Hartvigsen, Jan et al.: What low back pain is and why we need to pay attention

Rückenbehandlung

Spezifische pathologische Ursachen

Mögliche Ursachen für Rückenschmerzen, die eine spezifische Behandlung erfordern könnten, sind Wirbelbrüche, entzündliche Erkrankungen wie axiale Spondyloarthritis, maligne Tumore, Infektionen und intraabdominelle1Innerhalb des Bauchraums gelegen. Ursachen.

Eine Studie mit 1.172 Neuaufnahmen von akuten Episoden2Dauer weniger als zwei Wochen. von Rückenschmerzen in der Primärversorgung in Australien (2009) fand nur bei 0,9% der betroffenen Personen spezifische Ursachen für die unteren Rückenschmerzen, wobei Frakturen die bei weitem die häufigste Ursache bilden (8 von 11 Fälle), gefolgt von entzündlichen Erkrankungen (2 von 11 Fälle).3Henschke N, Maher CG, Refshauge KM, et al.: Prevalence of and screening for serious spinal pathology in patients presenting to primary care settings with acute low back pain. Arthritis Rheum 2009; 60: 3072-80. Ein Bericht aus Uganda über 204 Patienten (2005), die an eine orthopädische Klinik des Krankenhauses mit der primären Beschwerde von Rückenschmerzen verwiesen wurden, wiederum zeigte, dass 4% der Patienten schwere Wirbelsäulenanomalien aufgrund von Tuberkulose, 3-5% Wirbelkompressionsfrakturen, 1% Brucellose4Brucellose ist eine Infektionskrankheit, die durch gramnegative, aerobe Stäbchenbakterien der Gattung Brucella verursacht werden. und 1% maligne Tumore hatten.5Galukande M, Muwazi S, Mugisa DB: Aetiology of low back pain in Mulago Hospital, Uganda. Afr Health Sci 2005; 5: 164-67. Diese Unterschiede in den Mustern der spezifischen pathologischen Ursachen könnten die anhaltende Belastung durch Infektionskrankheiten und ihre Manifestation in Rückenschmerzen in Ländern mit niedrigem Einkommen widerspiegeln.

Sogenannte „red flags“ (Warnhinweise) sind Anamnese und klinische Befunde, von denen angenommen wird, dass sie die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer schweren Erkrankung erhöhen. Allerdings haben 80% der Menschen mit akuten unteren Rückenschmerzen mindestens eine rote Flagge, obwohl weniger als 1% eine schwere Erkrankung aufweisen. Fast alle Warnhinweise, so die Autor*innen6Jan Hartvigsen et al.: What low back pain is and why we need to pay attention. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30480-X., haben deshalb eine nur geringe Aussagekraft hinsichtlich einer schweren Erkrankung und tragen nur zu unnötigen Überweisungen, auch zu bildgebenden Verfahren bei.

Das Vorhandensein klinischer Warnhinweise (sogenannte „red flags“) und insbesondere die Kombination mehrerer „red flags“ erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer spezifischen Ursache für die vorliegenden unteren Rückenschmerzen und sollten deshalb eine radiologische Bildgebung nach sich ziehen. Ein unkomplizierter Kreuzschmerz bei einem ansonsten gesunden Patient*innen erfordert in der Regel allerdings keine Bildgebung.7Behandelnde Ärzt*innen sollten dabei aber im Auge behalten, ob das klinische Gesamtbild eine ernsthafte Ursache für die Schmerzen sein könnte. In den USA gibt es die Leitlinien-Empfehlung, bei (auch schwachen) Risikofaktoren für Krebs oder axialer Spondyloarthritis bildgebende Verfahren erst nach Therapiebeginn (wenn noch nötig) einzusetzen.

