Die Auswirkungen von Stressbelastung auf Faszien – angepasste Behandlungstechniken (Andreas Haas)

Faszie

Um die Auswirkungen von Stress auf Faszien zu verstehen, müssen wir uns zuerst einmal fragen, was Stress eigentlich ist.

Laut Wikipedia bezeichnet Stress zum einen eine durch spezifische äußere Reize (Stressoren) hervorgerufene psychische und physische Reaktionen bei Lebewesen, die sie zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen, und zum anderen die dadurch entstehende körperliche und geistige Belastung.

Gibt es „gesunden“ und “ungesunden“ Stress?

Häufig wird bei Thema Stress zwischen „positiven“ und „negativen“ Stress unterschieden. Hierbei wird davon ausgegangen, dass positiver Stress den Organismus zwar beansprucht, sich aber positiv auswirkt. Positiver Stress erhöht die Aufmerksamkeit und fördert die Leistungsfähigkeit des Körpers, ohne ihm zu schaden. 

Dagegen wird Stress als negativ empfunden, wenn er häufig oder dauerhaft auftritt und körperlich und/oder psychisch nicht kompensiert werden kann und deshalb als unangenehm, bedrohlich oder überfordernd gewertet wird. Insbesondere können negative Auswirkungen auftreten, wenn die individuelle Person keine Möglichkeit zur Bewältigung der Situation sieht oder hat.

Kann negativer Stress krank machen?

Die Definition von Gesundheit – gemäß Dr. Johannes Bircher – lautet: Gesundheit ist ein Zustand, in dem ein Mensch den Anforderungen des Lebens gerecht werden kann.
Aus dieser Aussage lässt sich ableiten, dass Stress ist nicht „gut“ oder „schlecht“ und nicht „gesund“ oder „ungesund“ ist, sondern eine Anforderung des Lebens.

  • Kann der Mensch den Anforderungen gerecht werden, ist und bleibt er gesund.
  • Kann der Mensch den Anforderunge: nicht gerecht werden, verliert er den Zustand der Gesundheit.

Das vegetative Nervensystem

Um den Anforderungen des Lebens gerecht zu werden, bedarf es einer ständigen Kontrolle der Außen- und der Innenwelt eines Organismus. Diese Kontrolle unterliegt dem vegetativen Nervensystem. Dieser Anteil des Nervensystems arbeitet intuitiv, analog, unbewusst und sehr schnell. Er steht im Dienst der Überlebenssicherung des Organismus.

Um diese Aufgabe zu erfüllen, ist das vegetative Nervensystem immer auf der Suche nach Sicherheit und Geborgenheit. Folgerichtig ist eine Stressreaktion eine vegetative Reaktion, die dazu dient, das Überleben zu sichern. Faktoren, die die Sicherheit gefährden (könnten), lösen Stress aus. Die Stressreaktion dient dazu, den Organismus wieder in Sicherheit zu bringen.

Was hat Stress mit Faszien zu tun?

Faszien

Das vegetative Nervensystem hat eine enge Beziehung zum Fasziensystem:

  • Faszien sind vegetativ innerviert
  • Myofibroblasten sind sympathikus-reguliert
  • Vegetative Ganglien liegen in den Faszien der zirkulatorischen Organe
  • Vegetative Plexus liegen in Faszien der inneren Organe
  • Vaskuläre Plexus liegen in der Adventitia der Gefäße

Faszien unterstützen die Arbeit des Organismus bei allen Anforderungen, die mit einer Leistungserbringung einhergehen. Daher ist es naheliegend, dass Stress unmittelbare Auswirkungen auf Faszien hat. Ob diese Auswirkungen „positiv“ oder „negativ“ sind, hängt von den Kapazitäten des Organismus ab.

Können Faszien den an sie gestellten Anforderungen zur Unterstützung der Leistungserbringung gerecht werden, bleiben sie in einem Zustand der Gesundheit. Werden die Kapazitäten von Faszien überfordert, wie etwa bei langhanhaltenden bzw. dauerhaften Stressbelastungen, so führt dies zu Funktionsänderungen von Faszien und in weiterer Folge zu Pathologien.

Auswirkungen von Stressbelastungen zeigen sich im Bindegewebe in Änderungen von zellulären und fluidalen Bestandteilen.

1. Zelluläre Bestandteile

Bindegewebszellen bestehen unter anderem aus einem Zelltyp, der Myofibroblast genannt wird. Diese Zelle ist eine Mischform aus einer Bindegewebszelle und einer glatten Muskelzelle und hat die Fähigkeit sich zu kontrahieren und Faszien zu spannen.

Diese Spannungsregulation unterliegt einer vegetativen Kontrolle.

Im Rahmen der physiologschen Funktion unterliegen diesen Spannungsänderungen in einer zyklischen Änderung.  Sympathikotonie (erhöhter Tonus des Sympathikus) führt zu einer Mobilisierung des Organismus und zu Spannungserhöhung im faszialen Gewebe. Besteht eine Sympathikotonie über einen langen Zeitraum in konstanter Art und Weise, führt die dauerhafte Spannungserhöhung des Gewebes zusätzlich zu einer erhöhten Zellteilung. Die Kombination aus einer vermehrten Zahl von Myofibroblasten mit einer zusätzlich dauerhaft erhöhten Spannung führt zu Patholgien, die sich als „Frozen Fascia“ repräsentieren, ein Überbegriff, der „versteifte“ Faszien beschreibt.

Bekannt ist dieser Zustand bei „Frozen Shoulder“, kann sich aber auch in anderen Körperregionen zeigen, wie etwa in der Lende („Frozen Lumbars“), in den Faszien rund um Nerven („Kompressionssyndrome“), in den Faszien rund um Muskeln („Kompartmentsyndrome“) und auch in den Faszien rund um Organe („viszerale Kompartmentsyndrome“).

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