Die gesundheitsfördernden Wirkungen von Krafttraining

Krafttraining

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Die meisten Menschen verbinden, wenn sie an gesundheitsfördernde Wirkungen von Bewegung und Sport denken, damit vornehmlich Aktivitäten wie Joggen, Walken, Radfahren und andere Ausdauersportarten. Krafttraining, das auf die Verbesserung von Muskelkraft und -masse zielt, hat bei weitem kein so positives Image – fälschlicherweise, wie Petra Kittner in ihrem auf Univadis veröffentlichten Artikel1Petra Kittner: Mehr als Muskelaufbau: Die gesundheitlichen Vorteile des Krafttrainings (13.11.2024). anhand vorliegender aktueller Studien zusammenfasst, denn über die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit hinaus wirkt Krafttraining beispielsweise auf das Herz-Kreislauf-System und die Psyche.

Depressionen

Vor dem Hintergrund der WHO-Schätzung, dass weltweit mindestens 280 Millionen Menschen an Depressionen leiden, konnten Michael Noetel et al. (20242Michael Noetel et al.: Effect of exercise for depression: systematic review and network meta-analysis of randomised controlled trials BMJ 2024; 384 doi: https://doi.org/10.1136/bmj-2023-075847. In die Metanalyse wurden über 218 relevante Studien mit insgesamt über 14.000 Teilnehmer*innen aufgenommen.) nachweisen, dass insbesondere Walken, Yoga, Krafttraining sowie gemischte aerobe Übungen die Symptome von Depressionen moderat reduzieren können. Yoga und Krafttraining wurden zudem gut vertragen, was sie als effektive Ansätze für unterschiedliche Zielgruppen hervorhebt.

Die Analyse zeigte, dass Walken und Joggen für Männer und Frauen gleichermaßen wirksam sind, während Krafttraining insbesondere bei Frauen und Qigong bei Männern besonders positive Ergebnisse lieferte. Krafttraining zeigte seine größten Vorteile bei jüngeren Menschen, während Yoga besonders bei älteren Erwachsenen effektiv war.

Insgesamt wurde sportliche Betätigung als universell wirksame Maßnahme bewertet, unabhängig von der Schwere der Depression oder begleitenden Erkrankungen.3Die Effekte waren ähnlich bei individuellen und Gruppenübungen. Daher empfehlen die Autor*innen, körperliche Aktivität als zentrale Komponente in die Behandlung von Depressionen einzubeziehen – neben Psychotherapie und Antidepressiva.

Chronische Schmerzen

Eine Metaanalyse von Ivan Syroyid Syroyid et al. (20234.Syroyid Syroyid, Ivan MD, MHS; Cavero-Redondo, Ivan PT, ND, PhD3; Syroyid Syroyid, Bohdan PhD2: Effects of Resistance Training on Pain Control and Physical Function in Older Adults With Low Back Pain: A Systematic Review With Meta-analysis. Journal of Geriatric Physical Therapy 46(3):p E113-E126, July/September 2023. DOI: 10.1519/JPT.0000000000000374. https://journals.lww.com/jgpt/abstract/2023/07000/effects_of_resistance_training_on_pain_control_and.8.aspx. In die Metaanalyse waren 21 Studien mit insgesamt 1.661 Teilnehmer*innen einbezogen.) zeigt, dass progressives Widerstandstraining (PRT)5Progressives Widerstandstraining ist eine Trainingsmethode, bei der die Belastung (Widerstand) schrittweise erhöht wird, um die Muskelkraft und -ausdauer zu verbessern. Dabei werden Gewichte oder andere Widerstandsformen verwendet und die Intensität wird systematisch gesteigert, um kontinuierliche Fortschritte zu erzielen. bei älteren Erwachsenen mit chronischen Rückenschmerzen – sofern diese nicht durch lumbale Spinalstenosen bedingt waren – zu deutlichen Verbesserungen der körperlichen Funktionen und einer nicht eindeutigen Schmerzreduktion führte. Für das Training empfehlen die Autor*innen mindestens drei Sitzungen pro Woche, möglichst für zumindest 12 Wochen.

Ergänzend legt eine Studie an Mäusen von Joseph B. Lesnak et al. (20226Lesnak, Joseph B.; Fahrion, Alexis; Helton, Amber; Rasmussen, Lynn; Andrew, Megan; Cunard, Stefanie; Huey, Michaela; Kreber, Austin; Landon, Joseph; Siwiec, Travis; Todd, Kenan; Frey-Law, Laura A.; Sluka, Kathleen A.: Resistance training protects against muscle pain through activation of androgen receptors in male and female mice. PAIN 163(10):p 1879-1891, October 2022. DOI: 10.1097/j.pain.0000000000002638. https://journals.lww.com/pain/abstract/2022/10000/resistance_training_protects_against_muscle_pain.4.aspx.) nahe, dass Krafttraining Muskelbeschwerden vorbeugen kann, indem es die Aktivität von Androgenrezeptoren steigert. Acht Wochen Krafttraining7Als Krafttraining führten die Mäuse Kletterübungen an einer Leiter durch, wobei kleine Gewichte an ihren Schwänzen befestigt waren. vor der experimentellen Schmerzinduktion verhinderten bei den untersuchten Mäusen die Entstehung von Muskelschmerzen – unabhängig vom Geschlecht. Wurde der Schmerz jedoch einmal etabliert, reduzierte das Training die Beschwerden nur bei männlichen Mäusen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass das Training bei ihnen zu einem kurzfristigen Anstieg des Testosteronspiegels führte, während ein solcher Effekt bei weiblichen Mäusen ausblieb.

