Klassische oder Thai-Massage (Nuad): Was hilft besser bei unteren Rückenschmerzen?

Schild Thai-Massage

Lesedauer: 10 Minuten

Sowohl die Klassische Massage (Schwedische Massage) als auch Thai Massage (Nuad) beanspruchen Wirksamkeit in der Behandlung chronischer unterer Rückenschmerzen und den damit verbundenen Einschränkungen. In einem Review verglichen Sritoomma et al.1Sritoomma N, Moyle W, Cooke M, O’Dwyer S (2012): The effectiveness of Swedish massage and traditional Thai massage in treating chronic low back pain: a review of the literature. Complement Ther Clin Pract18(4):227-234.https://doi.org/10.1016/j.ctcp.2012.07.001. 2012 die vorliegenden Studien und kamen zum Schluss, dass beide Methoden – wenngleich sie auf unterschiedlichen theoretischen Grundlagen basieren – gleichermaßen wirksam scheinen.

Hintergrund

Chronische Schmerzen im unteren Rücken (Kreuzschmerzen) sind ein weit verbreitetes und schwerwiegendes Gesundheitsproblem, unter dem 70 bis 85 % der Menschen irgendwann in ihrem Leben leiden, 50 % der Erwachsenen jedes Jahr. Etwa 90 % der Betroffenen erholen sich innerhalb weniger Monate nach dem ersten Auftreten der Schmerzen, bei etwa 10 % entwickeln sich jedoch chronische Schmerzen, die mehr als 90 % der sozialen Kosten für Rückenbeschwerden verursachen.2Die Autor*innen verweisen auf Furlan AD, Imamura M, Dryden T, Irvin E.: Massage for low-back pain (review). The Cochrane Collaboration, The Cochrane Library 2010;2:1e77 und Waddell G. In: The back pain revolution. 2nd ed. 2004.

In der arbeitenden Bevölkerung liegt die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres eine weitere Rückenschmerz-Episode zu erleiden, zwischen 20 und 44 Prozent und nahezu 85 Prozent der einmal von unteren Rückenschmerzen betroffenen Menschen erleiden zumindest ein weiteres Auftreten der Rückenschmerzen im Laufe ihres Lebens.3Die Autor*innen verweisen auf Freburger JK, Jackman AM, Castel LD. The rising prevalence of chronic low back pain. Arch Intern Med 2009;169(3):251e8 und Van Tulder M, Koes B, Bombardier C. Low back pain. Best Pract Res Clin Rheumatol 2002;16(5):761e75.

Als chronisch werden untere Rückenschmerzen definiert, wenn sie mindestens drei Monate anhalten. Sie sind schwer zu behandeln, beeinträchtigen die Lebensqualität, schränken die körperliche Aktivität ein und verringern das psychosoziale Wohlbefinden – und sind damit auch mit hohen Kosten für die Gesellschaft verbunden. Aus diesem Grund werden auch komplementäre und therapeutische Alternativen zur Behandlung eingesetzt.4Die Autor*innen der Studie „definieren“ in diesem Kontext fünf Hauptbereiche komplementärer und alternativer Medizin (CAM): (1) Geist-Körper-Interventionen (z. B. Meditation), (2) biologisch basierte Interventionen (z.B. Vitamine, Mineralien, pflanzliche Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel), (3) körperbasierte Interventionen (z. B. Massagen), (4) energiebasierte Interventionen (z. B. Reiki) und (5) alternative medizinische Systeme (z. B. chinesische Medizin).

Von den Personen, die bereits spezifische CAM-Methoden gegen Rückenschmerzen angewendet hatten, wurde Massage als die hilfreichste Methode zur Linderung ihrer aktuellen Schmerzen bewertet, während Nutzer von chiropraktischer Behandlung über behandlungsbedingte erhebliche Beschwerden, Schmerzen oder Schäden berichteten.5Quelle: Sherman KJ, Cherkin DC, Connelly MT, Erro J, Savetsky JB, Davis RB, et al.: Complementary and alternative medical therapies for chronic low back pain: what treatment are patient willing to try? BMC Complement Altern Med 2004;4(9). http://dx.doi.org/10.1186/1472-6882-4-9.

Massage wurde in diesem Kontext als systematische Manipulation der Weichteile des Körpers mit rhythmischem Druck und Streichungen zum Zweck der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit definiert. Im Wesentlichen, so führen die Autor*innen weiter aus, ist Massage ein einfaches Mittel zur Schmerzlinderung durch körperliche und geistige Entspannung. Dabei wird angenommen, dass Schmerzen durch die Anwendung von Massage auf verschiedene Weise gelindert werden, unter anderem durch die Erhöhung der Schmerzschwelle, durch die Freisetzung von Endorphinen und die Schließung des Schmerz-Gateways auf Rückenmarksebene. Sie fördert auch das Wohlbefinden und das Gefühl, gut versorgt zu werden.

