Klein, Joan et al.: Acupressure for nausea and vomiting in cancer patients receiving chemotherapy

Wellness-Behandlung

Joan Klein und Peter Griffiths haben 2004 im British Journal of Community Nursing, Vol 9, No 9 eine „Mini-Review“ zu Übelkeit und Erbrechen veröffentlicht.1Joan Klein & Peter Griffiths: Acupressure for nausea and vomiting in cancer patients receiving chemotherapy. British Journal of Community Nursing, 2004, Vol 9, No 9 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15389150). Zugriff: 19.11.2018.  Der Hintergrund dazu war, dass Übelkeit und Erbrechen zu den schwerwiegendsten Nebenwirkungen und Sorgen von Patient*innen gehören, die sich einer Chemotherapie unterziehen2Cooper S, Georgiou V (1992) The impact of cytotoxic chemotherapy: perspectives from patients, specialists and nurses. Eur J Cancer 28A(suppl 1): 36–8., und kann dazu führen, dass sie eine suboptimale Dosierung von Chemotherapeutika erhalten oder sogar die Fortsetzung der Therapie ablehnen. Der 1983 erschienenen Arbeit von Laslo3Laslo J (1983) Nausea and vomiting as major complications of cancer chemotherapy. Drugs 25(suppl 1): 1–7. zufolge haben etwa 25-50 % der Patient*innen mit erfolglos kontrollierter Übelkeit und Erbrechen eine oder mehrere geplante Chemotherapien verzögert oder weitere Behandlungen abgelehnt.

Immer wenn ein*e Krebspatient*in eine chemotherapeutisch bedingte Übelkeit erlebt, besteht zugleich auch das Risiko, dass sie eine konditionierte Übelkeit entwickelt, die dann ganz ohne Chemotherapeutika diese Symptome hervorbringt. Bis zu einem Drittel aller Patient*innen kann diese Symptomatik entwickeln, allerdings nur dann, wenn Übelkeit und Erbrechen nach der ersten Einnahme von zytotoxischen Medikamenten auftritt. Prävention und Behandlung dieser Beschwerden sind deshalb von großer Bedeutung.

Antiemetika waren 2004 die Standardbehandlung zur Vorbeugung von Chemotherapie bedingter Übelkeit und Erbrechen, insbesondere die Serotonin-(5-HT3)-Antagonisten4Z.B. Granisetron und Ondansetron. Diese Medikamente werden auch heute noch, neben anderen, standardmäßig gegen Übelkeit in der Begleitung von Chemotherapie eingesetzt (siehe z.B. https://www.onkologie-partner.de/krebsbehandlungen/medikamente-gegen-uebelkeit, Zugriff: 19.11.2018).. Bei vielen Patient*nnen sind Übelkeit und Erbrechen mit den vorhandenen Medikamentenallerdings nicht kontrollierbar. King schätzte in seiner Arbeit 1997, dass bis zu 60% der Patient*innen, die eine zytotoxische5Zytotoxie ist die Fähigkeit bestimmter (chemischer) Substanzen, Gewebszellen zu schädigen beziehungsweise abzutöten. Chemotherapie erhalten, darunter leiden.6King CR (1997) Nonpharmacologic management of chemotherapy-induced nausea and vomiting. Oncol Nurs Forum 24(7 Suppl): 41–8.Diese Situation hat sich bis heute kaum verändert. Fachleute (Quelle: https://www.netdoktor.at/krankheit/krebsschule/nebenwirkung-krebstherapie-uebelkeit-erbrechen-4764894, Zugriff: 19.11.2018) unterscheiden vier Risikogruppen:
hoch: Bei fast allen Patient*innen treten Übelkeit und Erbrechen auf (mehr als 90 von 100 Patient*innen)
moderat: Übelkeit und Erbrechen treten sehr oft auf (bei 30 bis 90 von100 Patient*innen)
niedrig: Die Nebenwirkungen treten eher selten auf (bei 10 bis 30 von 100 Patient*innen)
minimal: Übelkeit und Erbrechen treten selten auf (bei weniger als 10 von 100 Patient*innen)

Akupressur gegen Übelkeit und Erbrechen

Es ist deshalb notwendig, Methoden zu entwickeln und einzusetzen, die die vorhandenen pharmakologischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Übelkeit und Erbrechen verbessern (oder auch ersetzen) und die Entstehung von konditionierter Übelkeit und Erbrechen verhindern. Hier bietet sich, so die Autor*innen, Akupressur als nicht invasive und kostengünstige Behandlungsoption an, insbesondere in Form von Sea-Bands7Armbänder, die angelegt werden und auf bestimmte Akupunkturpunkte, z.B. gegen Reiseübelkeit, wirken (siehe http://www.sea-band.com/at, Zugriff: 19.11.2018)., die von den Patient*innen selbst angewendet werden können.