Nach Ansicht der Forschenden zeigt die Studie, dass Krafttraining analgetische Effekte haben und präventiv gegen Muskelbeschwerden wirken kann. Um muskuloskelettale Schmerzen zu vermeiden, empfehlen sie daher ein kontinuierliches Training, auch in beschwerdefreien Phasen.

Herzkreislauferkrankungen, Krebs und allgemeine Mortalität

In der Metaanalyse von Prathiyankara Shailendra et al. (20228Shailendra P, Baldock KL, Li LSK, Bennie JA, Boyle T: Resistance Training and Mortality Risk: A Systematic Review and Meta-Analysis. Am J Prev Med. 2022 Aug;63(2):277-285. doi: 10.1016/j.amepre.2022.03.020. Epub 2022 May 20. PMID: 35599175. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35599175/., in die zehn Studien einbezogen waren,, wurde der Zusammenhang zwischen Krafttraining und allgemeiner Mortalität, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebs-Erkrankungen erforscht.

Im Vergleich zum Verzicht auf Widerstandstraining reduzierte Krafttraining das allgemeine Sterblichkeitsrisiko um 15 %. Die maximale Risikoreduktion von 27 % wurde bei etwa 60 Minuten Krafttraining pro Woche beobachtet. Ein höheres Trainingsvolumen führte jedoch nicht zu einer weiteren Verbesserung, sondern ließ die Risikoreduktion abnehmen. Zudem sank das Risiko der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Widerstandstraining um 19 %, während das Risiko einer krebsspezifischen Sterblichkeit um 14 % verringert wurde.

Bluthochdruck

In eilner Metaanalyse identifizierten Rafael Ribeiro Correia et al. (20239Correia, R.R., Veras, A.S.C., Tebar, W.R. et al.: Strength training for arterial hypertension treatment: a systematic review and meta-analysis of randomized clinical trials. Sci Rep 13, 201 (2023). https://doi.org/10.1038/s41598-022-26583-3 https://www.nature.com/articles/s41598-022-26583-3. 14 relevante klinische Studien mit insgesamt 253 Teilnehmer*innen10Das Durchschnittsalter der Teilnehmer*innen lag etwas über 59 Jahre. mit Bluthochdruck, die belegen, dass Krafttraining, zwei- bis dreimal pro Woche mit moderater bis hoher Intensität über mindestens acht Wochen durchgeführt, effektiv gegen arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) wirken kann.11Acht bis zehn Wochen Krafttraining können, so das Ergebnis der Studie, den systolischen Blutdruck um durchschnittlich 10 mm Hg und den diastolischen Blutdruck um fast 5 mm Hg senken. Diese Effekte traten nach etwa der zwanzigsten Trainingseinheit auf und hielten bis zu 14 Wochen nach Trainingsende an. Das Krafttraining war besonders effektiv, wenn die Belastungsintensität mehr als 60 % des maximalen Einzelgewichts betrug, das die jeweilige Person heben kann.

Leberzirrhose

In einer zwölfwöchigen Studie überprüfte Luise Aamann et. al. (202012Aamann, Luise et al.: Resistance Training Increases Muscle Strength and Muscle Size in Patients With Liver CirrhosisAamann, Luise et al.Clinical Gastroenterology and Hepatology, Volume 18, Issue 5, 1179 – 1187.e6 https://www.cghjournal.org/article/S1542-3565(19)30847-X/fulltext.) die Wirkung von Krafttraining auf Patient*innen mit Leberzirrhose, da etwa 75 Prozent der hospitalisierten Patient*innen an Muskelschwäche leiden. Bei den Patient*innen, die regelmäßig dreimal wöchentlich eine Stunde lang Krafttraining durchführten, zeigten sich deutliche Verbesserungen sowohl an Muskelkraft als auch an Muskelgröße. Zudem verbesserten sich die funktionale Kapazität und die Lebensqualität der Trainierenden.

