Salutogenese
Das Konzept der Salutogenese wurde vom Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923 – 1994) entwickelt. Seine beiden Hauptwerke dazu sind „Health, stress and coping: New perspectives on mental and physical well-being“ (1979) und „Unraveling the mystery of health. How people manage stress and stay well“ (1987).
Aus Kritik an dem vor allem biomedizinischen Krankheits- und Präventionsmodell gibt Antonovsky der Frage, warum Menschen gesund bleiben, den Vorrang vor der Frage nach den Ursachen von Krankheiten und Risikofaktoren. Primär geht es um die Bedingungen von Gesundheit und Faktoren, welche die Gesundheit schützen und erhalten.
In „Unraveling the mystery of health“ (deutsch: „Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit“, 1997) beschreibt Antonovsky das Konzept der Salutogenese – im Vergleich zur Schulmedizin – anhand der Metapher eines Flusses:
Die pathogenetische Herangehensweise (die sich ausschließlich mit der Entstehung und Behandlung von Krankheiten beschäftigt) gleicht im Bild von Antonovsky dem Versuch, Menschen mit hohem Aufwand aus einem reißenden Fluss zu retten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sie da hineingeraten sind und warum sie nicht besser schwimmen können. Die Salutogenese hingegen sieht den Fluss als den Strom des Lebens: „Niemand geht sicher am Ufer entlang. Darüber hinaus ist für mich klar, dass ein Großteil des Flusses sowohl im wörtlichen wie auch im herkömmlichen Sinn verschmutzt ist. Es gibt Gabelungen im Fluss, die zu leichten Strömungen oder in gefährliche Stromschnellen und Strudel führen. Meine Arbeit ist der Auseinandersetzung mit folgender Frage gewidmet: ‚Wie wird man, wo immer man sich in dem Fluss befindet, dessen Natur von historischen, soziokulturellen und physikalischen Umweltbedingungen bestimmt wird, ein guter Schwimmer?'“
Gesundheits- und Krankheitskontinuum
Der üblichen (dichotomen) Trennung in gesund und krank stellt das Konzept der Salutogenese ein Kontinuum mit den Polen Gesundheit/körperliches Wohlbefinden und Krankheit/körperliches Missempfinden (health ease / disease continuum) gegenüber. Weder völlige Gesundheit noch völlige Krankheit sind für lebende Organismen wirklich zu erreichen. Jeder Mensch, auch wenn er sich (überwiegend) als gesund erlebt, hat auch kranke Anteile, und solange Menschen am Leben sind, sind auch noch Teile von ihnen gesund. Die Frage, so Antonovsky, ist also nicht, ob jemand gesund oder krank ist, sondern wie nahe bzw. wie entfernt er von den Endpunkten Gesundheit und Krankheit jeweils ist.