Die Autor*innen beziehen sich in der Beschreibung der Akupressur auf die im Jahre 2000 erschienene Arbeit von Dibble et al.8Dibble SL, Chapman J, Mack KA, Shih AS (2000). Acupressure for nausea: results of a pilot study. Oncol Nurs Forum 27(1): 41–7. https://www.researchgate.net/publication/12653790_Acupressure_for_Nausea_Results_of_a_Pilot_Study. In dieser Studie werden die Punkte Ma 36 und P 6 in der Untersuchung angewendet. Zugriff: 19.11.2018. und damit auf das traditionelle chinesische Konzept der Meridiane, in denen Energie (chinesisch Qi, japanisch Ki) durch den Körper fließt. Entlang der Meridiane gibt es Akupunkturpunkte (Tsubos), die wie Pumpstationen für das Qi wirken, und die durch Nadelung (Akupunktur) oder Druck (Akupressur) angesprochen werden. Damit können, so die Theorie der traditionellen chinesischen Medizin, der Fluss des Qi reguliert und Ungleichgewichte ausgeglichen werden.

Insbesondere zwei Akupunkturpunkte wurden mit Übelkeit und Erbrechen in Verbindung gebracht: Perikard 6 (P6, Neiguan) und Magen 36 (Ma36, Zusanli). Der am häufigsten untersuchte Punkt ist P 692 cun distal der Handgelenksfalte auf dem Perikard-Meridian., wahrscheinlich weil Ma 36103 cun distal der Kniescheibe (Patella) auf dem Magen-Meridian. an öffentlichen Orten schwieriger zu behandeln ist.

Gute systematische Übersichtsarbeiten deuten darauf hin, dass die Behandlung von P 6 mit Akupressur bei postoperativer Übelkeit und Erbrechen11Lee A, Done M (2004): Stimulation of the wrist acupuncture point P6 for preventing postoperative nausea and vomiting. Cochrane Database Syst Rev 3, CD003281. und möglicherweise auch bei schwangerschaftsbedingter Übelkeit und Erbrechen12Jewell D, Young G (2004) Interventions for nausea and vomiting in early pregnancy (Cochrane Review). Cochrane Database Syst Rev 3, CD003281. Die Ergebnisse sind hier allerdings zweideutig. Studien zur Wirksamkeit nach einer Chemotherapie sind seltener. Hier gab es zum Studienzeitpunkt es nur zwei Arbeiten unter Verwendung eines Sea-Bands, wie die Autor*innen angeben, und die vom Hersteller der Sea-Bands zu Werbezwecken verwendet wurden.13Stannard D (1989) Pressure prevents nausea. Nurs Times 85(4): 33-34.
Dundee J W, Yang J, McMillan C (1991) Non-invasive stimulation of the P6 (Neiguan) antiemetic acupuncture point in cancer chemotherapy. J R Soc Med8(4): 210–12.

Zielsetzung und Durchführung der Studie

Die zentrale Frage der vorliegenden „Mini-Review“14Das Format der „Mini-Review“ basiert, wie die Autor*innen ausführen, auf den gleichen Vorgangsweisen wie systematische Reviews: Es werden ansonsten kaum überschaubare Mengen an Forschung identifiziert, bewertet und zusammengefasst. Um Verzerrungen zu minimieren, wird die Überprüfung nach einem nachvollziehbaren, wissenschaftlichen und transparenten Ansatz durchgeführt. Anstatt also die Ansichten von „Experten*innen“ widerzuspiegeln, erzeugen Reviews Schlussfolgerungen, die auf einer Zusammenstellung und Analyse der verfügbaren Nachweise basieren. ist, ob Akupressur wirksam ist gegen Übelkeit und/oder Erbrechen bei Krebspatient*innen, die eine Chemotherapie erhalten. In die Studie wurden deshalb nur randomisierte kontrollierte Studien (RCTs)15Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs)  gelten die als höchste Evidenzstufe bei der Überprüfung der Wirksamkeit einer Intervention. einbezogen, die nachfolgende Kriterien erfüllen:

  • Die Teilnehmer*innen sind Erwachsene, die eine Chemotherapie gegen Krebs erhalten.
  • Die Studienintervention ist Akupressur der Punkte P 6 und/oder Ma 36 sein, die manuell oder mit Hilfe von Bändern durchgeführt wird.
  • Sowohl die Behandlungs- als auch die Kontrollgruppe erhalten die übliche Pflege, einschließlich Antiemetika.
  • Das Ergebnis der Menge oder des Ausmaßes von Übelkeit und/oder Erbrechen wird berichtet.
  • Die Studien sind in englischer Sprache veröffentlicht und über das King’s College London, die Imperial College Medical School und die British Medical Association Bibliothek verfügbar.