Aktivierung der zellulären Abfallentsorgung

Das Protein BAG3 spielt eine entscheidende Rolle bei der Beseitigung beschädigter Komponenten (die zellulären Bestandteile von Muskeln und Nerven unterliegen einem ständigen Verschleiß). Es identifiziert diese und dafür sorgt, dass sie von Zellmembranen umschlossen werden, um ein „Autophagosom“ zu bilden.13Autophagosomen funktionieren wie Müllsacke, in denen zelluläre Abfälle für die spätere Zerkleinerung und Wiederverwertung gesammelt werden. Krafttraining, so konnte eine Studie von Judith Ottensmeyer et al. (202414Ottensmeyer, Judith et al.: Force-induced dephosphorylation activates the cochaperone BAG3 to coordinate protein homeostasis and membrane trafficOttensmeyer, Judith et al.Current Biology, Volume 34, Issue 18, 4170 – 4183.e9 https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(24)01027-3?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS0960982224010273%3Fshowall%3Dtrue.) nachweislen, aktiviert BAG3 in den Muskeln und fördert damit die „zelluläre Abfallentsorgung“.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
  • 2
    Michael Noetel et al.: Effect of exercise for depression: systematic review and network meta-analysis of randomised controlled trials BMJ 2024; 384 doi: https://doi.org/10.1136/bmj-2023-075847. In die Metanalyse wurden über 218 relevante Studien mit insgesamt über 14.000 Teilnehmer*innen aufgenommen.
  • 3
    Die Effekte waren ähnlich bei individuellen und Gruppenübungen.
  • 4
    .Syroyid Syroyid, Ivan MD, MHS; Cavero-Redondo, Ivan PT, ND, PhD3; Syroyid Syroyid, Bohdan PhD2: Effects of Resistance Training on Pain Control and Physical Function in Older Adults With Low Back Pain: A Systematic Review With Meta-analysis. Journal of Geriatric Physical Therapy 46(3):p E113-E126, July/September 2023. DOI: 10.1519/JPT.0000000000000374. https://journals.lww.com/jgpt/abstract/2023/07000/effects_of_resistance_training_on_pain_control_and.8.aspx. In die Metaanalyse waren 21 Studien mit insgesamt 1.661 Teilnehmer*innen einbezogen.
  • 5
    Progressives Widerstandstraining ist eine Trainingsmethode, bei der die Belastung (Widerstand) schrittweise erhöht wird, um die Muskelkraft und -ausdauer zu verbessern. Dabei werden Gewichte oder andere Widerstandsformen verwendet und die Intensität wird systematisch gesteigert, um kontinuierliche Fortschritte zu erzielen.
  • 6
    Lesnak, Joseph B.; Fahrion, Alexis; Helton, Amber; Rasmussen, Lynn; Andrew, Megan; Cunard, Stefanie; Huey, Michaela; Kreber, Austin; Landon, Joseph; Siwiec, Travis; Todd, Kenan; Frey-Law, Laura A.; Sluka, Kathleen A.: Resistance training protects against muscle pain through activation of androgen receptors in male and female mice. PAIN 163(10):p 1879-1891, October 2022. DOI: 10.1097/j.pain.0000000000002638. https://journals.lww.com/pain/abstract/2022/10000/resistance_training_protects_against_muscle_pain.4.aspx.
  • 7
    Als Krafttraining führten die Mäuse Kletterübungen an einer Leiter durch, wobei kleine Gewichte an ihren Schwänzen befestigt waren.
  • 8
    Shailendra P, Baldock KL, Li LSK, Bennie JA, Boyle T: Resistance Training and Mortality Risk: A Systematic Review and Meta-Analysis. Am J Prev Med. 2022 Aug;63(2):277-285. doi: 10.1016/j.amepre.2022.03.020. Epub 2022 May 20. PMID: 35599175. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35599175/.
  • 9
    Correia, R.R., Veras, A.S.C., Tebar, W.R. et al.: Strength training for arterial hypertension treatment: a systematic review and meta-analysis of randomized clinical trials. Sci Rep 13, 201 (2023). https://doi.org/10.1038/s41598-022-26583-3 https://www.nature.com/articles/s41598-022-26583-3.
  • 10
    Das Durchschnittsalter der Teilnehmer*innen lag etwas über 59 Jahre.
  • 11
    Acht bis zehn Wochen Krafttraining können, so das Ergebnis der Studie, den systolischen Blutdruck um durchschnittlich 10 mm Hg und den diastolischen Blutdruck um fast 5 mm Hg senken. Diese Effekte traten nach etwa der zwanzigsten Trainingseinheit auf und hielten bis zu 14 Wochen nach Trainingsende an. Das Krafttraining war besonders effektiv, wenn die Belastungsintensität mehr als 60 % des maximalen Einzelgewichts betrug, das die jeweilige Person heben kann.
  • 12
    Aamann, Luise et al.: Resistance Training Increases Muscle Strength and Muscle Size in Patients With Liver CirrhosisAamann, Luise et al.Clinical Gastroenterology and Hepatology, Volume 18, Issue 5, 1179 – 1187.e6 https://www.cghjournal.org/article/S1542-3565(19)30847-X/fulltext.
  • 13
    Autophagosomen funktionieren wie Müllsacke, in denen zelluläre Abfälle für die spätere Zerkleinerung und Wiederverwertung gesammelt werden.
  • 14
    Ottensmeyer, Judith et al.: Force-induced dephosphorylation activates the cochaperone BAG3 to coordinate protein homeostasis and membrane trafficOttensmeyer, Judith et al.Current Biology, Volume 34, Issue 18, 4170 – 4183.e9 https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(24)01027-3?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS0960982224010273%3Fshowall%3Dtrue.