Häufigkeit und Verteilung von Rückenschmerzen

Rückenschmerzen sind im ersten Lebensjahrzehnt ungewöhnlich, aber die Prävalenz steigt während der Teenagerjahre stark an; etwa 40% der 9-18-Jährigen in Ländern mit hohem Einkommen, mittlerem Einkommen und niedrigem Einkommen berichten von Rückenschmerzen.8Calvo-Munoz I, Gomez-Conesa A, Sanchez-Meca J: Prevalence of low back pain in children and adolescents: a meta-analysis. BMC Pediatrics 2013; 13: 14.
Louw QA, Morris LD, Grimmer-Somers K: The prevalence of low back pain in Africa: a systematic review. BMC Musculoskelet Disord 2007; 8: 105.
 Die meisten Erwachsenen haben irgendwann Rückenschmerzen9Lemeunier N, Leboeuf-Yde C, Gagey O: The natural course of low back pain: a systematic critical literature review. Chiropract Man Ther 2012; 20: 33., wobei die mittlere Jahres-Prävalenz in der erwachsenen Bevölkerung weltweit etwa 37% beträgt10Das bedeutet, dass innerhalb eines Jahres weltweit 37% der erwachsenen Menschen zumindest einmal an unteren Rückenschmerzen leiden. und ihren Höhepunkt in der Mitte des Lebens erreicht. Frauen leiden häufiger als Männer, und untere Rückenbeschwerden, die von Aktivitätseinschränkungen begleitet werden, nehmen mit zunehmendem Alter zu.11Hoy D, March L, Brooks P, et al.: The global burden of low back pain: estimates from the Global Burden of Disease 2010 study. Ann Rheum Dis 2014; 73: 968-74.

Die mittlere Prävalenz in Ländern mit hohem Einkommen (32,9%) ist höher als in Ländern mit mittlerem (25,4%) und niedrigem Einkommen (16,7%). Global gibt es aber keinen Unterschied zwischen ländlichen und städtischen Gebieten. Jackson (2016)12Jackson T, Thomas S, Stabile V, Shotwell M, Han X, McQueen K: A Systematic review and meta-analysis of the global burden of chronic pain without clear etiology in low- and middle-income countries: trends in heterogeneous data and a proposal for new assessment methods. Anesth Analg 2016; 123: 739-48. sammelte Ergebnisse aus 40 Publikationen, die sich mit der Prävalenz von anhaltenden Rückenschmerzen in 28 Ländern Afrikas, Asiens, des Nahen Ostens und Südamerikas befassen und stellte fest, dass chronische Rückenschmerzen in der Erwerbsbevölkerung 2,5 mal häufiger sind als in nicht erwerbstätigen Bevölkerungsgruppen.

Das Geschlechtermuster in einkommensschwachen und mäßig einkommensstarken Regionen scheint sich auch von dem in einkommensschwachen Ländern zu unterscheiden und sogar zwischen verschiedenen einkommensschwachen Regionen. Beispielsweise berichten in Afrika Männer häufiger von Rückenschmerzen als Frauen in Afrika. Anders in Lateinamerika, was die afrikanische Kultur widerspiegeln könnte, in der Männer oft schwere körperliche Arbeit leisten, sowie geschlechtsspezifische Ungleichheiten, was dazu führen könnte, dass Frauen ihre Rückenschmerzen unterbewerten.

Auswirkungen von Rückenschmerzen

Die Global Burden of Disease(GBD)-Studie 201513http://www.healthdata.org/gbd. erfasst die Auswirkungen von 315 Krankheiten in 195 Ländern und Gebieten zwischen 1990 und 2015.14Global Burden of Disease 2015 DALYs and HALE Collaborators. Global, regional, and national disability-adjusted life-years (DALYs) for 315 diseases and injuries and healthy life expectancy (HALE), 1990-2015: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2015. Lancet 2016; 388: 1603-58. Dabei erwiesen sich untere Rückenschmerzen im Jahr 2015 für 60,1 Millionen Jahre mit Behinderungen/Einschränkungen (YLDs15Years lived with disability (YLD).) verantwortlich – ein Anstieg von 54 Prozent seit 1990. Untere Rückenschmerzen sind damit weltweit (und in 14 der 21 in der Studie erfassten Weltregionen) die häufigste Ursache von Behinderungen.

