Newsletter 14 der Grünen Masseur*innen
Liebe/r …
willkommen bei der 14. Ausgabe des Newsletters der Grünen Masseur*innen!
(11. Jänner 2020)
Information, vor allem rasche und vollständige Information, ist uns wichtig, auf unserer Website ebenso wie hier im Newsletter. Dafür stehen wir.
Denn Information ist die Grundlage für effektives Handeln. Das gilt sowohl für uns als Vertreter*innen in der Innung, als auch für alle beruflich Tätigen.
Es ist deshalb unser Anliegen, Euch (die Leser*innen des Newsletter, die Besucher*innen der Website) über Entwicklungen und Hintergründe zu informieren. Und unmittelbar darüber zu informieren, welche Ziele und Zielsetzungen wir in bestimmten Themenbereichen verfolgen, was wir für unsere Berufsgruppe erreichen wollen. Wofür wir uns einsetzen.
Eure Anregungen und Kommentare, die Information über Eure Anliegen und Sichtweisen benötigen wir dafür. Feedback, Diskussion und (sachliche) Kritik sind uns deshalb sehr willkommen. Im Blog auf der Website freuen wir uns auf Kommentare … oder einfach ein Mail an eduard.tripp@gmail.com schicken.
Darüber hinaus nutzen wir den Newsletter, um komplexe Themen in ihrem größeren Zusammenhang darzustellen (aktuell der Umgang mit dem Paragraph 19, individuelle Befähigung) und damit – das wäre unser Wunsch – Diskussion und Nachdenken, hoffentlich sogar aktives Handeln anzuregen.
Die bisher schon erschienen Newsletter könnten im Newsletter-Archiv nachgelesen werden:
~ Sexuelle Belästigung in der Massage-Praxis
Immer wieder ist in Massagekreisen von lästigen oder schwierigen, vor allem männlichen Kunden zu hören, von sexuellen Belästigungen und dubiosen Anfragen. Wie es sich damit konkret verhält, ist unserem Wissen nach aber nirgends dokumentiert, zwei Befragungen in Deutschland legen aber nahe, dass der Prozentsatz von betroffenen Personen im Gesundheitsbereich bei 20 bis 30 Prozent liegen dürfte.
Und entgegen der Meinung, dass vor allem jüngere Frauen von sexueller Belästigung betroffen sind, deuten aktuelle Studien und Umfragen darauf hin, dass das so nicht stimmt: Auch ältere Frauen und Männer sind von dieser Problematik betroffen und die meisten Vorfälle werden nicht öffentlich gemacht.
Bedauerlicherweise gibt es keine Anlaufstelle für freiberufliche Masseur*innen und auch keine sonstige explizite Unterstützung durch die Standesvertretung. Das sollte geändert werden, um Masseur*innen in ihrem Umgang mit solchen Vorfällen bestmöglich zu unterstützen!
Nach dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz liegt eine sexuelle Belästigung dann vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist, entscheidend ist hier das Empfinden der betroffenen Person. Dazu gehören (Quellen: Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der Universität Wien, deutsche Antidiskriminierungsstelle des Bundes):
- körperliche Verhaltensweisen (unerwünschte und unangebrachte Berührungen oder Nähe, sexuelle bestimmte körperliche Berührungen wie scheinbar zufällige Berührungen von Brust, Po oder unerwünschte Nackenmassagen, sexuelle Übergriffe, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung),
- verbale Verhaltensweisen (sexistische Witze, Witze, Anspielungen oder Anekdoten mit diskriminierenden Inhalten, zweideutige Anspielungen, anzügliche Bemerkungen, Bemerkungen zu körperlichen Merkmalen, Aussehen oder Kleidung, Bemerkungen zum Sexualleben, Aufforderung zu unerwünschten Handlungen) und
- nicht verbale Verhaltensweisen (anzügliche Blicke, Ausziehblicke, Hinterherpfeifen, ungewollte Konfrontation mit sexuellen oder intimen Inhalten, Aufhängen von sexistischem oder pornografischem Bildmaterial, unerwünschte Annäherungsversuche via E-Mail oder Telefon).
Studie der deutschen Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Einer deutschen Studie zufolge (Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention, Kurzfassung), die zwischen Juni 2018 und Mai 2019 insgesamt 1.531 erwerbstätige Personen erfasste, erlebt jede elfte (9 %) erwerbstätige Person eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
Frauen waren mit 13 % fast dreimal so häufig davon betroffen wie Männer (5 %). 53 % der Belästigungen gingen dabei von Dritten (Kund*innen, Patient*innen, Klient*innen) aus, 43 % von Kolleg*innen und 19 % von Vorgesetzten oder betrieblich höher gestellten Personen.
Am häufigsten (62 %) handelte es sich um verbale Belästigungen wie sexualisierte Kommentare, gefolgt von Belästigungen durch Blicke und Gesten, Nachpfeifen (44 %), unangemessenen intimen oder sexualisierten Fragen, unerwünschten Berührungen oder körperlichen Annäherungen (25 %), unangemessene Einladungen zu privaten Verabredungen (22 %), unerwünschtes Zeigen oder Aufhängen sexualisierter Bilder, Texte, Filme (14 %), unerwünschte Aufforderungen zu sexuellen Handlungen (11 %), unerwünschte Nachrichten mit sexualisiertem Inhalt (9 %), unerwünschtem Entblösen (5 %), Erpressung zu sexuellen Handlungen (1 %) und körperlicher Nötigung oder Zwang zu unerwünschten sexuellen Handlungen (1 %).
