Balaststoffe und Probiotika wirken sich positiv auf die kognitiven Leistungen älterer Menschen aus

Tomaten

Medscape, die weltweit führende Online-Plattform für Ärzte und Gesundheitsexperten1Quelle: https://deutsch.medscape.com/public/ueber_uns., berichtet in einem aktuellen Beitrag26. Mai 2024, https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4913698., dass zahlreiche Studien belegen, dass Balllaststoffpräparate3Präbiotika sind spezielle, für unseren Körper nicht verdaubare Lebensmittelbestandteile (Ballaststoffe), die allerdings das Wachstum und die Aktivität wichtiger Bakterien (z.B. Bifido- und Milchsäurebakterien) im Dickdarm fördern, beispielsweise Ballaststoffe wie Inulin (z.B. in in Chicorée, Topinambur, Zwiebeln) und Oligofruktose (z.B. in Zwiebeln, Artischocken, Spargel). und Probiotika4Probiotika sind Zubereitungen, die lebensfähige Mikroorganismen enthalten, zum Beispiel Milchsäurebakterien und Hefen. die „geistige Fitness“ älterer Menschen nachweislich steigern.

  • Eine aktuelle Studie in Nature (20245Ni Lochlainn, M., Bowyer, R.C.E., Moll, J.M. et al. Effect of gut microbiome modulation on muscle function and cognition: the PROMOTe randomised controlled trial. Nat Commun 15, 1859 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-46116-y) zeigt auf, dass preiswerte und leicht verfügbare Ballaststoffpräparate die kognitiven Fähigkeiten älterer Menschen verbessern können: Personen über 60 Jahre, die 3 Monate lang täglich ein präbiotisches Präparat eingenommen hatten, schnitten bei Gedächtnis- und Wahrnehmungstests besser ab als die Placebo-Gruppe.
    Von besonderer klinischer Bedeutung sind die signifikant weniger Fehler im Paar-Assoziationstest, der sich auf das visuelle Gedächtnis und das Erlernen neuer Inhalte konzentriert, da dieser Test als Frühindikator für Alzheimer-Demenz eingesetzt wird: Möglicherweise könnten Präbiotika für die Vorbeugung des kognitiven Verfalls älterer Menschen von Bedeutung sein.
  • Untersuchungen belegen, dass der Benefit von Ballaststoffen weit über die Erhaltung der Darmgesundheit hinausreicht, da einige neurobiologische Prozesse, die emotionalen, kognitiven und Verhaltensfunktionen zugrunde liegen, offenbar durch das Mikrobiom6Gesamtheit aller Bakterien und anderer Mikroorganismen im Darm. reguliert werden. Eine Studie aus 20197John F. Cryan, Kenneth J. O’Riordan, Caitlin S. M. Cowan et al.: The Microbiota-Gut-Brain Axis. Physiological Reviews 2019 99:4, 1877-2013. https://journals.physiology.org/doi/abs/10.1152/physrev.00018.2018. zeigt unterschiedliche wechselseitige Kommunikationswege zwischen dem Mikrobiom und dem Gehirn auf: Immunsystem, Tryptophan-Stoffwechsel, Vagusnerv und enterisches Nervensystem.8Das Mikrobiom wurde auch schon mit neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Autismus, Angstzuständen, Schizophrenie, Parkinson- und Alzheimer-Krankheit sowie mit Adipositas in Verbindung gebracht.
  • Eine Übersichtsarbeit in Neurological Sciences (20239Yvonne Suzy Handajani, Antoninus Hengky, Elisabeth Schröder-Butterfill et al.: Probiotic supplementation improved cognitive function in cognitively impaired and healthy older adults: a systematic review of recent trials. Neurol Sci. 2023 Apr;44(4):1163-1169. doi: 10.1007/s10072-022-06540-8. Epub 2022 Dec 19. belegt109 von 10 Studien zeigen dieses Ergebnis., dass die Einnahme von Probiotika, die die Zusammensetzung des Mikrobioms direkt verbessern die kognitiven Leistungen signifikant verbessert. Und auch eine weitere Studie (202111Jessica Eastwood, Gemma Walton, Saskia Van Hemert et al.: The effect of probiotics on cognitive function across the human lifespan: A systematic review. Neurosci Biobehav Rev. 2021 Sep:128:311-327. doi: 10.1016/j.neubiorev.2021.06.032. Epub 2021 Jun 24. DOI: 10.1016/j.neubiorev.2021.06.032.) zeigt, dass Probiotika das Potenzial haben, den kognitiven Verfall zu verlangsamen.
