Suziki, Mizue et al.: Physical and Psychological Effects of 6-Week Tactile Massage on Elderly Patients With Severe Dementia
In der 2010 veröffentlichten Studie „Physical and Psychological Effects of 6-Week Tactile Massage on Elderly Patients With Severe Dementia“1Die Studie wurde im American Journal of Alzheimer’s Disease and other Dementias (AJADD) Vol 25, Issue 8, 2010, S. 680-686, veröffentlicht; DOI: 10.1177/1533317510386215, http://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/1533317510386215 (Zugriff 23.02.2018). gehen Mizue Suziki et al.2Mizue Suzuki, Asami Tatsumi, Toshiko Otsuka, Keiko Kikuchi, Akiko Mizuta, Kimiko Makino, Akie Kimoto, Kiyoe Fujiwara, Toshihiko Abe, Toshihiro Nakagomi, Tatsuya Hayashi und Takayuki Saruhara. der Frage nach, ob Massagebehandlungen positiv auf das körperliche und psychologische Wohlbefinden von älteren Menschen mit Demenz wirken.
Hintergrund
Japans Gesellschaft altert so rasch wie noch nie zuvor. 2009 machte die ältere Bevölkerung 22,8% der japanischen Bevölkerung aus, und es wird erwartet, dass der Anteil älterer Menschen bis 2025 auf 30% und bis 2050 auf 40,5% ansteigen wird.3Japanese cabinet. 2007 Elderly White Book. Tokyo, Japan: Gyosei; 2006. Darüber hinaus erkrankten 2005 in Japan etwa 1,9 Millionen ältere Menschen an Demenz, und die Prognose ist dahingehend, dass diese Zahl bis 2020 auf 3,3 und bis 2050 auf 4,9 Millionen ansteigen wird.
Aktuell steht der Bereich der Versorgung von demenzkranken Menschen in Japan vor der Herausforderung, Kontinuität in ihrem Leben zu gewährleisten, damit sie ihre Würde bewahren können. Die japanische Regierung versucht hier ein gemeinschaftliches Sozialhilfesystem für ältere Menschen mit Demenz und ihre Familien aufzubauen, in dem Krankenpfleger*innen und Sozialarbeiter*innen verschiedene Formen der individuellen Betreuung anbieten.
Im Jahr 1996 hat die International Geriatric Psychiatry Society die peripheren Symptome der Demenz als „Verhaltens- und psychologische Symptome der Demenz“ (BPSD) zusammengefasst4International Psychogeriatric Association. The BPSD Educational Pack; 1998. und dabei in zwei Typen eingeteilt:
- Verhaltenssymptome wie körperliche Aggressivität, Unruhe und Irritation;
- und psychologische Symptome wie Angst, Halluzinationen und Wahnvorstellungen.
Patient*innen mit BPSD widersetzen sich oft der Pflege und zeigen physische Aggressivität, was die Pflege erschwert, die Krankenpfleger*innen belastet und sich auf die medizinische Versorgung und die Lebensqualität (quality of life, QOL) der Patient*innen auswirkt. Psychiater*innen verordnen deshalb häufig psychotrope oder antipsychotische Medikamente, die aber oft zu Nebenwirkungen wie Sturzgefahr oder Delirium führen, weshalb es sinnvoll scheint, nicht-pharmakologische Wege zu suchen, um die Symptome von BPSD reduzieren. In der vorliegenden Studie wird deshalb taktile Massage auf ihre Wirksamkeit überprüft.