Verschiedene Massagestile haben zum Teil deutlich unterschiedliche Ansätze und Techniken. Die klassische Massage, so die Darstellung in der vorliegenden Arbeit, ist in diesem Vergleich primär regenerativ und „oberflächlich“. Sie nutzt Techniken wie Effleurage (Streichung), Petrissage (Knetung), Friktion (Reibung), Tapotement (Klopfung) und Vibration (Schwingung, Erschütterung), um (körperliche) Symptome im Zusammenhang mit Erkrankungen zu behandeln. Im Unterschied dazu basiert die Behandlung des Nuad auf einer energetischen Theorie, der zufolge sich die Energie des Körpers entlang bestimmter Bahnen (Sen Linien) ausbreitet. Die daraus resultierende Behandlung, bei der manueller Druck und Spannung (Dehnung, Zug) auf bestimmte Körperstellen ausgeübt wird, zielt darauf ab, die Energie entlang dieser Bahnen zu bewegen und damit auf ein energetisches Gleichgewicht (und in weiterer Folge: Gesundheit) zu schaffen.

Beide Massagetechniken werden häufig zur Linderung von Beschwerden im unteren Rücken eingesetzt, ihre Wirksamkeit ist bislang allerdings noch nicht eindeutig belegt.

Durchführung der Studie

In die Studie wurden Reviews und Studien aus den Jahren 2000 bis 20116Der Start mit 2000 wurde gewählt, da es davor keinerlei Studien zur Bewertung der Wirksamkeit von Massagen jeglicher Art bei Rückenschmerzen gab. aufgenommen, die in von Expert*innen geprüften Fachzeitschriften in englischer Sprache veröffentlicht wurden. Die Suche erfolgte über Datenbanken7Vor allem: CINAHL, EBSCOhost, MEDLINE, ProQuest, , ScienceDirect, MEDSCAPE, PubMed, ProQuest Dissertations and Theses, Australia Digital Theses Program. mit einer Kombination von Schlüsselworten.8Schlüsselworte waren Thai-Massage, schwedische Massage, Kreuzschmerzen, chronische Kreuzschmerzen. Die Ergebnisse wurden überprüft und relevante Artikel abgerufen.

Einschlusskriterien waren (1) Veröffentlichung in englischer Sprache, (2) randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), (3) erwachsene Personen mit chronischen unteren Rückenschmerzen, (4) primäres Messergebnis: Intensität der Rückenschmerzen9Die Schmerzintensität wurde meist mit einer Visuellen Analogskala (VAS) – vgl. z.B. https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/html/10.1055/s-2008-1027685 – oder dem McGill Pain Questionnaire (MPQ) – vgl. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/1235985/ – gemessen.; sekundäres Messergebnis: jede Form von physischer und/oder psychischer Funktion10Die sekundären Ergebnismessungen betrafen einerseits die körperlichen Funktionen (Blutdruck, Herzfrequenzvariabilität – gemessen mit dem Oswestry Disability Index (ODI); vgl. https://heartbeat-med.com/de/resources/oswestry-disability-index-odi/ -, Bewegungsumfang der thorakolumbalen Wirbelsäule oder Lendenwirbelsäulenbewegungsumfang – gemessen mit dem modifizierten Schober-Test, vgl. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22614802/). Psychologische Messungen waren die Patient*innenzufriedenheit – gemessen mit der Likert-Skala, einer graduellen Antwortskala -, das State-Trait-Anxiety-Inventory (STAI) – vgl. https://www.apa.org/pi/about/publications/caregivers/practice-settings/assessment/tools/trait-state – und der 5-Punkte-Mental-Health-Index des SF-36 zur Messung der Lebensqualität – vgl. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16274382/., (5) primärer Vergleich: schwedische vs. Thai-Massage; Vergleich mit Standardversorgung oder anderen Behandlungen, wie z.B. Entspannungstherapie oder Gelenkmobilisierung. Ausschlusskriterien lagen vor, wenn die spezifische Form der Thai- oder schwedischen Massage nicht detailliert beschrieben wurde.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 13 Studien (12 in der Datenbanksuche, eine weitere über andere Quellen) gefunden. Letztlich wurden 7 Studien ausgeschlossen, weil sie die Kriterien nicht erfüllten, so dass schließlich 6 Studien in der Analyse verblieben, wobei in einer Studie Thai- und schwedische Massage direkt miteinander verglichen wurden, in den anderen die Thai- oder schwedische Massage mit einer anderen Behandlungsform. Und generell für alle Studien gilt, dass alle als Intervention eingesetzten Massageformen (traditionelle Thai-Massage, klassische Massage, strukturelle Massage, Entspannungsmassage) die Schmerzintensität signifikant reduzierten.

