Auch mäßiger Alkoholkonsum wirkt lebensverkürzend

Wein

Ein riskanter, d.h. täglicher Alkoholkonsum1Personen mit „hohem Risiko“ sind in der Studie Männer, die im Durchschnitt fast 3 Getränke pro Tag oder mehr zu sich nahmen und Frauen, die im Durchschnitt etwa eineinhalb Getränke pro Tag oder mehr zu sich nahmen., so zeigten die Analysen war – im Vergleich zu gelegentlichem Alkoholkonsum – mit deutlich erhöhten Mortalitätsrisiken verbunden, konkret mit

  • einem um 33% erhöhten Risiko eines frühen Todes,
  • einem um 39% erhöhtem Risiko, an Krebs zu sterben, und
  • einem um 21% erhöhtem Risiko, an Herz- und Blutgefäßproblemen zu sterben.

Aber auch mäßigere Trinkgewohnheiten (durchschnittlich ein alkoholische Getränk oder weniger pro Tag) wurden mit einem erhöhten Risiko eines frühen Todes und eines Todes durch Krebs in Verbindung gebracht. Ein solches Konsumverhalten, das wahrscheinlich dem Verhalten von Millionen Erwachsenen nahe kommt, war mit einem 11% höheren Risiko verbunden, an Krebs zu sterben.

Die stärkeren Zusammenhänge zwischen dem durchschnittlichen Alkoholkonsum und der Sterblichkeit, die bei älteren Erwachsenen mit gesundheitsbezogenen Risikofaktoren beobachtet wurden, sind darauf zurückzuführen (und aus diesem Grund, so die Autor*innen, ist die Studie sinnvoll), dass diese mehr Krankheitsbilder aufweisen, die durch Alkohol potenziell verschlimmert werden können, und häufiger mit Medikamenten behandelt werden, die mit Alkohol interagieren, als ihre Altersgenossen ohne gesundheitsbezogene Risikofaktoren.

Darüber hinaus ist das Ergebnis, dass selbst risikoarme Trinker mit gesundheitlichen Risikofaktoren ein höheres Risiko hatten, an Krebs zu sterben, von Bedeutung und stimmt mit dem in anderen Studien berichteten erhöhten Risiko für mehrere Krebsarten und die Krebssterblichkeit selbst bei sehr geringen Mengen Alkohol überein. Und im Unterschied zur MORGAM-Studie (20232Di Castelnuovo A, Bonaccio M, Costanzo S et al: MORGAM Study Investigators. Drinking alcohol in moderation is associated with lower rate of all-cause mortality in individuals with higher rather than lower educational level: findings from the MORGAM project. Eur J Epidemiol. 2023;38(8):869-881. doi:10.1007/s10654-023-01022-3.), die eine geringere Sterblichkeit bei einem Alkoholkonsum von nicht mehr als 10 g/Tag festgestellt hatte (deutlicher bei Personen mit höherer bzw. niedrigerer Bildung), zeigte sich in der vorliegenden Studie ein schädlicher Zusammenhang selbst zwischen geringen Mengen Alkohol und der Gesamt- und der Krebssterblichkeit.3Die Autor*innen sehen diese abweichenden Ergebnisse verursacht durch die unterschiedlichen Referenzgruppen.

Die Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass der sozioökonomische Status den Zusammenhang zwischen der konsumierten Alkoholmenge und der Sterblichkeit beeinflusst, da das Sterberisiko bei Personen mit sozioökonomischen Risikofaktoren viel größer war als bei Personen ohne diese Risikofaktoren – was mit früheren Forschungsergebnissen übereinstimmt. Umgekehrt aber: Obwohl ältere Erwachsene mit sozioökonomischen Risikofaktoren ein höheres Krankheits- und Sterberisiko haben, was wahrscheinlich auf das gleichzeitige Vorhandensein anderer gesundheitlicher Herausforderungen, insbesondere eines schlechteren Lebensstils, zurückzuführen ist, waren die in der vorliegenden Studie beobachteten Zusammenhänge unabhängig vom Lebensstil, was darauf hindeutet, dass andere Faktoren dafür verantwortlich sind.

Was die potenziell vorteilhaften Trinkgewohnheiten betrifft, d. h. die Vorliebe für Wein und das Trinken während der Mahlzeiten, so sind die Forschungsergebnisse uneinheitlich.4Während ein Studienpool aus dem Jahr 2018 (Wood AM, Kaptoge S, Butterworth AS et al.: Emerging Risk Factors Collaboration/EPIC-CVD/UK Biobank Alcohol Study Group. Risk thresholds for alcohol consumption: combined analysis of individual-participant data for 599 912 current drinkers in 83 prospective studies. Lancet. 2018;391(10129):1513-1523.doi:10.1016/S0140-6736(18)30134-X) über einen nicht differenzierten Zusammenhang zwischen bestimmten Arten von alkoholischen Getränken und der Gesamtmortalität sowie mehreren kardiovaskulären Erkrankungen berichtete, stellten andere Studien (vgl. Barbería-Latasa M, Gea A, Martínez-González MA: Alcohol, drinking pattern, and chronic disease. Nutrients. 2022;14(9):1-15. doi:10.3390/nu14091954 und Schutte R, Papageorgiou M, Najlah M et al.: Drink types unmask the health risks associated with alcohol intake—prospective evidence from the general population. Clin Nutr. 2020;39(10):3168-3174. doi:10.1016/j.clnu.2020.02.009) einen schützenden Zusammenhang nur mit Wein, nicht aber mit anderen alkoholischen Getränken fest. Ebenso hat sich das Trinken zu den Mahlzeiten als schützend für mehrere gesundheitliche Folgen erwiesen (vgl. Barbería-Latasa M, Gea A, Martínez-González MA: Alcohol, drinking pattern, and chronic disease. Nutrients. 2022;14(9):1-15. doi:10.3390/nu14091954). In der vorliegenden Studie haben diese Trinkmuster den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Sterberisiko verändert: Einerseits zeigte sich – unabhängig von der konsumierten Alkoholmenge – ein schützender Zusammenhang dieser Muster mit der Sterblichkeit nur bei Personen mit sozioökonomischen oder gesundheitlichen Risikofaktoren, andererseits aber war der schädliche Zusammenhang des Alkoholkonsums bei Personen ohne diese Muster deutlicher.