  • Präbiotika12Lebensmittelbestandteile, die bestimmte Ballaststoffe enthalten, die vom Mikrobiom genutzt werden und es darüber indirekt modulieren. dürften einer Übersichtsstudie (201913Olivier Desmedt, Valérie J V Broers, Giorgia Zamariola et al.: Effects of prebiotics on affect and cognition in human intervention studies. Nutrition Reviews, Volume 77, Issue 2, February 2019, Pages 81–95, https://doi.org/10.1093/nutrit/nuy052.) zufolge auf die Kognition und den Affekt wirken. Beispielsweise verbessern sie das verbale episodische Gedächtnis.
  • Eine aktuelle randomisierte Doppelblindstudie (202414Mary Ni Lochlainn, Ruth C. E. Bowyer, Janne Marie Moll et al.: Effect of gut microbiome modulation on muscle function and ognition: the PROMOTe randomised controlled trial. Nat Commun 15, 1859 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-46116-y.) mit 36 Zwillingspaaren im Alter von über 60 Jahren15Durchschnittsalter war 73 Jahre, 78 Prozent der Teilnehmer*innen war weiblich.
    PROMOTe-Studie steht für „effect of PRebiotic and prOtein on Muscle in Older Twins
    , von denen der*die eine Zwilling über 12 Wochen ein Präbiotikum (Inulin und Fructo-Oligosaccharide) erhielt, der*die andere nicht, wies nach, dass die kognitiven Leistungen der Präbiotika-Gruppe signifikant besser waren als die der Vergleichsgruppe, die lediglich ein Placebo erhielten.16 Erfasst wurden in der Studie „muskuläre Parameter“, wie die Aufstehzeit von einem Stuhl oder die Stärke des Händedrucks, und der Appetit ebenso wie kognitive Leistungen, für den der CANTAB-Kognitionstest verwendet wurde. Dabei zeigte sich (erwartungsgemäß) eine Veränderung der Zusammensetzung des Darmmikrobioms bei den Zwillingen, die Präbiotika erhalten haben.17Die Veränderungen des Darmmikrobioms waren dabei hauptsächlich auf eine höhere relative Häufigkeit von Bifidobakterien in der Präbiotika-Gruppe zurückzuführen. In Hinblick auf die die Stuhlaufstehzeit, die Stärke des Händedrucks oder den Appetit fanden sich in der Studie keine klaren Trends, die den Autor*innen zufolge auch dem für einen Muskelaufbau kurzen Zeitraum der Studie geschuldet sein könnten. Verbessert allerdings haben sich die Ergebnisse im Kognitionstest.18Bei einem Test mit paarweisen Assoziationen machte die Präbiotika-Gruppe nur halb so viele Fehler wie die Placebogruppe.
    Zwar könnten, wie die leitende Forscherin Dr. Mary Ni Lochlainn, Fachärztin für Geriatrie und allgemeine innere Medizin am King’s College London, in Medscape erklärt, präbiotische Ballaststoffe auch aus einigen Obst- und Gemüsesorten gewonnen werden, für die Studie war allerdings eine genaue Dosierung erforderlich, weshalb auf Präparate zurückgegriffen wurde. Möglicherweise könnte eine notwendige Ernährungsanpassung in der Praxis bei älteren Menschen aber auch auf Schwierigkeiten stoßen, weil ältere Menschen oft generell weniger essen, weil sie weniger Appetit haben, einen schlechten Zahnstatus, aus sozioökonomischen Gründen oder weil sie allein essen. In diesenSituationen könnten Nahrungsergänzungsmittel praktikabler sein als eine Ernährungsumstellung.
    Dr. Ni Lochlainn zufolge dürfte ein Probiotikum, das Bifidobakterien enthält, ähnliche Vorteile haben, doch gäbe es bei Probiotika zusätzliche Herausforderungen, wie beispielsweise den Schutz der Bakterien vor der Zerstörung durch die Magensäure oder das leicht erhöhte Risiko für (seltene) Nebenwirkungen.