Taktile Massage ist, den Autor*innen folgend5Die (schwedische) taktile Massage wurde, so die Autor*innen (Bezug nehmend auf: Andersson K, Törnkvist L, Wändell P.: Tactile massage within the primary health care setting. Complement Ther Clin Pract. 2009;15(3):158-160. DOI: 10.1016/j.ctcp.2008.10.007; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19595417, Zugriff 23.02.2018), von einer schwedischen Krankenschwester namens Ardeby entwickelt., eine ergänzende Pflegemethode, die nicht nur in der Palliativ- und Altenpflege, sondern auch in anderen Gesundheitsbereichen erfolgreich eingesetzt wird, um Stress abzubauen. Taylor6Taylor A. The Principle and Practice of Physical Therapy. 3rd ed. Cheltenham, London: Stanley Thamas; 1991. definiert taktile Massage als eine Serie von langsamen Strokes, vor allem mit der Handinnenfläche und den Fingern, die mit festem Druck durchgeführt werden. Andersson7Andersson K, Törnkvist L, Wändell P. Tactile massage within the primary health care setting. Complement Ther Clin Pract. 2009;15(3):158-160. berichtet, dass sich Schmerzen, Schlafstörungen, Bewegungseinschränkungen, Kopfschmerzen und Körperspannung mit Massage verbesserten.8Die Studienteilnehmer*innen waren mindestens 18 Jahre alt, lebten zu Hause und litten an Schmerzen, Schlafstörungen, Bewegungsunfähigkeit, Kopfschmerzen und/oder Körperspannung. Die Verbesserungen zeigten sich in Hinblick auf Vitalität, den Mood of Health Index, den Schmerzindex auf der Borg-Skala und das Kohärenzgefühl. Andersson9Andersson K, Wändell P, Törnkvist L. Tactile massage improves glycaemic control in women with type 2 diabetes apilot study. Pract Diab Int. 2004;21(3):105-109. berichtet auch, dass sich Blutzucker- und HbA1c-Werte10Der HbA1c-Wert gibt Aufschluss, wie hoch der durchschnittliche Blutzuckerwert der vergangenen Wochen war. Er gilt als Blutzuckergedächtnis und ist in der Diabetesbehandlung ein wichtiger Messwert zur Kontrolle. bei Patient*innen mit Typ-2-Diabetes nach 60 Minuten wöchentlicher Ganzkörpermassage über zehn Wochen verbesserten. Agren11Agren A, Berg M. Tactile massage and severe nausea and vomiting during pregnancy-women’s experiences. Scand J Caring Sci. 2006;20(2):169-176. berichtet, dass taktile Massage eine gute Alternative und Ergänzung zur traditionellen Therapie bei schwerer Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft ist. Henricson12Henricson M, Erssonc A, Ma¨tta¨ S, Segestena K, Berglundb A. The outcome of tactile massage on stress parameters in intensive care. A randomized controlled trial. Complement Ther Clin Pract. 2008;14(4):244-254.] zeigt, dass taktile Massage bei Patient*innen, die auf der Intensivstation eine Herz- oder Darmchirurgie durchgemacht hatten, Angst reduzierte. Taktile Berührung scheint die Aktivität des sympathischen Nervensystems zu verringern.
Snyder13Snyder M, Egan EC, Burns KR. Interventions for decreasing agitation behaviors in persons with dementia. J Gerontol Nurs. 1995;21(7):34-40. zeigt, dass Handmassage und therapeutisches Berühren über zehn Tage die Unruhe bei älteren Patient*innen mit Demenz in einer Alzheimer-Pflegeeinheit nicht signifikant reduzierte. Kim et al.14Kim EJ, Buschmann MT. The effect of expressive physical touch on patients with dementia. Int J Nurs Stud. 1999;36(3):235-243. hingegen berichten, dass dysfunktionales Verhalten, das mit BPSD verbunden ist, mit physischer Massage abnahm. Remington15Remington R. Calming music and hand massage with agitated elderly. Nurs Res. 2002;51(5):317-323. berichtet, dass beruhigende Musik und Handmassage es den Bewohner*nnen von Pflegeheimen ermöglichte, sich ruhig zu fühlen und störende Reize auszugleichen. Hicks-Moore16Hicks-Moore SL. Favorite music and hand massage, dementa. Dementia. 2008;7(1):95-108. berichtet, dass das Spielen der Lieblingsmusik eines*einer Patient*in und Handmassage, sowohl allein als auch in Kombination, die Erregung unmittelbar und eine Stunde nach der Intervention signifikant reduzierte. Hall und Buckwalter17Hall G, Buckwalter KC. Progressively lowered stress threshould. A conceptual model for care of adults with Alzheimer’s disease. Arch Psychiatr Nurs. 1987;1(6):399-406. stellten die Hypothese auf, dass die Unruhe dann zunimmt, wenn eine Person mit Demenz ein hohes Maß an Stress erlebt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es mehrere Berichte über die Auswirkungen von Handmassage und Berührung während der Unruhephasen bei älteren Patient*innen mit Demenz gibt. Allerdings gibt es keine Berichte über die Langzeitwirkungen bei dieser Art von Intervention.
