Massagebehandlungen wirken signifikant schmerzlindernd nach Operationen

Eine 2022 veröffentlichte Metaanalyse von 33 randomisierten und kontrollierten Studien (RCTs) von Chunhua Liu, Xiang Chen und Simin Wu1Chunhua Liu, Xiang Chen, Simin Wu (2022): The effect of massage therapy on pain after surgery: A comprehensive meta-analysis. Complementary Therapies in Medicine, Volume 71, 2022. https://doi.org/10.1016/j.ctim.2022.102892. belegt, dass Massage-Behandlungen2Die Originalarbeit spricht von Massage-Therapie. postoperative Schmerzen wirksam reduzieren – sowohl kurz- als auch langfristig und unabhängig von der Art der Operation und der Art der Schmerzen.

Hintergrund

Postoperative Schmerzen sind ein großes Problem bei der Genesung nach einer Operation und haben sich in vielen Bereichen der Medizin zu einem wichtigen Ziel der Gesundheitsversorgung entwickelt3Die Autor*innen sprechen von weltweit mehr als 280 Millionen Eingriffen, wie z.B. Gelenkersatz, kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Eingriffe sowie Krebsoperationen, wobei postoperative Schmerzen oft schlecht kontrolliert und unzureichend behandelt werden 3vgl. J.C. Kalkman, K. Visser, J. Moen, J.G. Bonsel, E.D. Grobbee, M.K.G. Moons: Preoperative prediction of severe postoperative pain. Pain, 105 (2003), S. 415-423; K. Radinovic, Z. Milan, L. Markovic-Denic, E. Dubljanin-Raspopovic, B. Jovanovic, V. Bumbasirevic: Predictors of severe pain in the immediate postoperative period in elderly patients following hip fracture surgery. Injury, 45 (2014), S. 1246-1250; M. Sommer, J.M. de Rijke, M. van Kleef et al.: The prevalence of postoperative pain in a sample of 1490 surgical inpatients. Eur J Anaesthesiol, 25 (2008), S. 267-274].. Eine unzureichende postoperative Schmerzkontrolle ist problematischerweise mit einer schlechten Prognose verbunden, einschließlich längerer Krankenhausaufenthalte, Schlafstörungen, längerer Zeit bis zur Wiederaufnahme von Aktivitäten und einem erhöhten Einsatz von Opioiden. Traditionelle analgetische (schmerzlindernde) Maßnahmen mit Medikamenten (z.B. Opioide) verfehlen oft nicht nur die gewünschte Wirkung, sondern verursachen zudem auch vielfältige somatische und psychologische Folgen einschließlich depressiver Störungen, Angstzustände, Schlafstörungen, sexueller Dysfunktion und Delirium.4Die Autor*innen zitieren S. Attias, K. Sivan, O. Avneri et al.: Analgesic effects of reflexology in patients undergoing surgical procedures: a randomized controlled trial. J Alter Complement Med, 24 (2018), S. 809-815 und C. Els, T.D. Jackson, D. Kunyk et al.: Adverse events associated with medium- and long-term use of opioids for chronic non-cancer pain: an overview of cochrane reviews. Cochrane Database Syst Rev, 10 (2017). Aus diesem Grund werden alternative Therapieansätze5Z.B. Massage, Akupunktur, Körper- und Psychotherapie und Entspannungstherapie. von mehreren Fachverbänden, wie z.B. der American Society of Clinical Oncology, dem National Comprehensive Cancer Network und der Society of Critical Care Medicine (SCCM) gemeinsam mit traditionellen Therapien zur Schmerzbekämpfung befürwortet.6Die Autor*innen zitieren J. Barr, G.L. Fraser, K. Puntillo et al.: Clinical practice guidelines for the management of pain, agitation, and delirium in adult patients in the intensive care unit. Crit Care Med, 41 (2013), S. 263-306; S.D. Clark, B.A. Bauer, S. Vitek, S.M. Cutshall: Effect of integrative medicine services on pain for hospitalized patients at an academic health center. Explore, 15 (2019), S. 61-64 und H. Tick, A. Nielsen, K.R. Pelletier et al.: Evidence-based nonpharmacologic strategies for comprehensive pain care: the consortium pain task force white paper. Explore, 14 (2018), S. 177-211.