Traditionelle Thai-Massage im Vergleich mit klassischer Massage

Zusammenfassend zeigt die Studie von Chatchawan et al. (200511Chatchawan U, Thinkhamrop B, Kharmwan S, Knowles J, Eungpinichpong W.: Effectiveness of traditional Thai massage versus Swedish massage among patients with back pain associated with myofascial trigger points. J Bodywork Mov Ther 2005;9:298e309.), dass die traditionelle Thai-Massage (Nuad) bei der Linderung von Schmerzen im unteren Rückenbereich im Zusammenhang mit myofaszialen Triggerpunkten12Myofasziale Triggerpunkte sind hyperirritable Stellen in der Skelettmuskulatur, die mit tastbaren Knötchen in Verbindung stehen, bei denen es sich um kleine Kontraktionsknoten (eine Anzahl einzelner Muskelfasern, die maximal kontrahiert sind) handelt und die eine häufige Ursache für Schmerzen sind. genauso wirksam war wie die klassische Massage. Bei beiden Behandlungsformen war die Schmerzintensität (gemessen mit einer visuellen Analogskala) nach dreiwöchiger Behandlung um über 50 Prozent reduziert. Kurzfristig, d.h. unmittelbar nach der Massage, zeigte sich in der Gruppe der klassischen Massage eine signifikantere Verbesserung der Schmerzintensität, später (nach drei Wochen Behandlung) gab es dann allerdings keine merklichen Unterschiede mehr. Unterschiedlich war jedoch der Grad der Verbesserung der Druckschmerzschwelle, der in Folge der Nuad-Massagen signifikant höher war.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Sritoomma N, Moyle W, Cooke M, O’Dwyer S (2012): The effectiveness of Swedish massage and traditional Thai massage in treating chronic low back pain: a review of the literature. Complement Ther Clin Pract18(4):227-234.https://doi.org/10.1016/j.ctcp.2012.07.001.
  • 2
    Die Autor*innen verweisen auf Furlan AD, Imamura M, Dryden T, Irvin E.: Massage for low-back pain (review). The Cochrane Collaboration, The Cochrane Library 2010;2:1e77 und Waddell G. In: The back pain revolution. 2nd ed. 2004.
  • 3
    Die Autor*innen verweisen auf Freburger JK, Jackman AM, Castel LD. The rising prevalence of chronic low back pain. Arch Intern Med 2009;169(3):251e8 und Van Tulder M, Koes B, Bombardier C. Low back pain. Best Pract Res Clin Rheumatol 2002;16(5):761e75.
  • 4
    Die Autor*innen der Studie „definieren“ in diesem Kontext fünf Hauptbereiche komplementärer und alternativer Medizin (CAM): (1) Geist-Körper-Interventionen (z. B. Meditation), (2) biologisch basierte Interventionen (z.B. Vitamine, Mineralien, pflanzliche Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel), (3) körperbasierte Interventionen (z. B. Massagen), (4) energiebasierte Interventionen (z. B. Reiki) und (5) alternative medizinische Systeme (z. B. chinesische Medizin).
  • 5
    Quelle: Sherman KJ, Cherkin DC, Connelly MT, Erro J, Savetsky JB, Davis RB, et al.: Complementary and alternative medical therapies for chronic low back pain: what treatment are patient willing to try? BMC Complement Altern Med 2004;4(9). http://dx.doi.org/10.1186/1472-6882-4-9.
  • 6
    Der Start mit 2000 wurde gewählt, da es davor keinerlei Studien zur Bewertung der Wirksamkeit von Massagen jeglicher Art bei Rückenschmerzen gab.
  • 7
    Vor allem: CINAHL, EBSCOhost, MEDLINE, ProQuest, , ScienceDirect, MEDSCAPE, PubMed, ProQuest Dissertations and Theses, Australia Digital Theses Program.
  • 8
    Schlüsselworte waren Thai-Massage, schwedische Massage, Kreuzschmerzen, chronische Kreuzschmerzen.
  • 9
    Die Schmerzintensität wurde meist mit einer Visuellen Analogskala (VAS) – vgl. z.B. https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/html/10.1055/s-2008-1027685 – oder dem McGill Pain Questionnaire (MPQ) – vgl. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/1235985/ – gemessen.
  • 10
    Die sekundären Ergebnismessungen betrafen einerseits die körperlichen Funktionen (Blutdruck, Herzfrequenzvariabilität – gemessen mit dem Oswestry Disability Index (ODI); vgl. https://heartbeat-med.com/de/resources/oswestry-disability-index-odi/ -, Bewegungsumfang der thorakolumbalen Wirbelsäule oder Lendenwirbelsäulenbewegungsumfang – gemessen mit dem modifizierten Schober-Test, vgl. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22614802/). Psychologische Messungen waren die Patient*innenzufriedenheit – gemessen mit der Likert-Skala, einer graduellen Antwortskala -, das State-Trait-Anxiety-Inventory (STAI) – vgl. https://www.apa.org/pi/about/publications/caregivers/practice-settings/assessment/tools/trait-state – und der 5-Punkte-Mental-Health-Index des SF-36 zur Messung der Lebensqualität – vgl. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16274382/.
  • 11
    Chatchawan U, Thinkhamrop B, Kharmwan S, Knowles J, Eungpinichpong W.: Effectiveness of traditional Thai massage versus Swedish massage among patients with back pain associated with myofascial trigger points. J Bodywork Mov Ther 2005;9:298e309.
  • 12
    Myofasziale Triggerpunkte sind hyperirritable Stellen in der Skelettmuskulatur, die mit tastbaren Knötchen in Verbindung stehen, bei denen es sich um kleine Kontraktionsknoten (eine Anzahl einzelner Muskelfasern, die maximal kontrahiert sind) handelt und die eine häufige Ursache für Schmerzen sind.

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