Deutlich am häufigsten wurden sexuelle Übergriffe im Gesundheits- und Sozialwesen genannt (29 %), gefolgt von Handel, Instandsetzung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (12 %), verarbeitendem Gewerbe (11 %) und Erziehung und Unterricht (10 %).
Medscape-Umfrage
Einer Online-Umfrage (Medscape-Report) unter Lesern des Medizinportals Medscape, die von Ende Juni bis Anfang September 2019 insgesamt 1.055 Ärzt*innen, Medizinstudierende und Krankenpfleger*nnen erfasste, wurde fast jede*r vierte Mediziner*n (24 %) und mehr als ein Drittel des Pflegepersonals (38 %) sexuell belästigt. In 68% der Fälle waren Männer die Täter, Frauen wurden zu 97 % von Männern belästigt.
Um die Schwere der Folgen der Übergriffe zu illustrieren:
- 21 % der Betroffenen reagierten auf den Vorfall (die Vorfälle, wenn das Erlebnis kein Einzelfall war) mit Schlafproblemen,
- 16 % mit sozialer Isolation,
- 9 % mit Binge Eating (periodischen Heißhungeranfällen),
- 7 % mit der Einnahme von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln,
- 7 % mit dem Konsum ungesunder Lebensmittel,
- 5 % mit gesteigertem Alkoholkonsum,
- 5 % mit Rauchen oder E-Zigaretten,
- 4 % mit dem Konsum von Cannabisprodukten und
- 2 % mit sonstigen Freizeitdrogen.
Nur 32 % der Betroffenen geben an, dass der Vorfall keine Auswirkungen auf ihre Arbeit hatte.
Was Betroffene tun können
Der wichtigste Rat, der sich in einschlägigen Publikationen findet, ist ganz grundsätzlich, sexuelle Belästigungen nicht einfach hinzunehmen und vor allem auch nicht die Schuld bei sich selbst zu suchen. Generell gilt, dass sexualisierte Übergriffe prinzipiell jeden Menschen treffen können, unabhängig von Alter, Geschlecht, Beeinträchtigung oder Herkunft.
Im Physio-Blog „Alles rund um Praxis und Therapie“ werden nachfolgende Ratschläge für den Akut-Fall gegeben (der letzte Punkt wurde vom Autor in Anlehnung an den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der Universität Wien ergänzt):
- Vertraue dem eigenen Gefühl (Studien belegen, dass Männer und Frauen ein gutes Gespür dafür haben, wann eine Grenzüberschreitung vorliegt)
- Weise Deine*n Patient*in/Klient*in freundlich, aber sachlich auf seine/ihre Grenzen hin (nicht auf Diskussionen einlassen und den Blickkontakt halten, auch wenn es manchmal schwer fällt. Auf keinen Fall sollte man die Handlung durch einen Scherz überspielen, es könnte den*die Patient*n in seinem*ihrem Handeln bestärken)
- Konsequenzen klar machen (beispielsweise, dass beim Fortfahren dieses Verhaltens die Behandlung abgebrochen wird und keine Folgetermine mehr vergeben werden)
- Die Belästigung bei „größeren Übergriffen“ – wenn möglich – sofort öffentlich machen (beispielsweise laut sagen: „Nehmen Sie ihre Finger da weg!“, damit Kolleg*innen aufmerksam werden)
- Gedächtnisprotokoll führen (Übergriffe so genau wie möglich protokollieren, d.h. Tag, Art, Uhrzeit, Reaktionen …)
- Eventuell einen Selbstverteidigungskurs besuchen (um das Selbstbewusstsein für brenzlige Situationen zu stärken)
- Vorkommnisse mit strafrechtlicher Bedeutung zur Anzeige bringen
- Mit professioneller Unterstützung Sofortmaßnahmen zur Wiederherstellung der psychischen Stabilität entwickeln und umsetzen
Und ergänzend wird von der deutschen Antidiskriminierungsstelle für sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz hinzugefügt: „Daher sollten Sie sich auch nicht davon verunsichern lassen, wenn eine sexuelle Belästigung im Nachhinein als „Kompliment“ oder „gut gemeintes“ Verhalten dargestellt oder Ihnen „Überempfindlichkeit“ vorgeworfen wird. Sexuelle Belästigung wird in aller Regel wissentlich verübt. Sie im Nachhinein zu verharmlosen, macht die Situation für die Betroffenen nur noch schlimmer.“
Wohin sich Betroffene wenden können
Die AK Wien bietet in Kooperation mit dem Verein sprungbrett eine österreichweite kostenlose und anonyme Telefonberatung für Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz: 0670 6007080, Montag von 11 bis 14 Uhr und Donnerstag von 16 bis 19 Uhr.
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft bietet eine kostenlose Hotline: 0800 206 119, Montag bis Donnerstag von 9 bis 15 Uhr und Freitag von 9 bis 12 Uhr.
Wohin sich betroffene Selbständige wenden können
Leider gibt es hier keine spezialisierte Anlaufstelle für freiberufliche Masseur*innen und auch sonst keine explizite Unterstützung durch die Standesvertretung, die Wirtschaftskammer.
Hier besteht unserer Meinung nach Handlungsbedarf!
- Masseur*innen (und andere betroffene Berufe) sollten eine Anlaufstelle haben, an die sie sich wenden können, wenn sie sexuelle Belästigungen erleben.
- Es sollten Workshops angeboten werden, in denen Masseur*innen professionell auf Situationen vorbereitet werden, in denen sie sexuelle Belästigungen erleben, um im Fall der Fälle besser und sicherer reagieren zu können.
- Auch (spezielle) Selbstverteidigungskurse sollten angeboten werden, um mehr Selbstvertrauen für brenzlige Situationen zu gewinnen.
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