Anmerkungen/Fußnoten

  • 1
  • 2
  • 3
    Präbiotika sind spezielle, für unseren Körper nicht verdaubare Lebensmittelbestandteile (Ballaststoffe), die allerdings das Wachstum und die Aktivität wichtiger Bakterien (z.B. Bifido- und Milchsäurebakterien) im Dickdarm fördern, beispielsweise Ballaststoffe wie Inulin (z.B. in in Chicorée, Topinambur, Zwiebeln) und Oligofruktose (z.B. in Zwiebeln, Artischocken, Spargel).
  • 4
    Probiotika sind Zubereitungen, die lebensfähige Mikroorganismen enthalten, zum Beispiel Milchsäurebakterien und Hefen.
  • 5
    Ni Lochlainn, M., Bowyer, R.C.E., Moll, J.M. et al. Effect of gut microbiome modulation on muscle function and cognition: the PROMOTe randomised controlled trial. Nat Commun 15, 1859 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-46116-y
  • 6
    Gesamtheit aller Bakterien und anderer Mikroorganismen im Darm.
  • 7
    John F. Cryan, Kenneth J. O’Riordan, Caitlin S. M. Cowan et al.: The Microbiota-Gut-Brain Axis. Physiological Reviews 2019 99:4, 1877-2013. https://journals.physiology.org/doi/abs/10.1152/physrev.00018.2018.
  • 8
    Das Mikrobiom wurde auch schon mit neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Autismus, Angstzuständen, Schizophrenie, Parkinson- und Alzheimer-Krankheit sowie mit Adipositas in Verbindung gebracht.
  • 9
    Yvonne Suzy Handajani, Antoninus Hengky, Elisabeth Schröder-Butterfill et al.: Probiotic supplementation improved cognitive function in cognitively impaired and healthy older adults: a systematic review of recent trials. Neurol Sci. 2023 Apr;44(4):1163-1169. doi: 10.1007/s10072-022-06540-8. Epub 2022 Dec 19.
  • 10
    9 von 10 Studien zeigen dieses Ergebnis.
  • 11
    Jessica Eastwood, Gemma Walton, Saskia Van Hemert et al.: The effect of probiotics on cognitive function across the human lifespan: A systematic review. Neurosci Biobehav Rev. 2021 Sep:128:311-327. doi: 10.1016/j.neubiorev.2021.06.032. Epub 2021 Jun 24. DOI: 10.1016/j.neubiorev.2021.06.032.
  • 12
    Lebensmittelbestandteile, die bestimmte Ballaststoffe enthalten, die vom Mikrobiom genutzt werden und es darüber indirekt modulieren.
  • 13
    Olivier Desmedt, Valérie J V Broers, Giorgia Zamariola et al.: Effects of prebiotics on affect and cognition in human intervention studies. Nutrition Reviews, Volume 77, Issue 2, February 2019, Pages 81–95, https://doi.org/10.1093/nutrit/nuy052.
  • 14
    Mary Ni Lochlainn, Ruth C. E. Bowyer, Janne Marie Moll et al.: Effect of gut microbiome modulation on muscle function and ognition: the PROMOTe randomised controlled trial. Nat Commun 15, 1859 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-46116-y.
  • 15
    Durchschnittsalter war 73 Jahre, 78 Prozent der Teilnehmer*innen war weiblich.
    PROMOTe-Studie steht für „effect of PRebiotic and prOtein on Muscle in Older Twins
  • 16
    Erfasst wurden in der Studie „muskuläre Parameter“, wie die Aufstehzeit von einem Stuhl oder die Stärke des Händedrucks, und der Appetit ebenso wie kognitive Leistungen, für den der CANTAB-Kognitionstest verwendet wurde.
  • 17
    Die Veränderungen des Darmmikrobioms waren dabei hauptsächlich auf eine höhere relative Häufigkeit von Bifidobakterien in der Präbiotika-Gruppe zurückzuführen.
  • 18
    Bei einem Test mit paarweisen Assoziationen machte die Präbiotika-Gruppe nur halb so viele Fehler wie die Placebogruppe.