Berufspolitik endet nicht in der Wirtschaftskammer: Warum die Zusammenarbeit mit Dachverbänden Sinn macht. Am Beispiel von Shiatsu
Seit über 30 Jahren vertritt die Wirtschaftskammer offiziell alle Shiatsu-Praktiker*innen, die Shiatsu gewerblich ausüben, und spielt eine zentrale Rolle in allen beruflichen Angelegenheiten und Regelungen. Dennoch gibt es Aspekte, die viele Shiatsu-Ausübende nicht ausschließlich durch die Innung geregelt sehen möchten, und andere, die von der Innung nicht abgedeckt werden können. Diese Situation erinnert an die Einleitung der Geschichten von Asterix und Obelix, denn während die Wirtschaftskammer eine wichtige Position innehat, gibt es eine „unbeugsame“ Gemeinschaft von Praktiker*innen, die andere Wege gehen möchten und die für diesen Beruf – dennoch oder gerade deswegen? – von großer Bedeutung sind.
Historisch entstand diese Haltung aus der Gründung des Österreichischen Dachverbands für Shiatsu (ÖDS) im Jahr 1993, der eine demokratische Mitbestimmung von Praktiker*innen, Schüler*innen und Lehrenden ermöglicht, die in den Innungen nicht in diesem Maße gegeben ist. Zudem wurden Entscheidungen der Wirtschaftskammer in der Vergangenheit oft kritisch betrachtet, da ihnen manchmal die umfassende Fachkenntnis fehlte. Diese teilweise leider berechtigte Skepsis wiederum stärkte die Rolle des ÖDS, der eine zentrale Plattform für die berufliche Entwicklung und Interessenvertretung darstellt, und ist ein gewichtiges Argument für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Innung und Dachverband.
Die Grenzen der Vertretung der Wirtschaftskammer
Ein Beispiel für die begrenzten Möglichkeiten der Wirtschaftskammer ist der Nationale Qualifikationsrahmen (NQR), denn während die meisten Berufe mit Befähigungsprüfungen erfolgreich in den NQR integriert wurden, blieben geschlossene Systeme wie Shiatsu, Tuina, Ayurveda und Tibetische Massage aufgrund fehlender staatlicher Abschlussprüfungen außen vor. Und erst der ÖDS schloss diese Lücke, indem er die Zuordnung „seiner“ Shiatsu-Ausbildung1Die Ausbildungsrichtlinien der Massage-Verordnung für Shiatsu sind um etwa 100 Stunden weniger umfangreich als die der anderen ganzheitlich in sich geschlossenen Systeme. So fehlen im gesetzlichen Curriculum z.B. westliche Pathologie, rechtliche Grundlagen u.ä.m. zur NQR-Stufe 6 im April 2024 erreichte. Damit etablierte sich die Shiatsu-Ausbildung auf gleicher Stufe wie die gewerbliche Massage, die ihre Zuordnung schon im Herbst 2023 auf Initiative des Ministeriums erhalten hatte. Obgleich die Shiatsu-Ausbildung des ÖDS „nur“ zu einem Gewerbeschein „Massage eingeschränkt auf Shiatsu“ führt, zeigt die Zuordnung beider Ausbildungen ihre Gleichwertigkeit – ganz im Sinne des Ministeriums, das die Shiatsu-Ausbildung des ÖDS auf gleicher Stufe sieht wie die Befähigungsprüfung der gewerblichen Massage.2Diese Bewertung des Ministeriums konnte der ÖDS seinem Ansuchen an die NQR-Kommission (gewissermaßen in einem „letter of interest“) beilegen.
Ohne Dachverband wäre diese qualitative Profilierung und Absicherung nicht möglich gewesen.
Hier zeigt sich die Sinnhaftigkeit der Zusammenarbeit von Innung und Dach-/Fachverbänden.
Deshalb: Miteinander nicht gegeneinander – dafür setzen wir uns ein!
Der Dachverband als Brücke zur europäischen Dimension
Ein weiterer wichtiger Fokus der Berufspolitik des ÖDS, der über die Anliegen und wohl auch Möglichkeiten der Innung hinausreicht, liegt auf der europäischen Ebene: Ziel ist es, Shiatsu-Praktiker*innen die Möglichkeit zu geben, ihren Beruf EU-weit auszuüben. Dies verfolgt der Verband durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Shiatsu-Föderation (ESF), die seit 1993 daran arbeitet, eine europaweite Anerkennung und berufliche Mobilität zu schaffen.
Ein wichtiger Meilenstein in diesem Prozess war die NQR-Anerkennung, die den Grundstein für das weitere Vorgehen legt. Der nächste konkrete Schritt ist ein Symposium, das Ende Februar in Brüssel stattfindet. Führende Vertreter*innen europäischer Shiatsu-Organisationen kommen zusammen, um – über alle Verbandsgrenzen hinweg – die weitere Strategie für die Etablierung von Shiatsu als europaweit anerkannten Beruf miteinander abzustimmen… mehr dazu
Anmerkungen/Fußnoten
- 1Die Ausbildungsrichtlinien der Massage-Verordnung für Shiatsu sind um etwa 100 Stunden weniger umfangreich als die der anderen ganzheitlich in sich geschlossenen Systeme. So fehlen im gesetzlichen Curriculum z.B. westliche Pathologie, rechtliche Grundlagen u.ä.m.
- 2Diese Bewertung des Ministeriums konnte der ÖDS seinem Ansuchen an die NQR-Kommission (gewissermaßen in einem „letter of interest“) beilegen.