Wie wirksam ist die traditionelle Thai-Massage im Vergleich zur klassischen Massage?
In vielen Kulturen, so Virginia S. Cowen (et al.) wurden auf Berührung beruhende Behandlungen („Massagen“1Massage wird hier als ein Oberbegriff verstanden, der ein breites Spektrum von Berührungstherapien umfasst und im Wesentlichen die Manipulation von Weichgewebe bedeutet. Dabei wird eine Vielzahl von Techniken eingesetzt, darunter Druck, Kneten, Reiben und Mobilisierung.) entwickelt, die die jeweilige Kultur widerspiegeln, in der sie entwickelt wurden. In ihrer Arbeit „A comparative study of Thai massage and Swedish massage relative to physiological and psychological measures“2Virginia S. Cowen, Lee Burkett, Joshua Bredimus, Daniel R. Evans, Sandra Lamey, Theresa Neuhauser & Lawdan Shojaee (2006): A comparative study of Thai massage and Swedish massage relative to physiological and psychological measures. Journal of Bodywork and Movement Therapies (2006) 10, 266–275, https://doi.org/10.1016/j.jbmt.2005.08.006. vergleichen die Autor*innen die traditionelle Thai-Massage (Nuad3Nuad ist das thailändische Wort für „Massage“ und wird in Österreich oft stellvertretend für „Thai Massage“ verwendet, da „Thai Massage“ von einigen Menschen mit den Rotlichtvierteln der thailändischen Großstädte assoziiert wird.) mit der klassischen (schwedischen4Der Begriff der „schwedischen Massage“ – in Österreich spricht man üblicherweise von „klassischer Massage“ – geht vor allem auf den schwedischen Dichter und Autor sowie Begründer der Schwedischen Gymnastik Pehr Henrik Ling (1776 bis 1839) zurück, der 1813 das „Zentralinstitut für Heilgymnastik und Massage“ in Stockholm begründete und dort seine Auffassungen von Massage lehrte. Diese Technik der Massage wurde zunächst in den Vereinigten Staaten übernommen – deshalb auch der dort gebräuchliche Begriff der „schwedischen Massage“ – und erst später, vor allem durch den Orthopäden Albert Hoffa (1859 bis 1907) in Deutschland eingeführt.) Massage, wobei sich die Thai-Massage vor allem auf „orientalische Medizin“5In Österreich spricht man meist von fernöstlicher Medizin., Ayurveda, Yoga und auch den Buddhismus zurückführen lässt6Thai-Massage (Nuad) wird salopp manchmal als „Yoga des faulen Menschen“ bezeichnet. Ihre Grundlagen, so die Autor*innen sind bis heute weitgehend unerforscht. Vgl. E. Stillerman (1996): The Encyclopedia of Bodywork: From Acupressure to Zone Therapy., wohingegen die schwedische (klassische) Massage auf anatomischen Erkenntnisse beruht, die durch Sezieren erworben wurden.
Hintergrund
Die traditionelle Thai-Massage ist, so das Verständnis der Autor*innen der Studie, eine energetische Behandlung im Rahmen der traditionellen thailändischen Medizin7Traditionelle Praktiker*innen kombinieren die Massagebehandlung manchmal auch mit pflanzlichen Heilmitteln, Ernährung und spirituellen Praktiken.
Die Autor*innen beziehen sich hier auf die unveröffentlichte Dissertation von C. Banpasirichote (1989, Waterloo, Ontario): The indigenization of development process in Thailand: a case study of the Traditional Medical Revivalist Movement (Thai Massage)., bei der Druck und Dehnungen eingesetzt werden, um energetische Bahnen (Sen-Linien) und bestimmte Punkte auf der Körperoberfläche anzusprechen. Traditionell wird Nuad auf einer Matte am Boden ausgeführt, wobei der*die Behandelte vollständig bekleidet ist und kein Öl verwendet wird. Der*die Praktizierende setzt sein*ihr eigenes Körpergewicht ein, um Druck auszuüben (mit den Handflächen, Daumen, Ellbogen, Knien und Füßen), kreisende Bewegungen auszuführen (mit den Handflächen, Daumen, Unterarmen und Fingern) und den*die Klient*in zu dehnen. Bei der bis zu zwei Stunden (und manchmal auch noch länger) dauernden Behandlung wird eine Vielzahl von statischen und dynamischen Dehnungen eingesetzt, von denen viele bestimmmten Yogastellungen ähneln.