Die Wirkung von Massage auf Schmerzen und/oder Angstzustände nach einer Operation erfasst die Metastudie von Kukimoto (20177Y. Kukimoto, N. Ooe, N. Ideguchi: The effects of massage therapy on pain and anxiety after surgery: a systematic review and meta-analysis. Pain Manag Nurs, 18 (2017), S. 378-390.), die zehn Studien umfasst und zum Schlus kommmt, dass Massagebehandlungen bei postoperativen Schmerzen einen kurzfristigen positiven Effekt haben und auch Teil eines multimodalen Schmerzbehandlungssystems sein könnten.8Die vorliegenden Studien waren, so die Autor*innen sehr heterogen, wobei sechs Studien die Auswirkungen einer einmaligen Massagetherapie mit einer Dauer von 10-20 Minuten auf postoperative Schmerzen untersuchte. Der Gesamteffekt der Behandlung wurde dabei als positiv beschrieben. Desweiteren führen die Autor*innen an, dass es ihres Wissens nur zwei systematische Übersichten gibt, in denen die Auswirkungen von Massagen oder Berührungen auf Patent*innen in der Akut- oder Intensivpflege untersucht wurden: Papathanassoglou ED, Mpouzika MD. Interpersonal touch: physiological effects in critical care. Biol Res Nurs. 2012 Oct;14(4):431-43. doi: 10.1177/1099800412451312. Epub 2012 Jul 6. PMID: 22773451, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22773451/ und KC Richards, R Gibson & AL Overton-McCoy: Effects of massage in acute and critical care. AACN Clinical Issues Advanced Practice in Acute and Critical Care 11(1):77-96, März 2000, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK68452/. Dennoch fehle es, so die Studienautor*innen, noch immer an einem umfassenden Verständnis der Auswirkungen von Massage auf die postoperative Schmerzkontrolle bei verschiedenen chirurgischen Eingriffen. Bislang sei zudem unklar, wie sich Dosis und Dauer der Massage auf die postoperative Schmerzlinderung auswirken, und auch der langfristige Nutzen von Massagebehandlungen wurde noch nicht hinreichend untersucht.9Darüber hinaus beschränkten sich frühere Meta-Analysen meist auf Herzoperationen, andere Arten von Operationen wurden nicht analysiert.

Studienfragen

  • Sind Massagebehandlungen bei der Verringerung postoperativer Schmerzen sowohl bei der unmittelbaren als auch bei der späteren Beurteilung wirksam? 
  • Gibt es einen Dosierungseffekt?
  • Hat die Dauer der Massagebehandlungen einen Einfluss auf die Wirksamkeit?
  • Zeigt sich die Wirkung von Massagebehandlungen bei verschiedenen chirurgischen Eingriffen in gleicher Weise?
  • Gibt es Unterschiede in der Wirkung verschiedener Arten von Massagebehandlungen? 
  • Gibt es einen Unterschied in der Wirkung von Massagebehandlungen bei Kindern und Erwachsenen?

Studiendesign

Für die vorliegende Metaanalyse wurden drei Datenbanken (PubMed, Embase und Cochrane Central Register of Controlled Trials) auf entsprechende Studien durchsucht.10Es wurden bei der Suche drei Kriterien angewendet: Klinischer Zustand (pain*/postoperative pain, analgesi*), Intervention (massage, massag*, therapeutic therapy, therapeutic touch, reflexology therapy, acupressure therapy, myotherapy, rolfing therapy, reiki therapy, polarity and therapy, jin and shin therapy, neuromuscular therapy, pfrimmer and therapy, alexander technique, feldenkrais and method, myofascial release, shiatsu or tui na, trigger point, therapeutic touch, therapeutic therapy, trigger point) und Studientyp randomized clinical trial). Ergänzend wurde auch eine manuelle Suche in den in der veröffentlichten Literatur aufgeführten Referenzen durchgeführt, wobei nur Studien einbezogen wurden, die folgende Kriterien erfüllten:11Die Eignung der gefundenen Studien wurde manuell von zwei Forscher*innen überprüft, bei Unstimmigkeiten wurde ein*e dritte Forscher*in einbezogen. Die Qualität der Studien wurde anhand des von der Cochrane Collaboration entwickelten Instruments zur Bewertung des Verzerrungsrisikos (gering, hoch, unklar) bewertet.