In einkommensstarken Ländern hängt die Behinderung infolge von Rückenschmerzen mit dem sozioökonomischen Status, der Arbeitszufriedenheit und dem Potenzial für einen finanziellen Ausgleich zusammen. Der allgemeine Anstieg der globalen Belastung durch Rückenschmerzen ist fast ausschließlich auf das Bevölkerungswachstum und die Überalterung in allen Ländern zurückzuführen.

Weniger als 28% der häufigen Fälle (151 Millionen YLDs) fielen in die schweren und schwersten Kategorien, jedoch machten diese Fälle 77% aller durch Rückenschmerzen verursachten Behinderungen aus (46,5 Millionen YLDs).16Global Burden of Disease 2015 DALYs and HALE Collaborators. Global, regional, and national disability-adjusted life years (DALYs) for 306 diseases and injuries and healthy life expectancy (HALE) for 188 countries, 1990-2013: quantifying the epidemiological transition. Lancet 2015; 386: 2145-91.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Innerhalb des Bauchraums gelegen.
  • 2
    Dauer weniger als zwei Wochen.
  • 3
    Henschke N, Maher CG, Refshauge KM, et al.: Prevalence of and screening for serious spinal pathology in patients presenting to primary care settings with acute low back pain. Arthritis Rheum 2009; 60: 3072-80.
  • 4
    Brucellose ist eine Infektionskrankheit, die durch gramnegative, aerobe Stäbchenbakterien der Gattung Brucella verursacht werden.
  • 5
    Galukande M, Muwazi S, Mugisa DB: Aetiology of low back pain in Mulago Hospital, Uganda. Afr Health Sci 2005; 5: 164-67.
  • 6
    Jan Hartvigsen et al.: What low back pain is and why we need to pay attention. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30480-X.
  • 7
    Behandelnde Ärzt*innen sollten dabei aber im Auge behalten, ob das klinische Gesamtbild eine ernsthafte Ursache für die Schmerzen sein könnte. In den USA gibt es die Leitlinien-Empfehlung, bei (auch schwachen) Risikofaktoren für Krebs oder axialer Spondyloarthritis bildgebende Verfahren erst nach Therapiebeginn (wenn noch nötig) einzusetzen.
  • 8
    Calvo-Munoz I, Gomez-Conesa A, Sanchez-Meca J: Prevalence of low back pain in children and adolescents: a meta-analysis. BMC Pediatrics 2013; 13: 14.
    Louw QA, Morris LD, Grimmer-Somers K: The prevalence of low back pain in Africa: a systematic review. BMC Musculoskelet Disord 2007; 8: 105.
  • 9
    Lemeunier N, Leboeuf-Yde C, Gagey O: The natural course of low back pain: a systematic critical literature review. Chiropract Man Ther 2012; 20: 33.
  • 10
    Das bedeutet, dass innerhalb eines Jahres weltweit 37% der erwachsenen Menschen zumindest einmal an unteren Rückenschmerzen leiden.
  • 11
    Hoy D, March L, Brooks P, et al.: The global burden of low back pain: estimates from the Global Burden of Disease 2010 study. Ann Rheum Dis 2014; 73: 968-74.
  • 12
    Jackson T, Thomas S, Stabile V, Shotwell M, Han X, McQueen K: A Systematic review and meta-analysis of the global burden of chronic pain without clear etiology in low- and middle-income countries: trends in heterogeneous data and a proposal for new assessment methods. Anesth Analg 2016; 123: 739-48.
  • 13
    http://www.healthdata.org/gbd.
  • 14
    Global Burden of Disease 2015 DALYs and HALE Collaborators. Global, regional, and national disability-adjusted life-years (DALYs) for 315 diseases and injuries and healthy life expectancy (HALE), 1990-2015: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2015. Lancet 2016; 388: 1603-58.
  • 15
    Years lived with disability (YLD).
  • 16
    Global Burden of Disease 2015 DALYs and HALE Collaborators. Global, regional, and national disability-adjusted life years (DALYs) for 306 diseases and injuries and healthy life expectancy (HALE) for 188 countries, 1990-2013: quantifying the epidemiological transition. Lancet 2015; 386: 2145-91.

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