Diese Ergebnisse deuten, so die Autor*innen, darauf hin, dass die weniger schädlichen Auswirkungen des Alkoholkonsums von Wein oder während der Mahlzeiten wohl nicht auf den Alkohol selbst zurückzuführen sind, sondern auf andere Faktoren, wie

  • nichtalkoholische Bestandteile des Weins, z.B. Antioxidantien wie Resveratrol,
  • eine langsamere Aufnahme des mit den Mahlzeiten eingenommenen Alkohols und die daraus resultierende geringere Alkoholkonzentration im Blut,
  • das Trinken von Getränken in größeren Abständen, wenn nur zu den Mahlzeiten getrunken wird, oder auch
  • eine moderatere Einstellung bei Personen, die sich für diese Trinkmuster entscheiden.

Stärken und Grenzen

Stärken der Studie sind, den Autor*innen folgend, z.B. die große Stichprobengröße, die lange Nachbeobachtungszeit und die methodischen Verbesserungen, die zur Vermeidung von Selektionsverzerrungen und zur Verringerung der umgekehrten Kausalität umgesetzt wurden. Einschränkungen bzw. Schwächen liegen jedoch darin,

  • dass der Alkoholkonsum selbst angegeben wurde (und daher bis zu einem gewissen Grad anfällig für Fehlklassifizierungen war);
  • dass der Alkoholkonsum nur zu Studienbeginn und nicht zu mehreren Zeitpunkten gemessen wurde, sodass Änderungen des Alkoholkonsums nicht berücksichtigt wurden, um die Selektionsverzerrung zu verringern (was zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Auswirkungen des Alkoholkonsums geführt haben könnte);
  • dass trotz der Anpassung an viele potenzielle Störfaktoren, wie bei jeder Beobachtungsstudie, „Restkonfundierungen“ nicht vollständig geschlossen werden konnten;
  • dass die Studie an älteren Erwachsenen im Vereinigten Königreich mit einem hohen Anteil weißer Teilnehmer*innen durchgeführt wurde, sodass die Ergebnisse möglicherweise nicht auf andere ethnische Gruppen oder Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Lebensstilen, Trinkgewohnheiten oder sozioökonomischer Entwicklung übertragbar sind.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Personen mit „hohem Risiko“ sind in der Studie Männer, die im Durchschnitt fast 3 Getränke pro Tag oder mehr zu sich nahmen und Frauen, die im Durchschnitt etwa eineinhalb Getränke pro Tag oder mehr zu sich nahmen.
  • 2
    Di Castelnuovo A, Bonaccio M, Costanzo S et al: MORGAM Study Investigators. Drinking alcohol in moderation is associated with lower rate of all-cause mortality in individuals with higher rather than lower educational level: findings from the MORGAM project. Eur J Epidemiol. 2023;38(8):869-881. doi:10.1007/s10654-023-01022-3.
  • 3
    Die Autor*innen sehen diese abweichenden Ergebnisse verursacht durch die unterschiedlichen Referenzgruppen.
  • 4
    Während ein Studienpool aus dem Jahr 2018 (Wood AM, Kaptoge S, Butterworth AS et al.: Emerging Risk Factors Collaboration/EPIC-CVD/UK Biobank Alcohol Study Group. Risk thresholds for alcohol consumption: combined analysis of individual-participant data for 599 912 current drinkers in 83 prospective studies. Lancet. 2018;391(10129):1513-1523.doi:10.1016/S0140-6736(18)30134-X) über einen nicht differenzierten Zusammenhang zwischen bestimmten Arten von alkoholischen Getränken und der Gesamtmortalität sowie mehreren kardiovaskulären Erkrankungen berichtete, stellten andere Studien (vgl. Barbería-Latasa M, Gea A, Martínez-González MA: Alcohol, drinking pattern, and chronic disease. Nutrients. 2022;14(9):1-15. doi:10.3390/nu14091954 und Schutte R, Papageorgiou M, Najlah M et al.: Drink types unmask the health risks associated with alcohol intake—prospective evidence from the general population. Clin Nutr. 2020;39(10):3168-3174. doi:10.1016/j.clnu.2020.02.009) einen schützenden Zusammenhang nur mit Wein, nicht aber mit anderen alkoholischen Getränken fest. Ebenso hat sich das Trinken zu den Mahlzeiten als schützend für mehrere gesundheitliche Folgen erwiesen (vgl. Barbería-Latasa M, Gea A, Martínez-González MA: Alcohol, drinking pattern, and chronic disease. Nutrients. 2022;14(9):1-15. doi:10.3390/nu14091954).

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