Historischer Abriss über die Traditionelle Fernöstliche Medizin und Shiatsu
Die traditionelle Medizin in Japan
Die Entwicklung des japanischen Staates und seiner Kultur ist eng mit der chinesischen Geschichte und ihren Geistesströmungen verbunden. Schon sehr früh, etwa im 1. Jahrhundert nach Christi, begann der Handel Japans mit China und Korea. Die ersten Waren, die so nach Japan gebracht wurden, waren vor allem Ackergeräte aus Eisen, später dann wurden auch Gold- und Silberwaren, Stoffe, Gemälde und Bücher eingeführt.
In Anerkennung der Überlegenheit der chinesischen Kultur übernahm Japan in der Folge viel von den fortgeschritteneren Nachbarn, so auch die chinesischen Schriftzeichen, ihre Verwaltung und Medizin sowie den Buddhismus, den im Jahre 552 Gesandte des Königreichs von Paekche (Korea) in Form von buddhistischen Schriften und Skulpturen des Buddha nach Japan brachten.
Die frühen Japaner*innen glaubten das Land erfüllt von „kami”, guten oder auch bösen Göttern. Diese ursprüngliche Naturreligion, später als Shintoismus bezeichnet („shinto” bedeutet „Straße der Götter”), verband sich durch den Kontakt mit den chinesischen (und koreanischen) Strömungen des Konfuzianismus und Buddhismus. Shintoismus und Buddhismus wurden in der Folge miteinander zu einer eigenständigen, japanischen Form des Buddhismus verschmolzen, den auch eine starke Verbindung mit dem Staat kennzeichnete. Und schon unter Fürst Shotoku, der von 593 bis 622 regierte, wurde der Buddhismus fest in Japan etabliert. Zugleich auch rief er das japanische Volk auf, mit der Kultur Chinas, die seine größte Bewunderung besaß, zu wetteifern.
Und so wie der Buddhismus, die chinesischen Schriftzeichen und die Verwaltungsstrukturen aufgenommen, angepasst und gemäß den eigenen Bedürfnissen und Erfordernissen weiterentwickelt und eingebunden wurden, wurde auch das komplexe System der chinesischen Medizin in Japan integriert. So gilt das Shang Han Lun von Zhang Zhong Jing (150 – 219) bis heute als Grundlage für die traditionelle Heilkunde in Japan, für die so genannte „Kaiserliche Medizin” (o kan-i) oder Kampo-Medizin, die als Ausläufer der Traditionellen Chinesischen Medizin in Japan eine eigenständige Entwicklung genommen hat.
Die traditionelle fernöstliche Medizin in Europa
In Europa wurde die Akupunkturbehandlung Mitte des 17. Jahrhunderts bekannt. Die erste Erwähnung findet sich in „De utriusque Indiae” von W. Piso 1657 mit entsprechenden Beobachtungen aus Japan. Eingehender beschrieben wurde die Nadelstichtherapie dann 1683 von Willem Ten Rhyne, der als Arzt bei der Ostindischen Handelsgesellschaft tätig war und auch den Namen „Akupunktur” prägte. Zuvor schon, im Jahre 1682, wurden theoretische Grundlagen der chinesischen Medizin von Andreas Cleyer in seinem Werk „Specimen medicinae siniacae” ausgeführt.
1816 berichtete der französische Arzt Louis Berlioz erstmals über die stimulierenden Effekte der Elektroakupunktur, die dann 1825 von Sarlandière erfolgreich zur Behandlung von Gicht und Rheuma eingesetzt wurde. In den 20er Jahren unseres Jahrhunderts wurde von Niboyet nachgewiesen, dass die Akupunkturstellen Bereichen mit niedriger elektrischer Ladung darstellen und sich Erkrankungen in tieferen Schichten des Körpers an den entsprechenden Akupunkturstellen als Veränderungen in den elektromagnetischen Werten äußern. Ausgehend von dieser Entdeckung wurden verschiedene elektrische Apparate entwickelt, um den elektrischen Widerstand auf der Hautoberfläche zu messen und auf die Akupunkturpunkte einzuwirken. In Deutschland entwickelte R. Voll eine entsprechende Elektroakupunkturapparatur, in Japan Nakatani, die er Ryudoraku nannte.
Da die Akupunktur-Therapie in das System der kausal-analytischen Wissenschaft, wie sie die Medizin ab Mitte des 19. Jahrhunderts war (und in dieser Form zu ihrem vermeintlichen Siegeszug ansetzte), nicht integrierbar war, scheiterte der erste Annäherungsversuch dieser beiden Medizinsysteme. Zu einem Umschwung im Verhältnis zwischen westlicher und fernöstlicher Medizin kam es in Frankreich dann durch Soulie de Morant, der nach dreißigjährigem Studium in China (1901 – 1931) erstmals wesentliche Bausteine des theoretischen Hintergrundes und eine ansatzweise Darstellung der chinesischen Physiologie und Diagnostik nach Europa brachte. Seither hat sich die Traditionelle Chinesische Medizin mehr und mehr auch in Europa verbreitet. Anfangs waren es vor allem die Akupunktur und Moxibustion, aber auch chinesische Gesundheitstechniken wie Taiji und Qigong, die einen breiten Bekanntheitsgrad erlangten. Die Akupunktur war es dann auch, die als erstes Teilgebiet der alten chinesischen Heilkunde ärztliche Anerkennung erhielt, wenn auch vielfach von ihren traditionellen Grundlagen “gereinigt” In Österreich ist es vor allem auf Professor Johannes Bischko zurückzuführen, dass die Akupunktur als ärztliches Heilverfahren anerkannt wurde. Gleichzeitig und ergänzend dazu beginnen nun auch mehr und mehr die anderen Teilgebiete der TCM, wie beispielsweise die Kräutertherapie und die traditionelle chinesische Differentialdiagnostik, an Verbreitung zu gewinnen und in den Heilberufen integriert zu werden.