Studien wurden ausgeschlossen, die:  

  • eine andere Form der Stimulierung als Druck (z.B. Elektrostimulation oder Nadeln) verwenden; oder
  • (nur) Akupressur gegen Antiemetika verglichen.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
    Joan Klein & Peter Griffiths: Acupressure for nausea and vomiting in cancer patients receiving chemotherapy. British Journal of Community Nursing, 2004, Vol 9, No 9 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15389150). Zugriff: 19.11.2018. 
  • 2
    Cooper S, Georgiou V (1992) The impact of cytotoxic chemotherapy: perspectives from patients, specialists and nurses. Eur J Cancer 28A(suppl 1): 36–8.
  • 3
    Laslo J (1983) Nausea and vomiting as major complications of cancer chemotherapy. Drugs 25(suppl 1): 1–7.
  • 4
    Z.B. Granisetron und Ondansetron. Diese Medikamente werden auch heute noch, neben anderen, standardmäßig gegen Übelkeit in der Begleitung von Chemotherapie eingesetzt (siehe z.B. https://www.onkologie-partner.de/krebsbehandlungen/medikamente-gegen-uebelkeit, Zugriff: 19.11.2018).
  • 5
    Zytotoxie ist die Fähigkeit bestimmter (chemischer) Substanzen, Gewebszellen zu schädigen beziehungsweise abzutöten.
  • 6
    King CR (1997) Nonpharmacologic management of chemotherapy-induced nausea and vomiting. Oncol Nurs Forum 24(7 Suppl): 41–8.Diese Situation hat sich bis heute kaum verändert. Fachleute (Quelle: https://www.netdoktor.at/krankheit/krebsschule/nebenwirkung-krebstherapie-uebelkeit-erbrechen-4764894, Zugriff: 19.11.2018) unterscheiden vier Risikogruppen:
    hoch: Bei fast allen Patient*innen treten Übelkeit und Erbrechen auf (mehr als 90 von 100 Patient*innen)
    moderat: Übelkeit und Erbrechen treten sehr oft auf (bei 30 bis 90 von100 Patient*innen)
    niedrig: Die Nebenwirkungen treten eher selten auf (bei 10 bis 30 von 100 Patient*innen)
    minimal: Übelkeit und Erbrechen treten selten auf (bei weniger als 10 von 100 Patient*innen)
  • 7
    Armbänder, die angelegt werden und auf bestimmte Akupunkturpunkte, z.B. gegen Reiseübelkeit, wirken (siehe http://www.sea-band.com/at, Zugriff: 19.11.2018).
  • 8
    Dibble SL, Chapman J, Mack KA, Shih AS (2000). Acupressure for nausea: results of a pilot study. Oncol Nurs Forum 27(1): 41–7. https://www.researchgate.net/publication/12653790_Acupressure_for_Nausea_Results_of_a_Pilot_Study. In dieser Studie werden die Punkte Ma 36 und P 6 in der Untersuchung angewendet. Zugriff: 19.11.2018.
  • 9
    2 cun distal der Handgelenksfalte auf dem Perikard-Meridian.
  • 10
    3 cun distal der Kniescheibe (Patella) auf dem Magen-Meridian.
  • 11
    Lee A, Done M (2004): Stimulation of the wrist acupuncture point P6 for preventing postoperative nausea and vomiting. Cochrane Database Syst Rev 3, CD003281.
  • 12
    Jewell D, Young G (2004) Interventions for nausea and vomiting in early pregnancy (Cochrane Review). Cochrane Database Syst Rev 3, CD003281. Die Ergebnisse sind hier allerdings zweideutig.
  • 13
    Stannard D (1989) Pressure prevents nausea. Nurs Times 85(4): 33-34.
    Dundee J W, Yang J, McMillan C (1991) Non-invasive stimulation of the P6 (Neiguan) antiemetic acupuncture point in cancer chemotherapy. J R Soc Med8(4): 210–12.
  • 14
    Das Format der „Mini-Review“ basiert, wie die Autor*innen ausführen, auf den gleichen Vorgangsweisen wie systematische Reviews: Es werden ansonsten kaum überschaubare Mengen an Forschung identifiziert, bewertet und zusammengefasst. Um Verzerrungen zu minimieren, wird die Überprüfung nach einem nachvollziehbaren, wissenschaftlichen und transparenten Ansatz durchgeführt. Anstatt also die Ansichten von „Experten*innen“ widerzuspiegeln, erzeugen Reviews Schlussfolgerungen, die auf einer Zusammenstellung und Analyse der verfügbaren Nachweise basieren.
  • 15
    Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs)  gelten die als höchste Evidenzstufe bei der Überprüfung der Wirksamkeit einer Intervention.

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