Anmerkungen/Fußnoten
- 1Die Studie wurde im American Journal of Alzheimer’s Disease and other Dementias (AJADD) Vol 25, Issue 8, 2010, S. 680-686, veröffentlicht; DOI: 10.1177/1533317510386215, http://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/1533317510386215 (Zugriff 23.02.2018).
- 2Mizue Suzuki, Asami Tatsumi, Toshiko Otsuka, Keiko Kikuchi, Akiko Mizuta, Kimiko Makino, Akie Kimoto, Kiyoe Fujiwara, Toshihiko Abe, Toshihiro Nakagomi, Tatsuya Hayashi und Takayuki Saruhara.
- 3Japanese cabinet. 2007 Elderly White Book. Tokyo, Japan: Gyosei; 2006.
- 4International Psychogeriatric Association. The BPSD Educational Pack; 1998.
- 5Die (schwedische) taktile Massage wurde, so die Autor*innen (Bezug nehmend auf: Andersson K, Törnkvist L, Wändell P.: Tactile massage within the primary health care setting. Complement Ther Clin Pract. 2009;15(3):158-160. DOI: 10.1016/j.ctcp.2008.10.007; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19595417, Zugriff 23.02.2018), von einer schwedischen Krankenschwester namens Ardeby entwickelt.
- 6Taylor A. The Principle and Practice of Physical Therapy. 3rd ed. Cheltenham, London: Stanley Thamas; 1991.
- 7Andersson K, Törnkvist L, Wändell P. Tactile massage within the primary health care setting. Complement Ther Clin Pract. 2009;15(3):158-160.
- 8Die Studienteilnehmer*innen waren mindestens 18 Jahre alt, lebten zu Hause und litten an Schmerzen, Schlafstörungen, Bewegungsunfähigkeit, Kopfschmerzen und/oder Körperspannung. Die Verbesserungen zeigten sich in Hinblick auf Vitalität, den Mood of Health Index, den Schmerzindex auf der Borg-Skala und das Kohärenzgefühl.
- 9Andersson K, Wändell P, Törnkvist L. Tactile massage improves glycaemic control in women with type 2 diabetes apilot study. Pract Diab Int. 2004;21(3):105-109.
- 10Der HbA1c-Wert gibt Aufschluss, wie hoch der durchschnittliche Blutzuckerwert der vergangenen Wochen war. Er gilt als Blutzuckergedächtnis und ist in der Diabetesbehandlung ein wichtiger Messwert zur Kontrolle.
- 11Agren A, Berg M. Tactile massage and severe nausea and vomiting during pregnancy-women’s experiences. Scand J Caring Sci. 2006;20(2):169-176.
- 12Henricson M, Erssonc A, Ma¨tta¨ S, Segestena K, Berglundb A. The outcome of tactile massage on stress parameters in intensive care. A randomized controlled trial. Complement Ther Clin Pract. 2008;14(4):244-254.
- 13Snyder M, Egan EC, Burns KR. Interventions for decreasing agitation behaviors in persons with dementia. J Gerontol Nurs. 1995;21(7):34-40.
- 14Kim EJ, Buschmann MT. The effect of expressive physical touch on patients with dementia. Int J Nurs Stud. 1999;36(3):235-243.
- 15Remington R. Calming music and hand massage with agitated elderly. Nurs Res. 2002;51(5):317-323.
- 16Hicks-Moore SL. Favorite music and hand massage, dementa. Dementia. 2008;7(1):95-108.
- 17Hall G, Buckwalter KC. Progressively lowered stress threshould. A conceptual model for care of adults with Alzheimer’s disease. Arch Psychiatr Nurs. 1987;1(6):399-406.