Im Unterschied dazu lässt sich die klassische (schwedische) Massage als mechanische Behandlung verstehen. Sie geht auf die medizinische Gymnastik zurück und basiert auf anatomischen Kenntnissen, wobei vor allem fünf grundlegende Griffe auf dem unbekleideten Körper angewendet werden: Effleurage, Petrissage, Reibung, Tapotement und Vibration.
Entsprechend unterscheidet sich auch die Berurteilung eines*einer Klient*in, denn während der Schwerpunkt der klassischen Massage hier vor allem auf den körperlichen Symptomen liegt, ist die Bewertung im Nuad ganzheitlich und schließt sowohl den körperlichen, sozialen als auch den psychischen Zustand des*der Klient*in mit ein.
Für die therapeutische (Heil-)Massage liegen, so führen die Autor*innen weiter aus, Daten zu ihrer Wirksamkeit für eine Reihe von Erkrankungen vor, allerdings gibt es kaum Studien zur Wirkung einer allgemeinen Massagebehandlung bei gesunden Personen und insgesamt auch wenig Studien zur Wirksamkeit von traditioneller Thai-Massage. Zudem soll mit der vorliegenden Arbeit auch geklärt werden, ob und inwieweit die unterschiedlichen Techniken und theoretischen Grundlagen der beiden miteinander verglichenen Massageformen auch zu unterschiedlichen Resultaten führen (der mechanische Schwerpunkt der klassischen Massage im Vergleich zum energetischen Ansatz der traditionellen Thai-Massage).
Studiendesign
Ziel der Studie war es, die physiologischen und psychologischen Ergebnisse einer einmaligen 90-minütigen Massage-Behandlung (Thai-Massage versus schwedische Massage) zu vergleichen. Die Studienteilnehmer*innen wurden dazu nach dem Zufallsprinzip einer Thai-Massage oder einer klassischen Massage zugewiesen.
Die untersuchten Parameter waren Blutdruck, Herzfrequenz, Bewegungsumfang, wahrgenommene Ängstlichkeit und Stimmung, wobei alle Werte unmittelbar vor und nach der Massage erhoben wurden. Die psychologischen Bewertungen (Angst und Stimmung) wurden zusätzlich noch bei der Nachuntersuchung nach 48 Stunden erhoben.
- Die primäre Hypothese war, dass beide Gruppen von der Voruntersuchung bis zur Nachuntersuchung gesundheitliche Verbesserungen erfahren würden.
- Die sekundäre Hypothese war, dass die Gruppe mit der schwedischen Massage nach der Behandlung über mehr Müdigkeit berichten würde und dass die wahrnehmungsbezogenen Behandlungseffekte im Vergleich zur Thai-Massage-Gruppe nicht bis zur 48-Stunden-Nachuntersuchung anhalten würden.
- Die tertiäre Hypothese lautete, dass die traditionelle Thai-Massage im Vergleich zur klassischen Massage zu positiven Veränderungen des Bewegungsumfangs und der Flexibilität führen würde.
Teilnehmer*innen
Die Studienteilnehmer*innen wurden an der Arizona State University und in der umliegenden Gemeinde per Flugblatt und E-Mail-Ankündigung rekrutiert und mussten die nachfolgenden Einschlusskriterien erfüllen:
- zwischen 18 und 65 Jahre alt,
- nicht schwanger,
- nicht wegen Bluthochdruck in Behandlung, keine akuten Schmerzen oder Erkrankungen,
- keine orthopädischen (Knochen- oder Gelenk-) Schmerzen oder Erkrankungen,
- keine Gelenkersatzoperationen, und
- keine Genesung nach einer kürzlich erfolgten Operation und
- kein Hautausschlag oder andere dermatologische Erkrankungen, die durch die Anwendung von Massageöl oder -lotion verschlimmert werden könnten.
