Kopfschmerz lindern mit Schröpfen

Schröpfen

Im Newsletter vom 30. Mai 2024 des Massage Magazins beschreibt Lauren Lane, Körperarbeit- und Massagetherapeutin, dass Schröpfen eine wirksame Behandlung von Kopfschmerzen sein kann. Im Vordergrund steht dabei die Lösung bzw. Linderung von Muskel- und Faszienverspannungen, die Verbesserung der Durchblutung, die Reduktion von Schmerzsignalen und die Beruhigung gereizter Nervenenden.

Kopfschmerz und Migräne (wiederkehrende Kopfschmerzen) gehören mit rund vier Milliarden betroffenen Menschen weltweit zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen, 356 Millionen Menschen verbringen sogar mehr Tage ihres Lebens mit Kopfschmerzen als ohne. Mehr als eine Milliarde aller Menschen mit wiederkehrenden Kopfschmerzen – in Österreich etwa eine Million – leidet an Migräne.1Quelle: News Med-Uni Wien 5.7.2024.
Im Unterschied zu Kopfschmerzen äußert sich Migräne in der Regel durch typische Begleiterscheinungen, wie starke Lärm- und Lichtempfindlichkeit, einer „Aura“ und/oder Übelkeit mit Erbrechen, wobei die ersten Beschwerden oft schon Stunden oder sogar Tage vor einem Anfall auftreten.

Für Kopfschmerzen gibt es viele Ursachen und Gründe, die bis hin zu komplexen Ätiologien2Die Ätiologie beschäftigt sich mit der Ursache von Erkrankungen und ihren auslösenden Faktoren (in Abgrenzung zur Pathogenese, die den gesamten Prozess der Krankheitsentwicklung beschreibt). wie die der Migräne reichen. Schröpfen kann hier auf vielfältige Weise heilsam wirken, weil es einerseits zur Beruhigung muskulärer und faszialer Verspannungen oder von Triggerpunkten, die Kopfschmerzen verursachen können, beitragen kann, aber auch die betroffenen nervalen Strukturen positiv beeinflusst.3Berücksichtigt man alle Nervenenden im Kopf und im Gesicht, so ist ihre Empfindlichkeit gegenüber Reizen nur durch unsere Fingerspitzen übertroffen.

Die Wirkung von Schröpfbehandlungen auf nervale Strukturen

Bei der Anwendung werden Schröpfgläser so auf die Haut gesetzt, dass ein Unterdruck entsteht. Dadurch – und das gilt als die gängigste Erklärung für die Wirksamkeit des Schröpfens – strömt verstärkt Blut in den behandelten Bereich. Die Haut, das Bindegewebe und die darunterliegende Muskulatur werden dadurch (langfristig) besser durchblutet, wovon der Stoffwechsel und der Lymphfluss in dieser Körperregion profitieren.4In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) erklärt man sich die Wirkung auf innere Organe darüber hinaus mit bestimmten Reflexzonen, die mit diesen verbunden sind.

Der durch das Schröpfen erzeugte Unterdruck hebt das Gewebe an und verringert, was für die Arbeit mit neurologischen, d.h. das Nervensystem betreffenden Beschwerden von Bedeutung ist, auch den durch Faszien, Muskeln oder Blutgefäße ausgeübten Druck auf die Nervenenden. Durch den so entstehenden Raum erhöht sich die Mobilität zwischen den Geweben und die Schmerzsignale an das Gehirn werden reduziert.

Auf die Stimulation durch das Schröpfen reagiert der Körper unter anderem mit einer Gefäßerweiterung. Das hat den Vorteil, dass Stoffwechselprodukte (Abfallprodukte), die von den Nerven produziert werden und die Rezeptoren reizen können, wenn das betreffende Gewebe mangeldurchblutet ist, mit der verbesserten Durchblutung abtransportiert werden. Vor allem aber bringt die stärkere Durchblutung Sauerstoff mit sich – Sauerstoff, der entscheidend für die Gesundheit und die optimale Funktion der Nerven ist.

Die Zunahme des Blutflusses ermöglicht dem Körper, stagnierende Stoffwechselabfälle zu entfernen und ischämisches Gewebe5Gewebe mit Mangeldurchblutung. wieder aufzufüllen, zu nähren und zu rehydrieren6Steigerung des Wassergehalts des Gewebes.. Durch die Erweiterung der Blutgefäße kann zudem die im Gewebe gestaute Wärme besser an die Hautoberfläche transportiert werdeen, so dass der Körper die Restwärme des entzündeten Bereichs abbauen kann. Die Vasodilatation7Gefäßerweiterung. erleichtert auch die natürlichen Prozesse des Körpers zur Beseitigung von Entzündungsmarkern, die die Muskelfasern weiterhin reizen können. Die Flüssigkeitsbewegung zwischen den Zellen und den Muskelfasern nimmt zu, so dass das Lymphsystem zusätzliche Stoffwechselrückstände beseitigen kann und damit verhindert, dass sich dieser Bereich in einem Zustand chronischer Entzündung befindet.

