Historischer Abriss über die Traditionelle Fernöstliche Medizin und Shiatsu
Shiatsu grenzt sich von Anma ab
Diejenigen Anma-Therapeut*innen, die weiterhin auf der Grundlage der traditionellen fernöstlichen Medizin arbeiteten und zudem auch Erkenntnisse der westlichen Medizin in ihre Arbeit integrierten, gaben ihrer Arbeit in der Folge den Namen Shiatsu, wörtlich „Fingerdruck”, um den restriktiven gesetzlichen Bestimmungen zu entgehen, denen Anma mittlerweile unterworfen war. Im Jahre 1955 wurde Shiatsu dann als legitime Therapiemethode erstmals (wenn auch noch als Teilgebiet von Anma), 1964 dann als von Anma und anderen Massage-Techniken deutlich getrennte und unabhängige Behandlungsmethode anerkannt:
„Shiatsu ist eine Form von manueller Behandlung, ausgeführt mit den Daumen, anderen Fingern und den Handflächen, ohne Zuhilfenahme irgendwelcher Instrumente. Durch Druck auf die menschliche Haut beseitigt sie innere Fehlfunktionen, fördert und erhält die Gesundheit und behandelt spezielle Krankheiten”, so lautet die Definition des japanischen Gesundheits- und Wohlfahrtsministeriums.
Die offizielle Anerkennung von Shiatsu in Japan ist vor allem auf die Arbeit von Tokujiro Namikoshi zurückzuführen, der 1925 in Hokkaido ein Institut für Shiatsu-Therapie und 1940 das Japanische Shiatsu-Institut (später in Japanische Shiatsu-Schule umbenannt) gründete, die 1957 vom japanischen Gesundheitsministeriums – als erste Schule des Landes, die eine Fachausbildung in Shiatsu durchführt – offiziell anerkannt wurde.
Shiatsu in Europa
Vor allem zwei Stile oder Hauptrichtungen des Shiatsu sind es, die sich von Japan aus in Europa verbreitet haben. Zum einen ist dies der Stil von Tokujiro Namikoshi, dessen Anliegen es vor allem ist, über spezifische Druckpunkte auf das zentrale und autonome Nervensystem einzuwirken. Die zweite Hauptrichtung war und ist das von Shitsuto Masunaga geprägte Iokai-Shiatsu, das eine Synthese von westlicher Physiologie und Psychologie mit traditioneller chinesischer Medizin sucht. Bekannt geworden ist hier vor allem auch die Hara-Diagnostik, die Arbeit mit der „Mutterhand” und das „erweiterte Meridiansystem”.
In Europa haben sich zudem insbesondere noch Barfuß-Shiatsu und Ohashiatsu verbreitet. Barfuß-Shiatsu nach Shizuko Yamamoto wird vor allem in der makrobiotischen Tradition ausgeübt und gelehrt, und Ohashiatsu ist eine von Wataru Ohashi entwickelte Variante des Shiatsu, die wiederum verschiedene Stile in sich verbindet.
Während Shiatsu also in Japan schon sehr früh Anerkennung und Einbindung in das bestehende Medizinsystem fand, führte es lange Zeit in Europa gleichsam nur ein Schattendasein und war nahezu unbekannt. Erst in den letzten Jahren gewinnt diese sanfte und doch so effektive Form der Behandlung mehr und mehr an Beachtung.
Um Shiatsu zu einer gesetzlichen Anerkennung zu verhelfen und eine qualitativ hochwertige Ausbildung der Shiatsu-Praktiker zu garantieren, wurden in Österreich im Herbst 1993 der „Österreichische Dachverband für Shiatsu” und Anfang 1994 der „Europäische Dachverband” (European Shiatsu Federation, ESF) gegründet. Die gemeinsamen Anstrengungen aller Shiatsu-Praktiker*innen und -Verbände führten bislang dazu, dass Shiatsu in der Öffentlichkeit mehr und mehr an Bekanntheit gewinnt und dass das Potential von Shiatsu als alternative und komplementäre Heilmethode auch innerhalb der Europäischen Union diskutiert wurde.
Erstveröffentlichung: Website Shiatsu-Austria
Dr. Eduard Tripp
Psychotherapeut, Supervisor und Leiter der Shiatsu-Ausbidlungen Austria. Vorstandsmitglied im Österreichischen Dachverband (ÖDS) seit 1993, berufsrechtlicher und Vertreter im Europäischen Shiatsu-Dachverband (ESF)