Von 60 rekrutierten Studienteilnehmer*innen kamen 53 zu ihrem vereinbarten Massagetermin und erhielten eine Massage. 30 Teilnehmer*innen erhielten (per Zufallsauswahl) eine Thai-Massage, 23 eine schwedische Massage. Von ihnen wurden alle Daten vor und nach der Massage erhoben, die psychologischen Daten, die 48 Stunden nach der Massage erhoben wurden, allerdings nur von 51 Teilnehmer*innen.
Das Alter der Teilnehmer*innen lag zwischen 20 und 61 Jahren (Mittelwert: 33,7 Jahre), die Mehrheit war weiblich (71,7 %) und weiß (84,9 %). 79,2 Prozent der Teilnehmer*innnen hatten vor der Studie schon zumindest eine professionelle Massage erhalten, wobei 71,7 Prozent Erfahrung mit klassischer Massage hatten, 7,5 Prozent mit traditioneller Thai-Massage.
Anmerkungen/Fußnoten
- 1Massage wird hier als ein Oberbegriff verstanden, der ein breites Spektrum von Berührungstherapien umfasst und im Wesentlichen die Manipulation von Weichgewebe bedeutet. Dabei wird eine Vielzahl von Techniken eingesetzt, darunter Druck, Kneten, Reiben und Mobilisierung.
- 2Virginia S. Cowen, Lee Burkett, Joshua Bredimus, Daniel R. Evans, Sandra Lamey, Theresa Neuhauser & Lawdan Shojaee (2006): A comparative study of Thai massage and Swedish massage relative to physiological and psychological measures. Journal of Bodywork and Movement Therapies (2006) 10, 266–275, https://doi.org/10.1016/j.jbmt.2005.08.006.
- 3Nuad ist das thailändische Wort für „Massage“ und wird in Österreich oft stellvertretend für „Thai Massage“ verwendet, da „Thai Massage“ von einigen Menschen mit den Rotlichtvierteln der thailändischen Großstädte assoziiert wird.
- 4Der Begriff der „schwedischen Massage“ – in Österreich spricht man üblicherweise von „klassischer Massage“ – geht vor allem auf den schwedischen Dichter und Autor sowie Begründer der Schwedischen Gymnastik Pehr Henrik Ling (1776 bis 1839) zurück, der 1813 das „Zentralinstitut für Heilgymnastik und Massage“ in Stockholm begründete und dort seine Auffassungen von Massage lehrte. Diese Technik der Massage wurde zunächst in den Vereinigten Staaten übernommen – deshalb auch der dort gebräuchliche Begriff der „schwedischen Massage“ – und erst später, vor allem durch den Orthopäden Albert Hoffa (1859 bis 1907) in Deutschland eingeführt.
- 5In Österreich spricht man meist von fernöstlicher Medizin.
- 6Thai-Massage (Nuad) wird salopp manchmal als „Yoga des faulen Menschen“ bezeichnet. Ihre Grundlagen, so die Autor*innen sind bis heute weitgehend unerforscht. Vgl. E. Stillerman (1996): The Encyclopedia of Bodywork: From Acupressure to Zone Therapy.
- 7Traditionelle Praktiker*innen kombinieren die Massagebehandlung manchmal auch mit pflanzlichen Heilmitteln, Ernährung und spirituellen Praktiken.
Die Autor*innen beziehen sich hier auf die unveröffentlichte Dissertation von C. Banpasirichote (1989, Waterloo, Ontario): The indigenization of development process in Thailand: a case study of the Traditional Medical Revivalist Movement (Thai Massage).