Historischer Abriss über die Traditionelle Fernöstliche Medizin und Shiatsu
Die Traditionelle Chinesische Medizin in China heute
Schon im beginnenden 16. Jahrhunderts setzten sich europäische Handelsgesellschaften in China fest. 1516 gingen portugiesische Schiffe in Kanton vor Anker. Die chinesische Regierung jedoch wollte sich abschließen und keine Fremden in ihre Häfen lassen. Vor allem die jesuitischen Missionare waren es dann im 17. Jahrhundert, die im Versuch, das Christentum in China zu verbreiten, westliches, vor allem wissenschaftliches Gedankengut nach China brachten und – umgekehrt – auch die Kunde der chinesischen Medizin in den Westen.
Aufstieg der westlichen Medizin
Die erste Begegnung Chinas mit der modernen westlichen Medizin erfolgte deshalb auch erst in der Zeit der so genannten Opiumkriege (1839 – 1842), in dem sich die westlichen Kolonialmächte ein Tor nach China öffneten – was letztlich den Zerfall der alten chinesischen Ordnung noch beschleunigte. Nach dem Ende des Krieges richtete die Ostinidische Gesellschaft in Kanton und Macao (westliche) Krankenhäuser ein. Wurde anfänglich die westliche Heilkunst gering geschätzt, gewann sie später jedoch durch ihre oft spektakulären und augenscheinlichen Erfolge (vor allem nach der Erfindung der Anästhesie 1846 und der Erforschung der antiseptischen Verfahren 1867) immer mehr an Ansehen.
Nach der bürgerlichen Revolution 1911 fand die westliche Medizin eine weitgehende Verbreitung, während die traditionellen Heilmethoden immer weniger geschätzt wurden. Im Grunde war das Ansehen der Ärzte innerhalb der chinesischen Gesellschaft, die vor allem von konfuzianischen Beamten gelenkt wurde, immer schon relativ gering gewesen, denn die Konfuzianer sahen im*in der Ärzt*in lediglich einen mehr oder weniger geschickten Handwerker. Außerdem hatten nur wenige konfuzianische Gelehrte Interesse an der Medizin. Das Wissen um die Gesunderhaltung des Körpers und die zur Heilung von Krankheiten erforderlichen Maßnahmen und Mittel blieb deshalb vor allem eine Angelegenheit der Familien. Es wurde als Geheimwissen meist vom Vater auf den Sohn oder vom Meister auf den*die oder einige wenige Schüler*innen weitergegeben und kaum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Ein weiterer Grund für den Niedergang der traditionellen chinesischen Medizin ab etwa 1000 nach Christi war auch der Buchdruck, der in China ungefähr 500 Jahre früher als in Europa erfunden wurde. Durch die Verbreitung des Gedruckten kam es erstmals dazu, dass eine reine Büchergelehrtheit entstand, in der Ärzt*innen ihr Wissen nicht mehr an Patient*innen erwarben und in der Praxis erprobten. Mehr und mehr fragwürdige Praktiken wurden so in viele Bücher aufgenommen, bis hin zu magischen Praktikern und einer Dämonenmedizin.
Dieser fortschreitende Niedergang der traditionellen Heilkunde, zusammen mit der Kunde über die erfolgreiche Seuchenbekämpfung der westlichen Medizin führte in China, das mit großen Epidemien zu kämpfen hatte, schließlich dazu, dass 1914 ein Ansuchen traditioneller Mediziner auf Bildung einer eigenen Ärzt*innenvereinigung abgelehnt wurde. Der Antrag auf ein endgültiges Verbot der traditionellen Heilmethoden wurde erst 1929 in Anbetracht einer massiven Protestbewegung abgewiesen, die offizielle Geringschätzung der Traditionellen Chinesischen Medizin, die gleichsam als unwissenschaftliche Kurpfuscherei betrachtet wurde, jedoch blieb.
In Rotchina schließlich wurden seit der Machtübernahme durch die Kommunisten Akupunktur, Moxibustion und Kräutertherapie gleichberechtigt neben der westlichen Medizin („moderne chinesische Medizin”) praktiziert – heute vielfach mit dem Verständnis, dass die chinesische Medizin an der Wurzel heilt, die westliche Medizin jedoch das Symptom (und dass gerade darin auch ihre Stärken liegen). Seit etwa 1950 werden die alten Klassiker wieder studiert und in Hinblick auf ihre diagnostische und therapeutische Anwendbarkeit überprüft – um sie wieder zum Allgemeingut zu machen. 1958 fasste das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei den Beschluss, dass künftig westliche und traditionelle chinesische Medizin Seite an Seite den Menschen dienen sollen. Beide Richtungen wurden damit rechtlich und institutionell als gleichwertig anerkannt, so dass das China von heute durch eine Koexistenz beider Medizinformen gekennzeichnet ist. 1956 wurden deshalb die ersten „Colleges” für Traditionelle Chinesische Medizin – erstmals in Chengdu, Peking, Nanking und Kanton – eröffnet. Neben den Grundbegriffen der westlichen Medizin – hier vor allem Anatomie, Physiologie und Biochemie – sind jedoch über zwei Drittel des gesamten, vier bis sechs Jahre dauernden Studiums für den Unterricht in Traditioneller Chinesischer Medizin vorgesehen.
Bei uns im Westen bekannt geworden sind auch die so genannten „Barfußärzte”, die zur Zeit der Kulturrevolution in der Mitte der 60er Jahre sowohl eine westliche als auch eine traditionelle medizinische Grundausbildung erhielten und in die weniger entwickelten Landesteile geschickt wurden, um dort für medizinische Betreuung zu sorgen.1Jung C`hang (in “Wild Swans”, Flamingo Verlag, ISBN: 0-00717076-9, S. 451f) schreibt zur Ausbildung der Barfuß-Ärzte in China: ” … , and I had been studying a book called A Barefoot Doctor`s Manual, one of the few printed items allowed in those days … 0n 26th June 1965 he (Mao) made the remark which became a guideline for health and education: ‘The more books you read, the more stupid you become.’ I went to work with absolutely no training.”
Nach der Kulturrevolution Anfang der 70er Jahre wurde die Herrschaft der Politik über die Wissenschaft zunehmend gelockert und die Grundlagenforschung in vielen medizinischen Bereichen intensiviert.
Anmerkungen/Fußnoten
- 1Jung C`hang (in “Wild Swans”, Flamingo Verlag, ISBN: 0-00717076-9, S. 451f) schreibt zur Ausbildung der Barfuß-Ärzte in China: ” … , and I had been studying a book called A Barefoot Doctor`s Manual, one of the few printed items allowed in those days … 0n 26th June 1965 he (Mao) made the remark which became a guideline for health and education: ‘The more books you read, the more stupid you become.’ I went to work with absolutely no training.”