  • Randomisierte klinische Studien (RCTs, randomized clinical trials) in englischer Sprache
  • Patient*innen, die sich einem chirurgischen Eingriff unterzogen haben, ohne Einschränkungen in Bezug auf Teilnehmer, Geschlecht, Rasse oder Art des Eingriffs
  • Eingeschlossene Interventionen: Massagetherapie (manuell oder mit Instrumenten, manuelle Lymphdrainage oder Kombinationsbehandlungen für Patient*innen nach einer Operation.12Ausgeschlossen wurden gemäß der verwendeten Definition von Massagetherpaie als Manipulation von Weichteilen, die körperlichen Kontakt erfordert, Reiki-Behandlungen, therapeutische Berührung und therapeutische Berührung ohne Körperkontakt, Reflexzonenmassage und Shiatsu (letztere, weil sie – den Autor*innen zufolge – „trigger points“ stimulieren).
  • Eines der Studienergebnisse war die Schmerzbewertung, unabhängig von der verwendeten Skala.13Zudem konnte es eine oder mehrere Interventionsgruppen geben und die Kontrollgruppe bestand aus Personen, die Routinepflege, Ruhe, Entspannung, physikalische Therapie, Gespräche von Angesicht zu Angesicht und unechte Masssagebehandlungen erhielten (Studien, die Massage als Kontrollgruppe verwendeten, wie z.B. Massage vs. Massage plus Akupunktur, wurden ausgeschlossen.)

In Untergruppenanalysen wurden potenzielle Quellen der Heterogenität untersucht, wie z.B. der der Bewertung (sofortige Bewertung versus verzögerte Bewertung), die Dosierung (einmalig versus mehrfach), die Dauer (20 Minuten als Grenzwert) und die Art der Massagebehandlungen sowie die Art des chirurgischen Eingriffs (Herzchirurgie, Kaiserschnitt, orthopädische Chirurgie) und die Studienpopulation (Erwachsene versus Kinder).