Zudem kann die Schröpfbehandlung mit ihren sanften und rhytmischen Bewegungen und der Anhebung von Gewebestrukturen auch eine starke Reaktion des parasympathischen Nervensystems auslösen, die sich positiv auf Menschen auswirken kann, die unter stress- und angstbedingten Kopfschmerzen (Spannungstyp) leiden: Das zentrale Nervensystem beruhigt sich, es kommt zu Entspannung und einer gesteigerten Zirkulation von Serotonin, Oxytocin und Dopamin, die mit Wohlgefühl verbunden sind.

Nackenbereich

Die Beseitigung des Drucks auf die Nervenenden ist speziell im Nackenbereich von mitunter unschätzbarem Wert, denn die Lösung der vom M. trapezius und anderen Nackenmuskeln verursachten Spannung und Kompression des Nervus occipitalis major8Der Nervus occipitalis major, großer Hinterhauptsnerv, entspringt dem rückenseitigen (dorsalen) Ast des zweiten Spinalnerven, durchbohrt den M trapezius und zieht zur Hinterhauptsgegend. Er versorgt motorisch den Musculus semispinalis, den Musculus longissimus und den Musculus splenius, sowie sensibel Teile der behaarten Kopfhaut im Bereich des Hinterhaupts und die Hirnhaut der hinteren Schädelgrube.
Die elektrische Stimulation des Nervus occipitalis major (okzipitale Nervenstimulation) ist ein Verfahren zur Behandlung chronischer Migräne und Clusterkopfschmerz.
kann eine wahre Wohltat sein.

Gesichtsbereich

Da unser Gesicht ständig in Bewegung ist – beim Kauen, Sprechen, bei der Mimik, beim Zusammenziehen der Augenbrauen bei Ermüdung der Augen … -, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Trigeminusnerv9Der Trigeminusnerv ist der fünfte und größte der Hirnnerven. Seine drei Äste, die den oberen Kopfbereich, die Stirn, Augen, Nase, Ober- und Unterkiefer sowie das Kinn versorgen, leiten Sinnesinformationen vom Gesicht zum Gehirn und steuern die Muskeln, die zum Kauen benötigt werden (Kiefer- und Zungenmuskulatur). auf irgendeiner Ebene überreizt wird, was zu Kopfschmerzen oder anderen Arten von Schmerzen im Gesichtsbereich führen kann.

Das Schröpfen des Gesichts kann vor allem bei der Arbeit mit Klient*innen, die unter Kopfschmerzen im Zusammenhang mit Kiefergelenksdysfunktionen leiden, von großem Nutzen sein. Es beruhigt die gereizten Nervenenden und hilft zudem, die Unannehmlichkeiten zu verringern, die Triggerpunkte oder empfindliche Stellen verursachen können.

Triggerpunkte

Eine häufige Ursache für Kopfschmerzen sind Triggerpunkte, die in ischämischen10Ischämisch: verminderte oder fehlende Durchblutung von Geweben. Regionen oder in Bereichen mit übermäßiger Muskelanspannung „gedeihen“. Hier empfiehlt sich sanftes, nicht aggressives Schröpfen, wobei der dekompressive Reiz (durch den Unterdruck des Schröpfkopfes) und die Erweiterung der Gefäße in weiterer Folge das Lösen der Triggerpunkte unterstützt.11Als Folge des Unterdrucks registrieren die Mechanorezeptoren, dass eine Dehnung in den Muskeln stattfindet, was eine Entspannung jenes/jener Muskel/n eröglichen kann, der für die Entstehung des Triggerpunkts verantwortlich ist.

