geschenkgutschein im Wert von 25 $.. Zusätzlich analysierte die Studie, inwiefern klinisch signifikante Verbesserungen erzielt wurden und welche Patientenmerkmale potenziell prädiktiv für positive Behandlungsergebnisse sein könnten.

Studienteilnehmer*innen

Patient*innen mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen7Schmerzen im Lenden- oder Kreuzbeinbereich, die drei Monate oder länger anhalten. mussten vom Hausarzt überwiesen werden und nachfolgende Einschlusskriterien erfüllen:

  • chronische Kreuzschmerzen
  • Patient*in seit mindestens 3 Monaten in überweisender Praxis
  • Besuch bei einem teilnehmenden Erstversorger während des Überweisungszeitraums der Studie (Besuch aus beliebigem Grund)
  • mindestens 21 Jahre alt und mindestens noch mehr als 6 Monate Lebenserwartung

Ausschlusskriterien waren:

  • schwanger zum Zeitpunkt der Überweisung
  • aktuelle oder frühere psychotische Episode
  • Vorliegen einer nicht konsolidierten Fraktur8Knochenbruch, der nicht wie erwartet verheilt ist., einer tiefen Venenthrombose oder einer fortgeschrittenen Osteoporose
  • Massage in den letzten sechs Monaten aus beliebigem Grund (Spa-Besuche und/oder gelegentliche Massagen waren akzeptabel)
  • Kontraindikationen für Massage, wie Hautwunden oder -infektionen, Ekzeme, aktiver Krebstumor, fortgeschrittene Nierenerkrankung

Überweisende Hausärzt*innen

Praxisstandorte wurden per Zufallsprinzip ausgewählt und Hausärzt*innen aus 18 Praxen (14 davon Gemeinschaftspraxen) wurden über die Studie aufgeklärt und eingeladen, „passende“ Patient*innen für die Studie zu überweisen. Zu den Praxisstandorten gehörten vier ländliche Standorte (alles Gemeinschaftspraxen) und eine große akademische medizinische Einrichtung. Das Studienteam besuchte jede Praxis, um die Hausärzt*innen und das Personal zu schulen, einschließlich einer 20-minütigen Besprechung der Massage sowie deren Risiken und Nutzen.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    William G. Elder, Niki Munk, Margaret M. Love, Geza G. Bruckner, Kathryn E. Stewart, Kevin Pearce, Real-World Massage Therapy Produces Meaningful Effectiveness Signal for Primary Care Patients with Chronic Low Back Pain: Results of a Repeated Measures Cohort Study, Pain Medicine, Volume 18, Issue 7, July 2017, Pages 1394 – 1405, https://doi.org/10.1093/pm/pnw347.
  • 2
    Als klinische Massagetherapie definieren die Autor*innen Massagen, die von ausgebildeten Massagetherapeut*innen in einem professionellen und therapeutischen Umfeld durchgeführt werden, um Gesundheit und Funktionsfähigkeit zu optimieren.
  • 3
    Furlan AD, Giraldo M, Baskwill A, Irvin E, Imamura M. (2015): Massage for low-back pain. Cochrane Database Syst Rev 2015. https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD001929.pub3/full.
  • 4
    Der Oswestry Disability Index (ODI), auch Oswestry Low Back Pain Disability Questionnaire, dient der Bewertung des Ausmaßes von Funktionseinschränkungen, die durch Kreuzschmerzen verursacht werden. Mithilfe dieses Fragebogens lässt sich die allgemeine Funktionsfähigkeit einer Person im Alltag beurteilen, um die Auswirkungen der Schmerzen auf tägliche Aktivitäten wie Gehen, Sitzen, Arbeiten oder Schlafen besser zu verstehen. Der ODI ist ein wichtiges Instrument, um den Schweregrad von Einschränkungen zu dokumentieren und den Verlauf oder die Effektivität von Behandlungen zu beurteilen.
  • 5
    Der SF-36 ist ein umfassendes, strukturiertes Instrument zur Messung der Lebensqualität, das auf Selbstauskünften der Patient*innen basiert. Es umfasst acht Dimensionen, darunter körperliche Funktionen, allgemeiner Gesundheitszustand und psychisches Wohlbefinden. Aufgrund seiner einfachen Anwendung und hohen Akzeptanz findet der SF-36 in vielen Bereichen der Gesundheitsforschung und klinischen Praxis breite Anwendung.
  • 6
    Die erste Nachuntersuchung erfolgte damit direkt nach der Behandlungsserie, die zweite Nachuntersuchung 12 Wochen nach dem Ende der Behandlungen. Nach Abschluss jeder Datenerhebung erhielten die Teilnehmer*innen einen Geschenkgutschein im Wert von 25 $.
  • 7
    Schmerzen im Lenden- oder Kreuzbeinbereich, die drei Monate oder länger anhalten.
  • 8
    Knochenbruch, der nicht wie erwartet verheilt ist.

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