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Chunhua Liu, Xiang Chen, Simin Wu (2022): The effect of massage therapy on pain after surgery: A comprehensive meta-analysis. Complementary Therapies in Medicine, Volume 71, 2022. https://doi.org/10.1016/j.ctim.2022.102892.
  • 2
    Die Originalarbeit spricht von Massage-Therapie.
  • 3
    Die Autor*innen sprechen von weltweit mehr als 280 Millionen Eingriffen, wie z.B. Gelenkersatz, kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Eingriffe sowie Krebsoperationen, wobei postoperative Schmerzen oft schlecht kontrolliert und unzureichend behandelt werden 3vgl. J.C. Kalkman, K. Visser, J. Moen, J.G. Bonsel, E.D. Grobbee, M.K.G. Moons: Preoperative prediction of severe postoperative pain. Pain, 105 (2003), S. 415-423; K. Radinovic, Z. Milan, L. Markovic-Denic, E. Dubljanin-Raspopovic, B. Jovanovic, V. Bumbasirevic: Predictors of severe pain in the immediate postoperative period in elderly patients following hip fracture surgery. Injury, 45 (2014), S. 1246-1250; M. Sommer, J.M. de Rijke, M. van Kleef et al.: The prevalence of postoperative pain in a sample of 1490 surgical inpatients. Eur J Anaesthesiol, 25 (2008), S. 267-274].
  • 4
    Die Autor*innen zitieren S. Attias, K. Sivan, O. Avneri et al.: Analgesic effects of reflexology in patients undergoing surgical procedures: a randomized controlled trial. J Alter Complement Med, 24 (2018), S. 809-815 und C. Els, T.D. Jackson, D. Kunyk et al.: Adverse events associated with medium- and long-term use of opioids for chronic non-cancer pain: an overview of cochrane reviews. Cochrane Database Syst Rev, 10 (2017).
  • 5
    Z.B. Massage, Akupunktur, Körper- und Psychotherapie und Entspannungstherapie.
  • 6
    Die Autor*innen zitieren J. Barr, G.L. Fraser, K. Puntillo et al.: Clinical practice guidelines for the management of pain, agitation, and delirium in adult patients in the intensive care unit. Crit Care Med, 41 (2013), S. 263-306; S.D. Clark, B.A. Bauer, S. Vitek, S.M. Cutshall: Effect of integrative medicine services on pain for hospitalized patients at an academic health center. Explore, 15 (2019), S. 61-64 und H. Tick, A. Nielsen, K.R. Pelletier et al.: Evidence-based nonpharmacologic strategies for comprehensive pain care: the consortium pain task force white paper. Explore, 14 (2018), S. 177-211.
  • 7
    Y. Kukimoto, N. Ooe, N. Ideguchi: The effects of massage therapy on pain and anxiety after surgery: a systematic review and meta-analysis. Pain Manag Nurs, 18 (2017), S. 378-390.
  • 8
    Die vorliegenden Studien waren, so die Autor*innen sehr heterogen, wobei sechs Studien die Auswirkungen einer einmaligen Massagetherapie mit einer Dauer von 10-20 Minuten auf postoperative Schmerzen untersuchte. Der Gesamteffekt der Behandlung wurde dabei als positiv beschrieben. Desweiteren führen die Autor*innen an, dass es ihres Wissens nur zwei systematische Übersichten gibt, in denen die Auswirkungen von Massagen oder Berührungen auf Patent*innen in der Akut- oder Intensivpflege untersucht wurden: Papathanassoglou ED, Mpouzika MD. Interpersonal touch: physiological effects in critical care. Biol Res Nurs. 2012 Oct;14(4):431-43. doi: 10.1177/1099800412451312. Epub 2012 Jul 6. PMID: 22773451, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22773451/ und KC Richards, R Gibson & AL Overton-McCoy: Effects of massage in acute and critical care. AACN Clinical Issues Advanced Practice in Acute and Critical Care 11(1):77-96, März 2000, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK68452/.
  • 9
    Darüber hinaus beschränkten sich frühere Meta-Analysen meist auf Herzoperationen, andere Arten von Operationen wurden nicht analysiert.
  • 10
    Es wurden bei der Suche drei Kriterien angewendet: Klinischer Zustand (pain*/postoperative pain, analgesi*), Intervention (massage, massag*, therapeutic therapy, therapeutic touch, reflexology therapy, acupressure therapy, myotherapy, rolfing therapy, reiki therapy, polarity and therapy, jin and shin therapy, neuromuscular therapy, pfrimmer and therapy, alexander technique, feldenkrais and method, myofascial release, shiatsu or tui na, trigger point, therapeutic touch, therapeutic therapy, trigger point) und Studientyp randomized clinical trial).
  • 11
    Die Eignung der gefundenen Studien wurde manuell von zwei Forscher*innen überprüft, bei Unstimmigkeiten wurde ein*e dritte Forscher*in einbezogen. Die Qualität der Studien wurde anhand des von der Cochrane Collaboration entwickelten Instruments zur Bewertung des Verzerrungsrisikos (gering, hoch, unklar) bewertet.
  • 12
    Ausgeschlossen wurden gemäß der verwendeten Definition von Massagetherpaie als Manipulation von Weichteilen, die körperlichen Kontakt erfordert, Reiki-Behandlungen, therapeutische Berührung und therapeutische Berührung ohne Körperkontakt, Reflexzonenmassage und Shiatsu (letztere, weil sie – den Autor*innen zufolge – „trigger points“ stimulieren).
  • 13
    Zudem konnte es eine oder mehrere Interventionsgruppen geben und die Kontrollgruppe bestand aus Personen, die Routinepflege, Ruhe, Entspannung, physikalische Therapie, Gespräche von Angesicht zu Angesicht und unechte Masssagebehandlungen erhielten (Studien, die Massage als Kontrollgruppe verwendeten, wie z.B. Massage vs. Massage plus Akupunktur, wurden ausgeschlossen.)

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