Überlegungen zur Sicherheit der Behandlung

  • Zu beachten ist, dass die Haut im Gesichts- und Halsbereich empfindlicher ist als in anderen Körperregionen, weshalb eine besonders achtsame und vorsichtige Herangehensweise bedeutsam ist, wobei auch eine stärkere Beleuchtung im Behandlungsraum hilfreich sein kann, um die Haut des*der Klient*in zu überwachen und Schröpfspuren im Gesicht oder am Hals zu vermeiden.
  • Besondere Beachtung verdienen insbsondere auch implantierte Geräte, wie Tiefenhirnstimulatoren12Tiefenhirnstimulation ist eine etablierte Behandlung von Bewegungsstörungen. oder Okzipitalnervenstimulatoren13Die okzipitale Nervenstimulation ist eine bei chronischem Clusterkopfschmerz eingesetzte leichte elektrische Stimulation der Nerven über Drähte, die direkt unter die Haut, nahe der Okzipitalnerven, an der Basis des Kopfes implantiert und durch eine ebenfalls implantierte Batterie stimuliert werden., um nicht durch eine unsachgemäße Behandlung ein Leitung abzutrennen. Hier ist abzuklären, ob eine lokale, regionale oder sogar absolute Kontraindikation vorliegt.
  • Auch in der Nähe von implantierten Systemen/Geräten zur Medikamenten-Dosierung oder Flüssigkeitsabgabe, ist es wichtig auf den Saugdruck beim Schröpen zu achten, weil ein zu hoher Saugdruck oder aggressive Behandlungstechniken das Gewebe rund um das Implantat beschädigen könnten.
  • Zu bedenken ist, auch ob der*die Klient*in vor kurzem eine Botox-, Filler-, Kortison- oder Lidocaininjektionen in diesem Bereich erhalten hat. In diesem Fall wäre die Schröpfbehandlung in diesem Bereich für mindestens 30 Tage kontraindiziert. Diese Produkte sollen dort verbleiben, wo sie platziert wurden, und durch Schröfen könnten sie von ihrem vorgesehenen Platz entfernt werden.

Quelle und Abbildungen: Headaches and how cupping therapy can ease the pain (Lauren Lane)

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Quelle: News Med-Uni Wien 5.7.2024.
    Im Unterschied zu Kopfschmerzen äußert sich Migräne in der Regel durch typische Begleiterscheinungen, wie starke Lärm- und Lichtempfindlichkeit, einer „Aura“ und/oder Übelkeit mit Erbrechen, wobei die ersten Beschwerden oft schon Stunden oder sogar Tage vor einem Anfall auftreten.
  • 2
    Die Ätiologie beschäftigt sich mit der Ursache von Erkrankungen und ihren auslösenden Faktoren (in Abgrenzung zur Pathogenese, die den gesamten Prozess der Krankheitsentwicklung beschreibt).
  • 3
    Berücksichtigt man alle Nervenenden im Kopf und im Gesicht, so ist ihre Empfindlichkeit gegenüber Reizen nur durch unsere Fingerspitzen übertroffen.
  • 4
    In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) erklärt man sich die Wirkung auf innere Organe darüber hinaus mit bestimmten Reflexzonen, die mit diesen verbunden sind.
  • 5
    Gewebe mit Mangeldurchblutung.
  • 6
    Steigerung des Wassergehalts des Gewebes.
  • 7
    Gefäßerweiterung.
  • 8
    Der Nervus occipitalis major, großer Hinterhauptsnerv, entspringt dem rückenseitigen (dorsalen) Ast des zweiten Spinalnerven, durchbohrt den M trapezius und zieht zur Hinterhauptsgegend. Er versorgt motorisch den Musculus semispinalis, den Musculus longissimus und den Musculus splenius, sowie sensibel Teile der behaarten Kopfhaut im Bereich des Hinterhaupts und die Hirnhaut der hinteren Schädelgrube.
    Die elektrische Stimulation des Nervus occipitalis major (okzipitale Nervenstimulation) ist ein Verfahren zur Behandlung chronischer Migräne und Clusterkopfschmerz.
  • 9
    Der Trigeminusnerv ist der fünfte und größte der Hirnnerven. Seine drei Äste, die den oberen Kopfbereich, die Stirn, Augen, Nase, Ober- und Unterkiefer sowie das Kinn versorgen, leiten Sinnesinformationen vom Gesicht zum Gehirn und steuern die Muskeln, die zum Kauen benötigt werden (Kiefer- und Zungenmuskulatur).
  • 10
    Ischämisch: verminderte oder fehlende Durchblutung von Geweben.
  • 11
    Als Folge des Unterdrucks registrieren die Mechanorezeptoren, dass eine Dehnung in den Muskeln stattfindet, was eine Entspannung jenes/jener Muskel/n eröglichen kann, der für die Entstehung des Triggerpunkts verantwortlich ist.
  • 12
    Tiefenhirnstimulation ist eine etablierte Behandlung von Bewegungsstörungen.
  • 13
    Die okzipitale Nervenstimulation ist eine bei chronischem Clusterkopfschmerz eingesetzte leichte elektrische Stimulation der Nerven über Drähte, die direkt unter die Haut, nahe der Okzipitalnerven, an der Basis des Kopfes implantiert und durch eine ebenfalls implantierte Batterie stimuliert werden.