Erdogmus, Celal B. et al.: Physiotherapy-Based Rehabilitation Following Disc Herniation Operation

Physiotherapie

Im Gegensatz dazu waren die physiotherapeutisch geleiteten Heimübungen individuell zugeschnitten, facettenreich und an den Behandlungsfortschritt der Patient*innen angepasst. Darüber hinaus überwachten Physiotherapeut*innen nicht nur die korrekte Durchführung dieser Übungen, sondern förderten auch die Einhaltung der Hausübungen in jeder Behandlungssitzung. Im Unterschied dazu wurden die Kontrollpatient*innen angewiesen, ihre Übungen nur zu Beginn und bei den Nachuntersuchungen durchzuführen.

Die so erreichten qualitativen Unterschiede zwischen den Heimtrainingsprogrammen deuten darauf hin, dass die Heimübungen, die von den Teilnehmer*innen der Kontrollgruppe durchgeführt wurden, wohl kaum der Grund von Verzerrungen waren (und die Behandlungseffekte der Physiotherapiegruppe relativ zu den beiden Kontrollgruppen minimierten).

Die Beobachtung einer klinisch relevanten, statistisch aber nicht signifikanten, stärkeren Verbesserung der LBP-RS bei pseudobehandelten im Vergleich zu unbehandelten Patient*innen scheint die schon in anderen Arbeiten aufgezeigte Wirkung von Placebo-Interventionen auf Parameter wie Schmerz zu bestätigen – und damit die Bedeutung sowohl der Persönlichkeit des*der Therapeut*in als auch der Patient*in-Therapeut*in-Beziehung für die Behandlungswirkung.

Unabhängig von der Art der postoperativen Versorgung berichteten ca. 40% der Patient*innen über häufige oder dauerhafte postoperative Beschwerden in der Nachbeobachtung nach 1,5 Jahren.1Auch in anderen Arbeiten wurden ähnliche Prozentsätze festgestellt. Und obwohl verschiedene physische und psychosoziale Ansätze vorgeschlagen wurden, um eine umfassende biopsychosoziale Rehabilitation zu erreichen, bleiben die Mechanismen der Generierung und Aufrechterhaltung postoperativer Rückenbeschwerden bislang spekulativ.

Es gibt hartnäckige Bedenken hinsichtlich einer Wiederverletzung oder Instabilität bei aktiven Rehabilitations- und Präventionsprogrammen oder Empfehlungen zur frühzeitigen Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer Bandscheibenoperation. Die Komplikationsrate in der vorliegenden Studie allerdings war gering und entspricht damit auch den Ergebnissen einer kurz zuvor durchgeführten Metaanalyse, die keinen Hinweis darauf fand, dass Patient*innen ihre Aktivitäten nach einer Bandscheibenoperation einschränken müssen.2Ostelo RW, de Vet HC, Waddell G, et al. Rehabilitation following first-time lumbar disc surgery: a systematic review within the framework of the Cochrane collaboration. Spine 2003;28:209–18.

Die meisten Patient*innen dieser Studie konnten sich wieder in das Arbeitsleben integrieren, entweder angestellt oder selbständig. Die Rückkehr in den Beruf war zwischen den drei Gruppen am Ende der Intervention vergleichbar, wobei mehr als 80% der Befragten wieder in den Beruf zurückkehrten oder, wenn sie im Ruhestand oder arbeitslos waren, in der Lage waren, gewöhnliche Tätigkeiten des täglichen Lebens auszuüben.3Eine weitere Verkürzung der krankheitsbedingten Fehlzeiten wäre vielleicht noch möglich gewesen, obwohl alle Patient*innen zu einer frühzeitigen Rückkehr ins Berufsleben ermutigt wurden (vgl. Donceel P, Bu Bois M, Lahaye D. Return to work after surgery for lumbar disk herniation: a rehabilitation-oriented approach in insurance medicine. Spine 1999;24:872–6).]

Einschränkungen

Eine Einschränkung der vorliegenden Studie ist, dass die Bandscheibenvorfälle nicht intraoperatiiv beurteilt wurden. Diese Beurteilung könnte, so eine kurz zuvor durchgeführte Studie, mehr Vorhersagekraft aufweisen als demographische, sozioökonomische oder klinische Merkmale.4Carragee EJ, Han MY, Suen PW, et al. Clinical outcomes after lumbar discectomy for sciatica: the effects of fragment type and anular competence. J Bone Joint Surg Am 2003;85:102–8.

Nach 12 Wochen, so zeigte sich, waren ca. 60% der Proband*innen wieder arbeitsfähig, unabhängig von der Intervention, die sie erhalten hatten. Von den restlichen 40% der Patient*innen schienen deutlich mehr Patient*innen aus der Physiotherapie-Gruppe innerhalb des restlichen Beobachtungszeitraums von 1,5 Jahren wieder an die Arbeit zurückzukehren. Dieser beobachtete Unterschied, der bei der Stichprobengröße der vorliegenden Arbeit statistisch nicht belegt ist, könnte mittel- und langfristig die Rehabilitation begünstigen. In einer zukünftigen Studie wäre jedoch zu klären, ob es sich lohnen würde, allen Diskotomie-Patient*innen eine physiotherapeutische Rehabilitation anzubieten.

Weder Patient*innen noch Physiotherapeut*innen waren verblindet. Eine Verblindung der Patient*innen war nicht möglich, da sie umfassend über die Ziele und die Art der Studie informiert waren. Die Verblindung der klinischen Prüfer*innen wäre leicht erfolglos geblieben, da eine intensive Kommunikation zwischen den beurteilenden Physiotherapeut*innen und den Patient*innen zu erwarten war. Die Patient*innenbeurteilungen wurden daher von angehenden Physiotherapeut*innen durchgeführt, die die Ziele der Studie nicht kannten. Sie wurden von Studienärzt*innen, die stille Beobachter waren, beaufsichtigt. Vor einer Beurteilung wurden die Patient*nnen angewiesen, den klinischen Untersucher*innen keine Informationen über die Behandlungszuordnung zu geben.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Auch in anderen Arbeiten wurden ähnliche Prozentsätze festgestellt. Und obwohl verschiedene physische und psychosoziale Ansätze vorgeschlagen wurden, um eine umfassende biopsychosoziale Rehabilitation zu erreichen, bleiben die Mechanismen der Generierung und Aufrechterhaltung postoperativer Rückenbeschwerden bislang spekulativ.
  • 2
    Ostelo RW, de Vet HC, Waddell G, et al. Rehabilitation following first-time lumbar disc surgery: a systematic review within the framework of the Cochrane collaboration. Spine 2003;28:209–18.
  • 3
    Eine weitere Verkürzung der krankheitsbedingten Fehlzeiten wäre vielleicht noch möglich gewesen, obwohl alle Patient*innen zu einer frühzeitigen Rückkehr ins Berufsleben ermutigt wurden (vgl. Donceel P, Bu Bois M, Lahaye D. Return to work after surgery for lumbar disk herniation: a rehabilitation-oriented approach in insurance medicine. Spine 1999;24:872–6).
  • 4
    Carragee EJ, Han MY, Suen PW, et al. Clinical outcomes after lumbar discectomy for sciatica: the effects of fragment type and anular competence. J Bone Joint Surg Am 2003;85:102–8.

Pages: 1 2 3 4 5